Im Schwarzwald ist es zu jeder Jahreszeit und bei (fast) jedem Wetter schön. Das bestätigt auch die sehr persönliche Beschreibung der Adventswanderung von Nicolai Stotz, der uns schon mit so vielen schönen Fotos von allen zehn Karseen des Nordschwarzwalds versorgt hat. Schaut euch seinen Bericht und seine Bilder an – ihr werdet gleich die Wanderstiefel anziehen wollen. 😉
Kalte Suppe aus unterschiedlichen Grautönen, garniert mit Nebelschwaden
So würde diese seltsame Jahreszeit wohl heißen, wenn sie in der Speisekarte eines Restaurants auftauchen würde. Der Herbst mit seinen bunten Farben verblasst von Tag zu Tag und vom Winter, der die Landschaft in sein zauberhaftes Kleid hüllt, ist hier in der Stadt weit und breit noch nichts zu sehen. Es ist der 1. Advent und heute beginnt die Weihnachtszeit. Und es ist der 1. Dezember, der Beginn des letzten Monats des Jahres. Eigentlich war es ein gutes Jahr – na ja, bis auf diese blöde Sache im September eben. Dabei kommt mir der Gedanke, dass heute vielleicht auch für mich etwas Neues beginnen könnte. Oder ist es dafür noch zu früh? Nein, jetzt einfach nicht groß nachdenken, Wanderschuhe schnappen und ab ins Auto, denn um diese Jahreszeit wird es schon früh dunkel.
Adventswanderung aufs Geratewohl
Wohin es gehen soll, kann ich mir immer noch unterwegs überlegen. Das mache ich oft so, erstmal los und unterwegs planen. Dabei habe ich manchmal den Eindruck, dass mein Auto sein Ziel selbst wählt und einfach drauflos fährt. Ganz wie früher, so gefällt mir das. Heute bringt mich mein Auto zur Herrenwieser Schwallung, die zwischen der Schwarzenbachtalsperre und Herrenwies liegt. Auf dem kleinen Wanderparkplatz stelle ich mein Auto ab und weiß: Das war eine gute Entscheidung. Denn einerseits möchte mir noch nicht zu viel zumuten, andererseits soll es doch auch Spaß machen. Die Strecke, die vor mir liegt, würde man in einem Sportstudio wohl „Intervall-Training“ nennen, denn sie beinhaltet ebenso sanfte Auf- und Abstiege auf breiten Forststraßen wie auch steile Passagen über Stock und Stein.
Historische Schwallanlage
Startpunkt ist die Herrenwieser Schwallung, die es sich lohnt, einmal genauer anzusehen. Eine Schwallung diente in früheren Zeiten dazu, Wasser anzustauen und eine künstliche Flutwelle zu erzeugen um damit das aus den umliegenden Wäldern geschlagene Langholz ins Tal zu befördern. Die Herrenwieser Schwallung stammt aus dem Jahr 1844 und ist eine der größten Schwall-Anlagen in der Region. Von hier aus führt der Weg hinauf zum Herrenwieser See, einem der zehn Karseen im nördlichen Schwarzwald. Entweder folgt man der Forststraße oder man nimmt eine Abkürzung über einen Trampelpfad, der gerade den Hang hinauf führt, bis man wieder auf der Straße landet. Das geht hier noch, da man sich im Privatwald der Murgschifferschaft befindet. Spätestens am Herrenwieser See, der sich in einem Naturschutzgebiet befindet oder ein Stück weiter im Nationalpark, gilt dann striktes Wegegebot und es ist verboten, die ausgeschilderten Wanderwege zu verlassen.
Aber auch im ganzen Naturpark sollte man auf den offiziellen Wegen bleiben, denn besonders in der kalten Jahreszeit brauchen die Wildtiere Ruhe. Werden sie aufgescheucht, verbrauchen sie in der nahrungsarmen Zeit zu viel Energie. Bei manchen Tieren kann das tödlich sein.
Wild und schön
Während ich so meines Weges gehe, betrachte ich die Natur um mich herum. Hat mich das nasstrübe Wetter zu Hause noch gestört, so begeistert es mich hier draußen umso mehr. Alles um mich herum strahlt eine wilde und ursprüngliche Schönheit aus. Der Übergang vom Herbst in den Winter ist hier deutlich zu sehen. Der herbstlich braune Bewuchs geht hier und da in kleine Schneeverwehungen über und die Tannen- und Fichtenzweige sind schon mit einer dünnen Frostschicht überzogen.
Kurz vor dem Herrenwieser See wurde eine kleine Schneise in den Wald geschlagen und eröffnet einen grandiosen Blick hinunter zur Schwarzenbachtalsperre. Dann macht die Forststraße einen Bogen und nach ein paar Metern steht man an dem wunderschönen Karsee. Die Karseen entstanden nach der letzten Eiszeit, als Gletscher Mulden formten, in denen sich später das Wasser sammelte. Es sind einzigartige Biotope, die eine ganz besondere Flora und Fauna aufweisen. Jeder Besucher sollte sich daher an die Regeln halten, auf die überall auf Schildern hingewiesen wird. Ich mache eine kleine Rast auf einer einladenden Bank und wie bestellt geht plötzlich der Himmel auf und die Sonne kommt heraus. Zeit, etwas die Seele baumeln zu lassen.
Sehnsucht nach dem Schwarzwald
Mir kommen unweigerlich die zahlreichen Stunden in den Sinn, als ich ans Bett gefesselt aus dem Fenster schaute und mir nichts mehr wünschte, als das ich draußen in „meinem Schwarzwald“ sein könnte. Gerade als ich mich auf die herbstliche Wanderzeit freute, passierte es. Einmal nicht aufgepasst und ich fand mich im Krankenhaus wieder. Glück gehabt, meinten die Ärzte trotz der Schwere der Verletzung. Es hätte weitaus schlimmer kommen können. Und jetzt sitze ich hier am Ufer des Sees und obwohl noch nicht alles wieder ist, wie es sein soll, erscheint mir das alles plötzlich nicht mehr so dramatisch. „Wird alles wieder gut“, denke ich und mache mich wieder auf den Weg.
Der „Zweiseenblick“ hält, was er verspricht
Vom Herrenwieser See geht es auf der Route mit der roten Raute des Westwegs steil hinauf in Richtung Badener Höhe. Der Westweg ist einer der ältesten Fernwanderwege Deutschlands und führt in elf Etappen von Pforzheim nach Basel. Ich mag es sehr, auf dem Westweg zu gehen, denn er ist fast durchweg ein besonders schöner Wanderweg mit tollen Landschaftseindrücken. Nach einigen Höhenmetern komme ich auf 940 Metern Höhe an den „Zweiseenblick“. Der Name verspricht nicht zuviel, denn von hier aus ist sowohl der Herrenwieser See wie auch die Schwarzenbachtalsperre zu sehen. Weiter geht es durch den wunderbar weiß überzuckerten Bergwald bis zur Badener Höhe, wo ich auf 1000 Metern Höhe den Nationalpark betrete.
Hier ragt der im Jahre 1890 aus Buntsandstein erbaute Friedrichsturm dreißig Meter in die Höhe. Nach 168 Treppenstufen erreiche ich die obere Aussichtsplattform, von wo ich eine herrliche Rundumsicht über den Nordschwarzwald habe. Im Osten sehe ich den benachbarten Höhenzug mit dem knapp tausend Meter hohen Holoh. Im Süden dominiert die Hornisgrinde das Bild, der mit 1163 Metern höchste Berg des Nördlichen Schwarzwalds. Im Westen sieht man hinunter in die Rheinebene und bei guter Sicht bis hinüber in die Vogesen. Im Norden ist der Merkur, der Hausberg der Stadt Baden Baden, gut zu sehen. Ich kann mich an diesem Blick kaum satt sehen, jedoch zeigt mir der Sonnenstand, dass es bald dunkel werden wird. Also steige ich die Stufen wieder hinunter. Unten empfängt mich noch ein kleiner Schneemann, der wohl während der Zeit, die ich auf dem Turm verbrachte, dort gewachsen sein muss. Da ist er also, der Winter, den ich mir gewünscht habe zu finden.
Ein Wolf??
Von der Badener Höhe führt ein sanfter Forstweg hinunter in Richtung Herrenwies. Wer gerne zünftig einkehren möchte, dem empfiehlt sich ein kurzer Abstecher zum Naturfreundehaus Badener Höhe, das man auf dem Wanderweg in Richtung Sand erreicht. Mein Weg führt mich heute allerdings schnurstracks zurück, da es bereits zu dämmern beginnt. Dem Wanderweg folgend, lande ich auf dem Herrenwieser Naturerlebnispfad. Auf dem zwei Kilometer langen Rundweg wurden liebevolle Stationen für Kinder aufgebaut, welche die Natur spielerisch erklären. Es begeistert mich immer, wenn es solche Angebote für Kinder gibt. Denn ein solcher Erlebnispfad macht nicht nur Spaß, er fördert auch ein frühes Verständnis über unsere heimische Tier- und Pflanzenwelt. Es wird nun doch schon zunehmend dunkel, als ich aus den Augenwinkeln schemenhaft etwas im Wald neben mir wahrnehme. „Ein Wolf!“, denke ich, während sich mir die Nackenhaare stellen. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das vermeintliche Raubtier als Holzmodell, das im Wald aufgestellt wurde. Wie sich herausstellt, befinde ich mich auf einem Abschnitt des Naturerlebnispfades, auf dem es gilt, Tier-Silhouetten im Wald zu entdecken. Und mein Wolf soll eigentlich nur ein Fuchs sein, der wohlgemerkt etwas groß geraten ist.
Herrenwies – ein idyllischer Ort
Nach einigen Metern spuckt mich der Wald oberhalb von Herrenwies wieder aus. Es lohnt sich, dieses nette Örtchen einmal genauer anzusehen. Direkt oberhalb der Kirche empfängt mich die „Königin des Friedens“ in Form eines kunstvoll gefertigten Mahnmals aus dem Jahr 1947. Eine solche Begrüßung gefällt mir schon einmal sehr gut. Auch die aus dem Jahr 1744 stammende Buntsandsteinkirche St. Antonius ist sehenswert. Herrenwies ist im Winter ein beliebter Langlaufort, von wo aus zahlreiche Loipen in die umliegenden Wälder führen. Mein Weg führt mich allerdings ganz ohne Langlaufski etwas oberhalb des Ortes weiter entlang einer Forststraße, vorbei an dem ehemaligen Forsthaus, zurück zur Herrenwieser Schwallung.
Eine Adventswanderung, die zufrieden macht
Zufrieden steige ich in mein Auto und lasse auf dem Heimweg die
Bilder meiner nachmittäglichen Wanderung Revue passieren. Für die ungefähr zehn
Kilometer lange Strecke habe ich bei gemütlichem Schritt und mehreren Pausen
nicht ganz vier Stunden benötigt. Nach meiner Verletzungspause war das ein perfekter
Start, um wieder etwas Trittsicherheit zu bekommen. Besonders hat mich
begeistert, wie schön die Natur auch – oder besser gesagt gerade – bei diesem
Wetter zwischen den Jahreszeiten ist. Es hat mir wieder einmal gezeigt, in was
für einer schönen Region ich leben darf, in der es möglich ist, einfach ich
draußen zu gehen und Energie zu tanken. Es ist halt einfach „mein Schwarzwald“.
01.12.2019, Nicolai Stotz
(Fotos: Nicolai Stotz)