Wunderschön gelegen im Ortsteil Hub von Ottersweier steht ein einmaliger Bauernhof mit einer mehr als 750-jährigen Geschichte. Was den Aspichhof so besonders macht, ist seine Kombination aus äußerst vielseitiger Landwirtschaft einerseits und einer Wohn- und Arbeitsstätte für Menschen mit Handicap andererseits.
Vom Thermalbad zur Pflegeeinrichtung
Früher war es üblich, dass Einrichtungen wie Klöster, Gefängnisse oder auch Krankenhäuser einen Bauernhof besaßen, der zur Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln diente. So gehörte der Aspichhof zum früheren Kreispflegeheim Hub, heute ein Teil des Mittelbadischen Klinikums. Davor war „die Hub“ wegen ihrer Thermalquellen schon rund 400 Jahre lang ein Bad. In seiner Blütezeit Anfang des 19. Jahrhunderts entstand dort ein großer, mondäner Hotelkomplex. Aber wegen der deutsch-französischen Spannungen fast während des gesamten 19. Jahrhunderts wurden vor allem die einst zahlreichen Badegäste aus dem Elsaß immer weniger und blieben nach dem „Siebziger-Krieg“ 1870-71 ganz aus.
1873 übernahmen dann die Kreisverbände Karlsruhe und Baden den Komplex und schrieben seine Geschichte neu: Aus dem Thermalbad wurde eine „Kreispflegeanstalt für arme Hilflose“ zur Pflege von „dauerhaft körperlich oder geistig Kranken“. Für lange Zeit gehörte der Aspichhof zu dieser Anstalt und versorgte Patienten und Personal mit Grundnahrungsmitteln. Als um die Jahrtausendwende das Klinikum Mittelbaden gebildet wurde, hatte man für einen Selbstversorgerhof keine Verwendung mehr. Der landwirtschaftliche Betrieb, jahrzehntelang von Verwalter Paul Güde erfolgreich geführt, musste nach dem Ende der goldenen Zeit des Weinbaus neu ausgerichtet werden.
Heim- und Arbeitsstätte für Menschen mit Handicap
Da trat Dr. Ewald Glaser, Vorstandsvorsitzender unseres Partners ZG Raiffeisen in Karlsruhe, auf den Plan. „Der Betrieb in meinem Heimatort hat mich von klein auf fasziniert“, sagt der Agrarwirschaftler. „Als es um die Zukunft des Hofes ging, bin ich mit Paul Güde ins Gespräch gekommen und habe mein Interesse beim Landrat bekundet. Für mich war es ein Anreiz, einen Hof wie den Aspichhof zu erhalten, weil er etwas Einmaliges ist.“
Das Einmalige ist, dass er schon seit Jahrzehnten auch Arbeits- und Wohnstätte für Menschen mit Handicap ist, vor allem für solche, die zwar nicht geeignet für den Arbeitsmarkt, aber zu qualifziert für Behindertenwerkstätten sind. Das sind beispielsweise Menschen mit mentalen Beeinträchtigungen, Drogenproblemen, Burnout oder sonstigen psychischen Einschränkungen. Insgesamt 30 Inklusionskräfte, also Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Handicap, arbeiten auf dem Aspichhof, acht von ihnen wohnen auch dort. Sie werden von drei fest angestellten Sozialpädagogen betreut. Zur Belegschaft gehören außerdem 30 weitere Arbeitskräfte, darunter Meister für jeden Betriebsbereich.
Sozial und wirtschaftlich
Ein Jahr lang untersuchte und analysierte Glaser den Hof. „Ich sah Chancen, aber nur, wenn der Betrieb als eigenständige Einheit operieren kann“, verdeutlicht Glaser. „Ich bekenne mich zum sozialen Auftrag, Menschen mit Handicap zu beschäftigen und auch hier wohnen zu lassen. Diese Tradition möchte ich fortsetzen. Es reizt mich, die soziale Frage mit wirtschaftlicher Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen.“ Und so wurde der Raiffeisen-Chef Geschäftsführer des Aspichhofs, als Paul Güde vor 13 Jahren in den Ruhestand ging. Sein Sohn Simon Glaser ist der heutige Betriebsleiter.
„Bei uns liegt von der Produktion über die Verarbeitung bis zur Ladentheke alles in einer Hand“, verdeutlicht Dr. Ewald Glaser. „Der erste Schritt war, die Milchproduktion zu intensivieren und besser zu vermarkten. Zu diesem Zweck haben wir eine eigene Molkerei gebaut. Wir produzieren, verarbeiten und vermarkten die Milch zu 100 Prozent selbst.“ Zudem erzeugt der Aspichhof daraus unter anderem Jogurt, Butter oder Frischkäse.
Vielfältige Landwirtschaft auf dem Aspichhof
Neben den 45 Fleckvieh-Milchkühen hält der Aspichhof auch Limousin-Rinder und rund 90 Schweine zur Fleisch- und Wurstproduktion. Das gesamte Fleisch wird in bester Qualität ausschließlich in der hofeigenen Metzgerei nach alten Rezepten verarbeitet. Und 300 Hühner liefern Eier. In der ebenfalls hofeigenen Bäckerei wird das gesamte Spektrum an Brot und Brötchen gebacken. Zu den Spezialitäten gehören Dinkelgebäck, Hefezopf oder Schwarzwälder Kirschtorten.
Wein vom Aspichhof
Auf 14 Hektar wird Wein angebaut. „Wir haben separate Lesetage und Anlieferung“, erklärt Glaser. „Unsere Trauben werden in der Kelter der Affentaler Winzergenossenschaft ausschließlich nach unseren Vorstellungen ausgebaut. Dann kaufen wir den Wein in der Flasche wieder zurück. So brauchen wir keine eigene Kellerwirtschaft.“ Neben den Hauptsorten Riesling und Spätburgunder werden Weiß- und Grauburgunder, Müller-Thurgau, Sauvignon Blanc und Cabernet Dorsa an- und ausgebaut.
Auch Ackerbau gehört zum Spektrum des Aspichhofs. Eine Spezialität ist die Saatmaisvermehrung für die ZG Raiffeisen. Daneben wachsen Braugerste, Körnermais, Weidegras und Klee auf den Äckern. Auf zehn Hektar gedeihen verschiedene Obstsorten, vor allem Äpfel, aus denen teilweise Saft für den Hofladen gepresst wird. Einen großen Teil der insgesamt rund 100 Hektar Agrarfläche macht auf vier Weiden das Grünland aus, auf dem im Sommer das komplette Jungvieh grast und ansonsten Gras als Viehfutter gemäht wird. In der Gärtnerei produzieren die Mitarbeiter in den Gewächshäusern sowie auf der Freifläche Beet- und Balkonpflanzen, Gemüsesetzlinge, Rhabarber und saisonales Frischgemüse.
Kombination aus Handarbeit und Automation
„Für unsere Integrationskräfte, also die gehandicapten Mitarbeiter, gibt es einfache Tätigkeiten wie zum Beispiel die Hühner zu füttern oder unsere Holzheizung zu bestücken“, erzählt Glaser. „Wo es anspruchsvoller wird, steigt der Automationsgrad, damit wir wettbewerbsfähig bleiben.“ So befindet sich für die Milchkühe im Auslaufstall mit viel Bewegungsfreiheit ein Melkroboter. Wenn eine Kuh das Gefühl hat, sie müsse gemolken werden, sucht sie von selbst die Melkstation auf, wo ihre Zitzen automatisch erkannt, ergriffen und gemolken werden. Wenn die Maschine aber erkennt, dass das Euter noch nicht voll genug ist, wird die Kuh mit einem dünnen Roboterarm wieder sanft aus der Anlage hinausgestupst.
Die Milch für die zwei eigenen und die belieferten Hofläden wird in einer halbautomatischen Tetrapakanlage abgefüllt. Einige Handgriffe erledigt eine Integrationskraft, der Rest läuft automatisch. „Wir haben von Glasflaschen auf Tetrapaks umgestellt, weil die Energiebilanz wesentlich besser und er Aufwand viel geringer ist“, erklärt der Geschäftsführer. Die meiste Frischmilch geht in Fünf- und Zehnlitereimern an Großabnehmer wie Klöster, Jugendheime, Hotels oder Pflegeheime. Auch das Klinikum Mittelbaden gehört nach wie vor zu den Abnehmern. „Unsere Milchprodukte kommen sehr gut an: Butter, Natur- und Fruchtjogurt, Rahm- und Frischkäse“, so Glaser.
Bei der hohen Vielfalt ist Nachhaltigkeit ein große Aufgabe
Auf Nachhaltigkeit achtet der Aspichhof auf vielen Gebieten. „Bei Viehhaltung haben wir natürlich organischen Dünger, mit dem wir ein Stück weit mineralischen Dünger ersetzen können. Der Schlachthof ist nur drei Kilometer entfernt, der Tiertransport ist also kurz. Ebenso kommt das Fleisch wieder auf dem kurzen Weg zurück. So leisten wir einen Beitrag zur nachhaltigen Lebensmittelproduktion“, beginnt der Geschäftsführer die Aufzählung. „Seit Jahrzehnten setzen wir keine Insektizide mehr im Weinbau ein. Hier bekämpfen wir den wichtigsten Schädling, den Traubenwickler, mit Feromonen: Die Tiere werden verwirrt und finden nicht mehr den Geschlechtspartner. Den Maiszünsler bekämpfen wir mit einer Schlupfwespe. Das Tierfutter produzieren wir weitgehend selbst – zu 100 Prozent gentechnikfrei. Wir beheizen unseren gesamten Betrieb mit Stückholz aus unserem eigenen Wald.“
„Wir fühlen uns als Teil des Naturparks und unterstützen ihn auch als ZG Raiffeisen. Der Naturpark kann authentisch vermitteln, worum es in unserer Heimat eigentlich geht“, betont Glaser. „Wir müssen regionale Wertschöpfungsketten bilden und erhalten. Die Nähe zwischen Erzeugern und Verbrauchern, die Verfügbarkeit von hochwertigen Lebensmitteln aus der eigenen Umgebung sind ungeheuer wichtig, damit es der Region auf lange Sicht gut geht. Hierfür setzt sich der Naturpark sehr stark ein und deshalb arbeiten wir gerne mit ihm zusammen.“
(Fotos: Aspichhof, Stefan Dangel/Naturpark)
5.3.2019
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