Bäume und Gemüse anpflanzen, aus Brennnesseln kulinarische Leckereien herstellen und humusreiche Erde produzieren – das und vieles mehr haben die Waldkinder Zell am Harmersbach (Ortenaukreis) erlebt. Um das besondere Engagement des Kindergartens im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung wertzuschätzen und für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen, hat der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord den Kindergarten am Mittwoch (17. Mai 2023) zum Naturpark-Kindergarten ausgezeichnet. Damit sind die Waldkinder Zell a. H. der erste Naturpark-Kindergarten in Zell am Harmersbach und der zweite im Ortenaukreis. In der Naturpark-Kulisse ist es der siebte.
Die Idee für den Naturpark-Kindergarten brachte der Bürgermeister der Stadt Zell a. H., Günter Pfundstein, ein. „Für uns war klar: Wir machen da mit“, berichtet die Leiterin des Waldkindergartens, Renate Buchholz, auf der Auszeichnungsfeier. Und der Geschäftsführer des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord, Karl-Heinz Dunker führt aus: „Zell am Harmersbach hat bereits drei Naturpark-Schulen. Der Weg zum Naturpark-Kindergarten war insofern nur logisch. Zell a. H. ist damit unsere Naturpark-Bildungshauptstadt. Es freut uns sehr, dass unsere Angebote zur Bildung für nachhaltige Entwicklung so gut angenommen werden. Denn Kinder lernen in ihren ersten Lebensjahren so viel, wie später nie wieder in ihrem Leben.“

Volker Schebesta, Staatssekretär im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg sowie Landtagsabgeordneter des Wahlkreises Offenburg, sagt an die Kinder gerichtet: „Ihr seid mit eurem Kindergarten mitten im Wald und lernt so die Natur sehr gut kennen. Durch Erkunden der Umwelt werden Kinder bereits in den ersten Lebensjahren für Fragen einer nachhaltigen Entwicklung sensibilisiert.“ Und der Erste Landesbeamte des Ortenaukreises, Dr. Nikolas Stoermer, erklärt: „Meine Aufgabe ist es, unsere Natur- und Kulturlandschaft mit den hier heimischen Tieren zu erhalten. Die Naturpark-Kindergärten sensibilisieren für diese Themen. Das ist uns wichtig.“ In den Naturpark-Kindergärten lernen die Kinder viel über die Zusammenhänge in der Natur – etwa darüber, woher die Lebensmittel kommen oder über den Alltag auf einem Bauernhof, im Forst oder im Handwerk. Das Motto der Waldkinder passt also perfekt: „Was ich liebe, schätze ich.“
Auch die Eltern der Kindergartenkinder freuen sich über die Auszeichnung. „Das Prädikat ‚Naturpark-Kindergarten‘ eröffnet durch die Themenvielfalt des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord neue Optionen für Projekte und Netzwerke in der Region“, sagt Kathrin Schöner, Mutter eines Zeller Waldkinds.



Prägende Eindrücke schaffen Heimatgefühl
In den Naturpark-Kindergärten lernen die Kinder die Natur und die Tiere in ihrer Region kennen. „So entwickeln sie schon früh eine enge Verbindung zu ihrer Umwelt“, sagt Naturpark-Projektmanagerin Fränze Stein bei der Auszeichnungsfeier. „Das ist sehr wertvoll für einen nachhaltigen Umgang mit der Natur. Bei den Projekten kommen die Kinder ihrer Heimat mit Herz und Hand nahe. Solche Eindrücke bleiben ein Leben lang.“
Die Auszeichnung zum Naturpark-Kindergarten kann ein Kindergarten in der Regel nach einem Jahr erwerben. Die Zertifizierung ist fünf Jahre gültig. Mit der Auszeichnung ist der Kindergarten dazu verpflichtet, festgelegte Qualitätsstandards einzuhalten. Dazu zählt etwa, sich aktiv mit Projekten einzubringen und dafür Partnerinnen und Partner aus der Region zu gewinnen, an Fortbildungen teilzunehmen und eine nachhaltige Entwicklung anzustreben.




Die Projekte im Naturpark-Kindergarten
„Mutig zugreifen“ heißt es bei der Brennnessel. Auf ihren täglichen Spaziergängen entdecken die Kinder immer wieder Brennnesseln am Wegesrand. So wurden sie neugierig darauf, was die Pflanze alles kann. Sie stellten selbst Brennnessel-Salz her, bereiteten Brennnessel-Chips zu und sammelten Brennnessel-Blätter für einen Tee. Mit Brennnesselfasern flochten die Kinder, probierten mit den Blättern unterschiedliche Pflanzendrucktechniken aus und verzierten damit selbstgebaute Laternen.
Auf ihren Touren durch den heimischen Wald durften die Kinder mithelfen, kleine Bäumchen zu fällen. Unter der Anleitung des Försters pflanzten sie Eichen. In kleinen Töpfen säten sie zudem Fichtensamen und ließen Eicheln keimen. „Das fanden allerdings auch einige Waldtiere sehr praktisch und haben die Eicheln aus den Töpfen gefressen“, schmunzelt die Kita-Leiterin Renate Buchholz. „Wir sammeln oft Holz bei unseren Wanderungen. Ab und an spielen wir Langhölzer mit unserem Handkarren und bringen das gesammelte Holz zur Hütte für den Winter“, erzählt Buchholz über den Kita-Alltag.


Die Kinder bauten ein Hochbeet und befüllten es. Dabei lernten sie, dass es verschiedene Erdschichten gibt und welche Pflanzen gerne nebeneinander wachsen. Sie säten und pflanzten Kräuter, Radieschen, Karotten, Kartoffeln, Mini-Gurken, Kohlrabi, Paprika und Erdbeeren. Täglich gossen sie die Pflanzen mit Regenwasser. Die Kinder erlebten auch, wie sich der heiße und trockene Sommer im vergangenen Jahr auf die Pflanzen ausgewirkt hat. Dann ging es an die Ernte. Die Radieschen haben sie gleich verspeist. Die Karotten verarbeiteten sie zu Karottensticks und brieten sie über der Feuerschale, dazu gab es Kräuterdip. Aus den Kräutern wurde eine Kräuterbutter und die Kohlrabi gab es als Rohkost. Die anfallenden Pflanzenabfälle wanderten ins Kindergarten-Kompostklo. Das Ergebnis: humusreiche Erde. Darum ging es auch bei den Besuchen beim Grünschnitt-Recycling und auf einem Bauernhof.
Mit selbstgebastelten Müllzangen aus Haselnusszweigen halfen die Kinder zudem tatkräftig bei der Kreisputzete des Landratsamtes Ortenaukreis mit.



Netzwerk der Naturpark-Kindergärten wächst stetig
Das Projekt der Naturpark-Kindergärten ist 2020 gestartet. Waldkinder Zell a. H. gehörten zu den vier Pilot-Kindergärten. Im nördlichen und mittleren Schwarzwald gibt es sechs weitere Naturpark-Kindergärten in Enzklösterle und Ebhausen (Landkreis Calw), Bühlertal (Landkreis Rastatt), in Karlsruhe-Durlach, Baden-Baden-Ebersteinburg und in Oberwolfach (Ortenaukreis).
Hintergrund: Das Konzept im Naturpark-Kindergarten
Im Naturpark-Kindergarten lernen die Kinder bei vielseitigen Projekten ihre Heimat in der Naturparkregion besser kennen und bauen so eine natürliche Verbundenheit zu ihr auf. Die Erzieherinnen und Erzieher machen mit den Kindern Ausflüge und besuchen regionale Fachleute aus den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Obst- und Gartenbau, Naturschutz, Kultur und Brauchtumspflege sowie dem lokal ansässigen Handwerk. So lernen die Kinder etwa, woher die Lebensmittel kommen, wie sie sich gesund und regional ernähren können oder wie auf Bauernhöfen, Streuobstwiesen, im Forst oder im Handwerk gearbeitet wird.
(Text & Fotos: Gundi Woll/Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord)
18.5.2023
