Vielleicht kennt ihr schon die eine oder andere GeoTour im Nördlichen Schwarzwald in Calw, Wildberg und Bad Teinach-Zavelstein. Mittlerweile hat auch das Landratsamt Ortenaukreis gemeinsam mit Gemeinden im Kinzigtal und mit Naturpark-Förderung ein großes Projekt umgesetzt. Denn seit diesem Frühjahr gibt es fünf weitere GeoTouren im Mittleren Schwarzwald: in Gengenbach, Haslach, Hausach, Wolfach und Oberwolfach. Eine sechste wird im Lauf des Sommers in Offenburg hinzukommen.
GeoTouren sind Rundwanderungen, auf denen ihr der erdgeschichtlichen Entwicklung des Schwarzwalds im wahrsten Sinne des Wortes „auf den Grund“ gehen könnt. Wir haben die Tour in Gengenbach mit dem Diplom-Geografen Dr. Andreas Megerle begleitet. Sie war gleichzeitig eine Fortbildung für Schwarzwald-Guides und Wanderführer des Schwarzwaldvereins.
Dort, wo heute der Schwarzwald liegt, erhob sich einst ein 5000 Meter hohes Hochgebirge
Der Einstieg ist gleich erfrischend: Am Startpunkt der Tour, am Wanderparkplatz Haigerach, begrüßt Diplom-Geograf Dr. Andreas Megerle die Gruppe und lädt sie ein, „auf eigene Gefahr“ das Wasser aus der Quelle am Parkplatz zu probieren und auch ein bisschen davon abzufüllen. „Gebirgswasser“ nennt er es, weil das hier vorkommende Gestein von einem früheren Gebirge stammt. Im Verlauf der Wanderung sollen die Teilnehmer es mit zwei weiteren Quellen aus anderen Gesteinsschichten vergleichen können. Und los geht’s. Ausgerüstet mit Hämmern und Säckchen für die Funde macht sich die Gruppe auf den Weg. Die GeoTour führt zunächst immer bergauf. „Schauen Sie mal gleich hier an der Böschung – finden Sie Steine?“, fragt Megerle.
Natürlich. Die Gesteinsbrocken sind hell und haben eine gebänderte Mineralienstruktur. „Typisch für einen Leptinit-Gneis“, erklärt der Geograf. Er entstand vor rund 330 Millionen Jahren in der Karbonzeit als Umwandlungsgestein bei vielen Hundert Grad Celsius in vielen Kilometern Tiefe, als das Variskische Gebirge, ein längst verschwundenes Hochgebirge, entstand. Das Variskische Gebirge war wahrscheinlich bis zu 5000 Meter hoch und stand genau da, wo heute der Schwarzwald steht. Na ja, um genau zu sein, es stand auf der Stelle der Kontinentalplatte, wo heute der Schwarzwald steht. Die aber befand sich auf dem Urkontinent Pangäa, bevor es auf der Erde mehrere Kontinente gab. Der Schwarzwald lag damals direkt am Äquator. „Das Klima war tropisch“, erklärt Megerle. „Hier lebten etwa hochgiftige, sechs Meter lange Riesentausendfüßler und Riesenlibellen.“
Geologische Reise durch die Jahrmillionen
Vorab: Wir empfehlen, die Broschüre „GeoTour Gengenbach – heiße Steine – kühle Quellen“ von Dr. Andreas Megerle und Bernd Schuler in der Tourist-Information in Gengenbach oder in unserem Naturpark-Info-Shop in Bühlertal zu besorgen und mit ihr die Tour abzuwandern. Hier wird alles genau erklärt und ihr werdet von Station zu Station geführt.
Doch ein paar Eindrücke wollen wir trotzdem schildern. Zum Beispiel, dass sich das Gestein auf die Vegetation auswirkt. „Böden mit Leptinit sind nicht sehr sauer“, erläutert Megerle. „Hier wachsen Buchen, Tannen oder Waldmeister. Es gibt auch typische tierische Bewohner der Gneisfelsen, zum Beispiel die Mauerbiene.“
Eine der nächsten Stationen ist eine historische Bergbauhalde, ein Relikt der Grube Silberbrünnle, wo mindestens seit dem 16. Jahrhundert wahrscheinlich Blei-, Silber- und Kupfer-, aber auch manganreiche Eisenerze gesucht wurden. Die Gruppe findet viele unterschiedliche Steine, beispielsweise Quarzkristall, Kupfermineralien wie Malachit und Pseudomalachit oder eben Eisen- und Manganerze.
Wir kommen aus dem „Leuteland“
Weiter oben liegt ein großer Block Buntsandstein, auch Badischer Bausandstein genannt, weil viele Burgen, Klöster und Kirchen im Schwarzwald damit erbaut wurden. Wie kommt er hierher, wo der Untergrund doch aus Lepinit-Gneis besteht? „Wahrscheinlich stammt er aus der letzten Eiszeit, als der aufgetaute Boden nach unten gerutscht ist“, verdeutlicht der Geograf. Denn die Buntsandsteinschicht liegt hier über dem Gneis. Im Mittleren Schwarzwald ist Buntsandstein allerdings nicht so weit verbreitet wie im Nordschwarzwald.
Doch es geht nicht nur um Steine. Am „Diebsbrunnen“ erfahren die Wanderer, dass dies nichts mit Diebstahl zu tun hat, sondern dass das Wort Dieb vom mittelhochdeutschen „Diet“ kommt, einem alten deutschen Wort, das erst im 16. Jahrhundert durch „Volk“ und „Leute“ abgelöst wurde. Auch das Wort „Deut“ in „Deutschland“ ist damit verwandt. Am Diebsbrunnen finden die Wanderer Rhyolith oder Quarzporphyr, das ist Vulkangestein aus dem Erdzeitalter des Perm. Aus dem Diebsbrunnen probieren sie also „Vulkanwasser“, wie es Megerle nennt. Der harte Rhyolith wurde früher in mehren Steinbrüchen abgebaut und zu Wegschotter verarbeitet.
Zur Überraschung und Freude aller sitzt am Wegesrand ein leuchtender Feuersalamander, der sich nur zeigt, weil das Wetter heute so feucht ist. Weiter oberhalb in einem Bach finden die Naturführer sogar einige seiner Larven! Sie werden von Megerle gleich bestimmt und für die baden-württembergische Amphibienkartierung aufgenommen.
Wir waren Wüste
Megerle macht immer wieder auf neue Gesteine aufmerksam. Mit dem weiteren Aufstieg gelangt die Gruppe durch immer neue geologische Regionen. Vorbei an Sandsteinhalden geht es in Gelände mit grünen Teppichen aus Heidelbeeren. Dies weist auf saure Böden hin, wie sie auf dem Badischen Bausandstein entstanden sind. Mittlerweile haben die Geologiewanderer das Naturfreundehaus und damit den höchsten Punkt der GeoTour erreicht. Dort wartet der dritte Brunnen, der „Dürre Brunnen“. Nun lässt sich der Geschmack aller drei Brunnen vergleichen. Bei den meisten Teilnehmern schneidet das Wasser hier oben am besten ab.
„Das hier ist Wüstenwasser“, erklärt der Geograf, „denn der Buntsandstein hier oben ist vor 250 Millionen Jahren aus Wüstenablagerungen entstanden.“ Der Schwarzwald war eine Wüste? „Nach dem Karbon kam das Perm“, erläutert Megerle. „Das Perm trug das Hochgebirge völlig ab. Darauf folgte das Trias und das Land war eine Senke. Keine Berge, keine Hügel. Wir waren eine Wüste, wie die Sahara. Nicht vergessen: Wir befanden uns damals auf Pangäa fast am Äquator. Der Schwarzwald ist erst im Laufe der Jahrhundertmillionen mit dem Auseinanderdriften der Kontinentalplatten hierhergewandert. Er war damals dort, wo heute Mali ist.“
Steinhalden sind Lebensraum für Reptilien
Nach einer Rast im bewirtschafteten Naturfreundehaus beginnt der Abstieg. Linkerhand macht Megerle auf den Tulpenbaum und den Mammutbaum aufmerksam, die hier nicht mehr heimisch sind – aber waren. Sie sind vor 2,5 Millionen Jahren im Schwarzwald ausgestorben. Nun teilt sich der Weg: Der bequeme Waldweg führt barrierefrei wieder hinab zum Parkplatz. Ein schmaler, spannenderer Pfad führt von diesem Waldweg rechts ab zu einem Arboretum. Doch kurz davor wenden sich die Wanderer links und folgen einer Pfadrinne. Hier sind viele Sandsteine aus der Buntsandstein-Formation zu finden, die vom Regenwasser heruntergespült werden. Plötzlich liegen sehr viele helle Steine auf dem Pfad. Es handelt sich wieder um Rhyolite aus dem Perm, die Halden bilden. Hier fühlen sich Reptilien wie die harmlose Schlingnatter wohl.
Weiter den Pfad hinab verschwinden die losen Steine fast ganz. Fast. Bei genauem Hinsehen lassen sich Steine finden, die beim Aufschlagen glitzern: Es sind Granite (Nordrach-Granit). „Woraus besteht Granit?“, fragt der Geograf. Und einer der Schwarzwald-Guides kennt den Merkspruch: „Feldspat, Quarz und Glimmer, die vergess‘ ich nimmer!“ Granite verwittern zu Sand, sodass sich kaum Halden bilden können. Als sich die Gruppe dem Parkplatz im Tal nähert, dominieren wieder die Leptinit-Gneise.
(Fotos: Stefan Dangel/Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord)
Infos zu jeder GeoTour
Am Ende haben die Guides vieles gelernt, das sie an ihre Gäste weitervermitteln können. Die Schwarzwald-Guides werden nach und nach solche Touren anbieten. Behaltet unsere Veranstaltungsseite im Auge. Auch ihr könnt euch auf den fünf GeoTouren im Mittleren Schwarzwald schlau machen. Zu allen fünf Geotouren im Mittleren Schwarzwald gibt es Broschüren mit den Weg- und Gesteinsbeschreibungen. Ihr bekommt sie in den Tourist-Informationen der betreffenden Orte Gengenbach, Haslach, Hausach, Wolfach und Oberwolfach.
Für alle fünf GeoTouren zusammen gibt es eine GeoBox mit neun beispielhaften Gesteinen aus dem Mittleren Schwarzwald und einem Begleitbüchlein „GeoKompakt“ mit viel Hintergrundwissen. Die Geobox und die Wegbroschüre bekommt ihr bereits in unserem Naturpark-Info-Shop. Demnächst ist bald alles im Paket erhältlich, auch in unserem Online-Shop, wo ihr heute schon das Package vom Nordschwarzwald erwerben könnt.
Autor der Broschüren und des Begleitbüchleins ist Dr. Andreas Megerle, der zusammen mit dem Grafiker Bernd Schuler auch die GeoBox entwickelt hat. Herausgeber der beiden Medien ist das Landratsamt Ortenaukreis.
Mehr Informationen auf www.erlebnissuedwest.de.