Wie wird eine Raupe zum Schmetterling, wie lebt ein Wolf, Einkaufen ohne Verpackung und selbst Joghurt herstellen – das und vieles mehr haben die Kinder im Kindergarten St. Josef in Oberwolfach (Ortenaukreis) erlebt. Damit wird die Einrichtung zum ersten Naturpark-Kindergarten im Ortenaukreis. Zudem ist der Kindergarten beim Naturpark-Pilotprojekt „Klima-Kochtheater“ dabei. Mit diesem Projekt nimmt der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord in Baden-Württemberg eine Vorreiterrolle im nachhaltigen Bildungsbereich ein.
Um das besondere Engagement des Kindergartens im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung wertzuschätzen und für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen, hat der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord den Kindergarten am 11. Mai zum Naturpark-Kindergarten ausgezeichnet. Der Kindergarten St. Josef in Oberwolfach ist der erste Naturpark-Kindergarten im Ortenaukreis. In der Naturpark-Kulisse ist es der Sechste.
„Wir stehen voll hinter dem Naturpark-Konzept“, sagt Oberwolfachs Bürgermeister Matthias Bauernfeind. „Wir haben bereits mit der Wolftalschule eine Naturpark-Schule. Da war es klar, dass wir nun auch einen Naturpark-Kindergarten wollen. Den haben wir jetzt und darüber freuen wir uns ganz besonders“, sagt Bauernfeind.
„Das ist eine besondere Auszeichnung für das ganze Kindergarten-Team“, betont Sandra Boser, Staatssekretärin im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport sowie Landtagsabgeordnete im Wahlkreis Lahr/Kinzigtal, bei der Feier. „Als Naturpark-Kindergarten setzen Sie sich für Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Regionalität ein.“ Der Erste Landesbeamte des Ortenaukreises, Dr. Nikolas Stoermer, betonte: „Gerade in Zeiten der Globalisierung sind die Naturpark-Kindergärten sehr wertvoll.“
Für Natur und Kultur in der Region sensibilisieren, und zwar so früh und nachhaltig wie möglich – darum geht es dem Naturpark. „Denn Kinder lernen in ihren ersten Lebensjahren so viel, wie später nie wieder in ihrem Leben“, erklärt der Geschäftsführer des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord, Karl-Heinz Dunker, auf der Auszeichnungsfeier. In den Naturpark-Kindergärten lernen die Kinder viel über die Zusammenhänge in der Natur – etwa darüber, woher die Lebensmittel kommen oder über den Alltag auf einem Bauernhof, im Forst oder im Handwerk.
Prägende Eindrücke schaffen Heimatgefühl
„Für meinen Sohn ist klar, dass wir das Fleisch beim Metzger kaufen und die Eier beim Automaten mit Produkten aus der Region“, berichtet Corinna Echle vom Elternbeirat des Kindergartens St. Josef. „Mit dem Kindergarten hat er auch Apfelsaft selbst gemacht. Das war zuhause noch sehr präsent und er war beeindruckt, dass das bei uns in der Region passiert.“ Eindrücke, die die Kinder in Erinnerung behalten und prägen.
In den Naturpark-Kindergärten lernen die Kinder die Natur und die Tiere in ihrer Region kennen. „So entwickeln sie schon früh eine enge Verbindung zu ihrer Umwelt“, erklärt Naturpark-Projektmanagerin Fränze Stein bei der Auszeichnungsfeier. „Das ist sehr wertvoll für einen nachhaltigen Umgang mit der Natur. Bei den Projekten kommen die Kinder ihrer Heimat mit Herz und Hand nahe.“
Die Auszeichnung zum Naturpark-Kindergarten kann ein Kindergarten in der Regel nach einem Jahr erwerben. Die Zertifizierung ist fünf Jahre gültig. Mit der Auszeichnung ist der Kindergarten dazu verpflichtet, festgelegte Qualitätsstandards einzuhalten. Dazu zählt etwa, sich aktiv mit Projekten einzubringen und dafür Partnerinnen und Partner aus der Region zu gewinnen, an Fortbildungen teilzunehmen und eine nachhaltige Entwicklung anzustreben.
Die Projekte des Naturpark-Kindergartens
Auf dem Ramsteinerhof in Hausach lernten die Kinder, woher Milch kommt und wie sie zu Käse, Quark und Joghurt weiterverarbeitet wird. Jedes Kind durfte anschließend seinen eignen Joghurt herstellen. Außerdem erfuhren sie, wie der Alltag auf einem Bauernhof aussieht.
Alles, was es über Schafe zu wissen gibt, erfuhren die Kinder von einer Erzieherin. Sie besitzt selbst einige Schafe und berichtete den Kindern, was Schafe fressen, wie sie artgerecht gehalten werden und welche Produkte es vom Schaf gibt.
Wie sich eine Raupe zum schönen Schmetterling entpuppt, konnten sie sogar live miterleben. Die Erzieherinnen hatten Raupen besorgt, damit die Kinder den Entwicklungsprozess mitverfolgen konnten.
Wie aus einem Holzstück ein Möbel wird, lernten die Kinder bei mehreren Ausflügen. Mit dem Förster ging es in den Wald. Sie erfuhren, dass es auch im Wald verschiedene Stockwerke gibt. Und dass die Bäume – wie auch die Menschen – Wasser trinken müssen, um zu überleben. Die Kinder waren auch dabei, als ein Baum gefällt wurde. Weiter ging es ins Sägewerk und anschließend in die Werkstatt eines Zimmermanns. Er zeigte den Kindern, wie er aus zugeschnittenen Holzstücken Möbel baut.
Beim Müll-Projekt ging es um dessen Entstehung, Entsorgung und Vermeidung. Bei einem Experiment vergruben die Kinder Restmüll, Plastikmüll sowie
Biomüll in der Erde und beobachteten, ob sich der Müll abbaut. Gemeinsam kauften sie zudem auf dem Wolfacher Wochenmarkt ein – ganz ohne Verpackungen.
In einem weiteren Projekt beschäftigten sich Erzieherinnen und Kinder mit den Themen Sonne und Energie. Außerdem lernten die Kinder den Wolf näher kennen und machten einen Ausflug in den Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald in Bad Rippoldsau-Schapbach.
Pilot-Kindergarten beim Klima-Kochtheater des Naturparks
Der Kindergarten St. Josef ist auch Pilot-Kindergarten beim Naturpark-Projekt „Klima-Kochtheater“. Beim Klima-Kochtheater werden Kindergartenkinder und Grundschulkinder für den Klimaschutz auf dem eigenen Teller sensibilisiert. Aktuell wird das Konzept in zwei Schulen und zwei Kindergärten mit jeweils vier Einheiten im wöchentlichen Abstand getestet. Beim Klima-Kochtheater des Naturparks erfahren Kinder spielerisch, was Ernährung mit Klimaschutz zu tun hat. Das Pilotprojekt startete im Juli 2022. Bis Ende Juni dieses Jahres wird das Konzept ausgewertet. Anschließend soll das Klima-Kochtheater in möglichst vielen Kindergärten und Schulen im Naturpark stattfinden können.
Netzwerk der Naturpark-Kindergärten wächst stetig
Das Projekt der Naturpark-Kindergärten ist 2020 gestartet. Der Kindergarten St. Josef in Oberwolfach war einer der vier Pilot-Kindergärten. Im nördlichen und mittleren Schwarzwald gibt es fünf weitere Naturpark-Kindergärten in Enzklösterle und Ebhausen (Landkreis Calw), Bühlertal (Landkreis Rastatt), in Karlsruhe-Durlach, Baden-Baden-Ebersteinburg. Am 17. Mai wird in Zell am Harmersbach der zweite Naturpark-Kindergarten im Ortenaukreis ausgezeichnet.
Hintergrund: Das Konzept der Naturpark-Kindergärten
Im Naturpark-Kindergarten lernen die Kinder bei vielseitigen Projekten ihre Heimat in der Naturparkregion besser kennen und bauen so eine natürliche Verbundenheit zu ihr auf. Die Erzieherinnen und Erzieher machen mit den Kindern Ausflüge und besuchen regionale Fachleute aus den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Obst- und Gartenbau, Naturschutz, Kultur und Brauchtumspflege sowie dem lokal ansässigen Handwerk. So lernen die Kinder etwa, woher die Lebensmittel kommen, wie sie sich gesund und regional ernähren können oder wie auf Bauernhöfen, Streuobstwiesen, im Forst oder im Handwerk gearbeitet wird.
(Fotos: Gundi Woll/Naturpark)
11.5.2023