Das Kinzigtal ist eine Schwarzwälder Hochburg der Flößerei. Hier wurden in den vergangenen Jahrhunderten lange Baumstämme als die legendären „Holländertannen“ zu langen Flößen zusammengebunden und die Kinzig hinab und auf dem Rhein bis in die Niederlande für den Schiffsbau gesteuert. Das letzte Mal im Jahr 1894.
Das alte Handwerk – ein Knochenjob – lebt heute in den Flößervereinen von Schiltach und Wolfach weiter. So haben die Schiltacher Flößer jüngst an einem schönen Maientag mit viel Geschicklichkeit demonstriert, wie man ein Floß mit mehreren Gestören den Fluss hinuntermanövriert.
Flößerei und Waldwirtschaft besonders wichtig
Anlass war das Fest „Lebendiges Lehengericht“. Der Schiltacher Ortsteil feierte das 200-ste Jubiläum der kommunalen Selbstständigkeit gegenüber der Stadt Schiltach mit einem zweitägigen Fest – auch wenn diese seit der Gemeindereform 1974 wieder eingeschränkt ist. Die Traditionen rückten in den Vordergrund mit Ausstellungen zur Waldwirtschaft, zu Trachten, zum historischen Leben und Arbeiten in Lehengericht. Es gab eine Bauernolympiade, Tanzvorführungen und Livemusik mit mehreren Kapellen. Besonders Interessant waren die zahlreichen Vorführungen alter Handwerke, vom Besenbinder und Schindelmacher über Küfer und Sensendengler bis zu Schmied und Trachtenschneiderin und einige mehr.
Und natürlich die Flößer! Denn Lehengericht ist und war schon immer eine sehr waldreiche Gemeinde. Holzwirtschaft und Flößerei waren daher besonders hier der bedeutendste Wirtschaftsfaktor. Der Höhepunkt des Festes war die spektaktuläre Floßfahrt am Sonntag. Das rund 60 Meter lange Floß aus sechs Gestören hat der 30 Mitglieder starke Verein nach alter Tradition zusammengebaut aus Teilen, die er auf Lager hat. „Das war ein eher kurzes Floß“, sagt Thomas Kipp, Vorsitzender des Vereins der Schiltacher Flößer. „Oft sind es mehr als 100 Meter.“
Ein Floß ist wie ein Zug
Vertäut werden die Stämme mit so genannten „Wieden“, speziellen Holzseilen, die im Unterschied zu Hanfseilen die riesigen Zuggkräfte aushalten, die auf einem Floß wirken. Für jede Fahrt müssen sie neu gefertigt werden. Mehrere Stämme werden, je nach Breite des Durchlasses an den Stauwehren im Fluss, zu einem Gestör zusammengebunden, mehrere Gestöre hintereinander zu einem Floß, wie die Waggons eines Zugs. Die Wieden machen das Floß „gelenkig“ für die Kurven.
Die Größe des Floßes wuchs früher mit der Größe des Flusses, unterwegs wurden immer wieder Stämme hinzugefügt, hauptsächlich später auf dem Rhein konnte so ein Floß durchaus 80 Meter breit und bis zu 300 Meter lang sein. „Die Schiltacher Flößer älterer Zeiten flößten aber meist nur bis Kehl und wanderten zu Fuß die rund 70 Kilometer zurück“, erzählt Kipp. Er ist auch derjenige, der das Floß ganz vorne steuert und die Verantwortung für die Passage trägt.
Die Schiltacher Flößer sind die einzigen, die auch auf der vorderen Kinzig fahren, zum Beispiel zwischen Steinach und Gengenbach. Sie zeigen ihr Können aber auch an verschiedenen Stellen auf dem Neckar und auf der Drau in Österreich, wo die Flöße anders gebaut werden müssen, weil es auf dem viel größeren Gebirgsfluss andere Anforderungen gibt. Auch auf der Tara in Montenegro sind sie schon gefahren. Die Bestandteile des Floßes werden dann immer auf einem Langholztransporter hingebracht.
Die Flößer waren sehr viel mehr mit dem Heranschaffen und Vorbereiten des Holzes beschäftigt als mit dem Floßfahren
Beim Fest in Lehengericht sahen viele begeisterte Zuschauer, wie das Floß durch die Flußbiegungen manövrierte, rund zwei bis drei Kilometer weit. Die Flößerei zieht immer viel Publikum an, weil sie als Tradition schon so lange so tief im Bewusstsein der Kinzigtäler Bevölkerung verankert ist. „Die Floßfahrt war schon immer der geringste Teil der Arbeit“, erklärt Kipp. „Die Hauptarbeit war es, das Holz zu fällen, was meist im Winter geschah, ins Wasser zu bringen, vorzubereiten und einzubinden.“ Letzteres geschah im Wasser, denn dort lassen sich die schweren Holzstämme bewegen. Nur dafür hatten und haben die Flößer die hohen Stiefel, die man auf den Bildern sieht. „Die braucht man zum Floßfahren eigentlich nicht“, lächelt der Steuermann.
Wandern auf dem Flößerpfad
Wer mehr über die Flößerei erfahren und das mit einer wunderschönen Wanderung verbinden möchte, ist auf dem Flößerpfad bestens aufgehoben. Er führt von Loßburg über Alpirsbach und Schiltach bis nach Wolfach und ist für zwei bis drei Tagesetappen geeignet. Empfehlenswert ist eine geführte Tour, wir sie zum Beispiel im Alpirsbacher Tourentipp hier auf dem Blog schon veröffentlicht haben. Dort erfahrt ihr auch noch einiges über die Flößerei.
Die Veranstaltung in Lehengericht war eine von vielen im Flößerjahr. Höhepunkt wird die Flößerwoche vom 29. September bis 7. Oktober 2018 sein. Infos darüber und über weitere Veranstaltungen rund um die Flößerei findet ihr auf www.floesserpfad.de