Im Oberrheintal hat sich entlang des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord wieder die Wildkatze angesiedelt. Sie galt seit fast hundert Jahren als verschwunden – obwohl manche Jäger behaupten, sie sei nie weg gewesen. Bis man vor zehn Jahren zwei tote Katzen fand, deren Gene eindeutig bewiesen, dass es sich um Wildkatzen handelte. Seither wird fieberhaft nach ihnen gesucht – mit Erfolg.
Einer echten Wildkatze im Wald zu begegnen ist höchst unwahrscheinlich. Die Raubtiere sind extrem scheu und erobern sich unsere Wälder nur langsam zurück, nachdem sie dort schon so lange nicht mehr gesichtet worden waren. „Wegen Jagd und Verfolgung war die Wildkatze ausgerottet. Offiziell wurde in Baden-Württemberg 1912 das letze Exemplar erlegt“, sagt einer, der es wissen muss. Dieter Borck aus Bühl ist ehrenamtlicher Wild- und Naturschützer. Und ihm ist es zu verdanken, dass heute bekannt ist, wie viele Wildkatzen wo im Naturpark vorkommen. „Ungefähr“, schränkt er ein. „Denn genaue Zahlen gibt es nicht.“ Außerdem muss man dazusagen, dass die Wildkatze zurzeit nur am Westrand des Naturparks vorkommt, denn in den Schwarzwald ist sie bislang kaum wieder vorgedrungen. Nach ihrer Ausrottung hier ist sie nach einiger Zeit vermutlich aus den Vogesen eingewandert.
Wildkatze vs. Hauskatze
Eigentlich sieht die Wildkatze ja aus wie viele unserer Sofatiger zu Hause. „Die europäische Wildkatze ist mit der Hauskatze genetisch nicht verwandt“, verdeutlicht Borck. „Alle Hauskatzen stammen von einer ägyptische Rasse ab, die die Römer nach Europa gebracht haben. Trotzdem kann man die Wildkatze von einer getigerten Hauskatze schwer unterscheiden. Bei den Jungen geht das kaum. Doch bei erwachsenen Wildkatzen sind zum Beispiel die schwarzen Ringe um den buschigen Schwanz, der schwarze, scharfe ‚Aalstrich‘ auf dem Rücken bis zur Schwanzwurzel und der stets rosafarbene Nasenspiegel charakteristisch.“ Man muss also schon sehr genau hinsehen – falls man je eine Wildkatze entdeckt. Ihren Lebensraum beschreibt Borck so: „Die drei W: Wald, Wasser, Wiese.“ Sie jagt bei Nacht auch in offenem Gelände und zieht sich bei Tage zum Schlafen in den Wald zurück. Dabei bevorzugt sie aber lichte Wälder. Und was frisst sie? „Zu fast 96 Prozent Mäuse aller Arten“, verrät der Wildkatzen-Experte. „Ganz selten einmal einen Vogel oder eine Eidechse.“
Wildkatzenbabys gefunden
Natürlich hat Dieter Borck schon Wildkatzen in freier Wildbahn beobachten und auch fotografieren können. Doch selbst er begegnet ihnen nicht häufig. Vor Jahren hat er der pensionierte Ingenieur für Verfahrenstechnik über Wildkatzen gelesen, sich brennend dafür interessiert und seine Hilfe bei der Erfassung der Wildkatzenbestände bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg angeboten. „Sie haben mich angenommen und ich habe mich reingekniet“, erzählt der 73-Jährige. Als 2009 eine Joggerin zwei verwaiste Wildkatzenbabys bei Bühl fand und sie dem Tierschutzverein meldete, gab man diese zunächst zum Aufpäppeln in die Hände eines Spezialisten in der Pfalz. Dort hat man viel Erfahrung mit den Tieren, denn in Rheinland-Pfalz befindet sich das größte zusammenhängende Wildkatzenvorkommen in Westeuropa. Nach einigen Monaten wurden „Hänsel und Gretel“ zurückgebracht, mit Senderhalsbändern ausgestattet und im Bühler Wald ausgewildert.
Haarproben geben Aufschluss
Borck verfolgte die Geschwister über ein Jahr und stellte fest, dass sich Gretel hauptsächlich am Autobahnkreuz Baden-Baden aufhält. Bezeichnend ist auch, dass die weibliche Katze sehr standorttreu ist und in einem Revier von 250 bis 500 Hektar jagt. Auch deshalb, weil sie sich mit ihrem Nachwuchs nicht so weit wegbewegen kann. Die Kater hingegen streifen als Einzelgänger viel weiter umher, das Gebiet kann bis zu 10.000 Hektar groß sein.
Nach und nach durchkämmte Borck das gesamte Gebiet zwischen Baden-Baden und Basel – immer in Zusammenarbeit mit der FVA und deren Wildkatzen-Forschungsprojekt. Er stellte Lockstöcke auf, in den Boden gesteckte Holzlatten, die mit Baldrian besprüht wurden, und Fotofallen. Besonders in der Paarungszeit rieben sich Wildkatzen an den Lockstöcken und hinterließen Haare. Die FVA untersuchte die DNA und so zeigte sich, dass in und an den Waldgebieten entlang der Autobahn A5 durchschnittlich zirka 0,3 bis 0,7 Wildkatzen pro Quadratkilometer leben – weit verstreut. Borck hat mittlerweile rund 120 Haarproben von Wildkatzen gesammelt.
Streng geschützt
Wildkatzen sind natürlich streng geschützt und dürfen das ganze Jahr nicht gejagt werden. Weitere spezielle Schutzmaßnahmen gibt es aber noch nicht. Dieter Borck ist ständig im Austausch mit den Behörden, dem Forst Baden-Württemberg und den Jägern der Region. „Die Zusammenarbeit gerade mit den Jägern ist sehr gut. Sie passen auf die Wildkatzen auf.“ Borck ist Wild- und Naturschützer aus Passion. Seine zweite Passion sind das Fotografieren und das Malen. So gab es zum Beispiel schon eine Ausstellung „Wildtiere mit Pinsel und Kamera“ auf dem Ruhestein von ihm. Er hält auch Vorträge über Wildkatzen. Sobald Termine bekannt sind, informieren wir hier in unserem Terminkalender.
(Fotos: Dieter Borck, pixabay, Shutterstock)