Sommerzeit – Heidelbeerzeit! Wer liebt nicht die süßen blauvioletten Beeren und wer hat nicht schon als Kind gerne Heidelbeeren im Wald gesammelt? Ihr seid nicht die einzigen. Unser Schwarzwälder Charaktervogel, das Auerhuhn, liebt Heidelbeeren über alles. Mehr noch: Es ist dringend darauf angewiesen. Deshalb ist unsere Bitte klar: Ihr dürft Heidelbeeren für den Eigenbedarf sammeln, aber passt auf die Natur und ihre Bewohner auf und pflückt nur in erlaubten Gebieten!
Was ist erlaubt und was nicht?
Gleich vorneweg: In Naturschutzgebieten, insbesondere im Nationalpark, aber auch sonstigen ausgewiesenen Schutzgebieten wie Bannwäldern oder Flora- und Faunahabitaten (FFH), ist das Sammeln von Heidelbeeren und anderen Früchten und Pflanzen(teilen) ganz klar untersagt! Außerdem dürft ihr dort die Wege nicht verlassen. Wo das Sammeln erlaubt ist, dürft ihr nicht ganze Flächen abernten und höchstens ein Kilogramm pro Person sammeln.
Auerhuhn-Küken fressen an den Sträuchern nicht nur die Heidelbeeren
Die Heidelbeerzeit geht allmählich zu Ende. Eigentlich sind die Heidelbeeren erst im Spätsommer ab Ende Juli reif, allerdings scheint sich örtlich die Vegetationsperiode nach vorne zu verschieben, was auch zu unseren Beobachtungen bei der Balz der Auerhähne passt, die in den letzten Jahrzehnten zunehmend immer früher begonnen hat. Die Auerhühner befinden sich zur Sammelzeit der Heidelbeeren stets in der sehr sensiblen Aufzuchtsphase der Küken. Die Heidelbeeren sind dabei für die wenigen verbliebenen Exemplare im Schwarzwald die bedeutendste Nahrungspflanze. Sie fressen nicht nur die Beeren, sondern auch Blätter, Blüten und im Winter sogar die Stängel. Die Auerhuhnküken sind zudem in dieser kritischen ersten Phase ihres Lebens auf tierisches Eiweiß in Form von Insekten und deren Larven angewiesen. Diese sind in den oft reich strukturierten Halbsträuchern insbesondere an sonnigen Stellen im Wald besonders häufig. Gleichzeitig bietet ihnen die Sträucher Deckung vor Fressfeinden.
-
Als Nestflüchter können die Küken bereits nach einer Stunde laufen (Foto: Markus Varesvuo) -
In den ersten zwei bis drei Wochen können die Küken ihre Körpertemperatur noch nicht selbständig halten und müssen häufig gehudert werden. Störungen und schlechte Witterung können zum Ausfall ganzer Jahrgänge führen. © Markus Varesvuo
Turbo-Wachstum
Auerhuhnküken müssen ihr Gewicht innerhalb weniger Monate in etwa verhundertfachen und somit viel Zeit für die Nahrungssuche aufwenden. In den ersten Wochen können sie ihre Körpertemperatur noch nicht selbstständig aufrechterhalten und müssen immer wieder von der Henne gehudert werden. Diese Zeit ist für die Nahrungsaufnahme verloren. Da bei nasskaltem Wetter gleichzeitig deutlich weniger Insekten aktiv sind, kann eine länger anhaltende Schlechtwetterperiode zum Ausfall ganzer Gelege und Jahrgänge führen.
Bitte nicht stören!
Der Heidelbeere kommt also eine bedeutende Rolle für die Auerhühner zu, insbesondere für die heranwachsenden Küken. Werden diese Kinderstuben während der sensiblen Aufzuchtzeit durch den Menschen gestört, verschärfen sich die genannten Probleme deutlich. Die sehr scheuen Auerhühner können sich an die Präsenz von Menschen auf Wegen bis zu einem gewissen Grad gewöhnen. Bei Störungen gibt die Henne einen Alarmruf ab, worauf die Küken die Nahrungsaufnahme einstellen und sich gut getarnt in die Bodenvegetation ducken. Bereits diese verlorene Zeit kann schnell kritisch werden. Heidelbeersucher dringen jedoch häufig tief in den Wald ein und durchkämmen die für die Küken so wichtigen Lichtungen abseits der Wege. Das nimmt die Henne schnell als direkte Bedrohung wahr und veranlasst die Küken in unterschiedliche Richtungen zu fliehen, wo sie ein leichtes Opfer für Fressfeinde werden können. Fluchtreaktionen verbrauchen zudem große Mengen an Energie und verursachen erheblichen Stress.
Wiederholte Störungen setzen also vor allem den Küken empfindlich zu. Sie können darüber hinaus aber auch zu einer völligen Meidung von ansonsten gut geeigneten Lebensräumen führen, die im Schwarzwald leider ohnehin die Ausnahme sind und immer seltener werden.
Nicht zu viel sammeln
Nehmt also bitte beim Heidelbeersammeln Rücksicht auf die in unserem Schwarzwald vom Aussterben bedrohten Charaktervögel, auch wenn das Bundesnaturschutzgesetz und das Landeswaldgesetz das Sammeln nicht geschützter Arten wie der Heidelbeere für den persönlichen Bedarf prinzipiell erlaubt. Der persönliche Bedarf ist hierbei nicht näher geregelt und wird im Landeswaldgesetz mit einer Menge „bis Handstraußgröße“ präzisiert. Als ungeschriebenes Gesetz arbeiten wir und auch die Revierförster mit einer Menge bis zu einem Kilogramm Heidelbeeren. Auch die Benutzung von Sammelkämmen oder Raffeln ist nicht explizit geregelt, wir möchten aber von der Verwendung abraten, da die Kämme Schäden an der Heidelbeere verursachen.
Trotzdem Heidelbeeren sammeln
Wir und auch die Förster wollen keineswegs das Heidelbeersammeln verteufeln oder verbieten. Im Gegenteil, es gibt auch positive Aspekte: Es ist eine Tradition, steigert die Naturerfahrung – gerade bei Kindern, fördert die Verbundenheit mit der Natur und der Region – frei nach dem Motto: „Nur was man schätzt (und einem in diesem Fall schmeckt), das schützt man auch“. Heidelbeeren sind ein gesundes Lebensmittel, kommen in der Naturheilkunde traditionell bei Darmerkrankungen, Durchfall bei Kindern oder als Entzündungshemmer zur Anwendung. Lest dazu auch den Blogbeitrag von unserer Kräuterfrau Monika Wurft.
Vor dem Pflücken: informieren
Wichtig: Jeder kann mit seinem Verhalten etwas zum Erhalt intakter Lebensräume (unserer Heimat) beitragen. Behaltet daher bitte die Auswirkungen eures Handelns im Kopf und macht euch über den Schutzstatus in euren Sammelgebieten schlau. Die örtlichen Forstämter und Revierförster sind hierfür gute Ansprechpartner. Zudem könnt ihr im interaktiven Daten- und Kartendienst (UDO) der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) die Prioritätsflächen für Auerhühner in Kartenform nachschlagen. Auch konkrete Naturschutzverordnungen für einzelne Gebiete sind hier hinterlegt.
(Fotos: Markus Varesvuo, Joy Coppes, cartiswede/iStock, Monika Wurft, Martin Grießhaber)
12.8.2020