Neun Gesteinsproben rutschen geräuschvoll in der flachen Schachtel hin und her, die der promovierte Geograph und Landschaftsexperte Dr. Andreas Megerle vor dem Besucherbergwerk „Segen Gottes“ in Haslach präsentiert. Das Gesteins-Set ist Teil des Projekts „GeoTouren“, das das Landratsamt Ortenaukreis und die Kinzigtal-Kommunen Gengenbach, Haslach, Hausach, Wolfach, Oberwolfach sowie die Stadt Offenburg mit Förderung des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord in diesem Sommer umgesetzt haben.
Sechs GeoTouren mit den unterschiedlichsten Gesteinen
Das Projekt umfasst insgesamt sechs Rundwanderungen (GeoTouren), eine Hintergrundbroschüre (GeoKompakt) und ein Gesteins-Set (GeoBox) mit regional vorkommenden Gesteinsproben. Gemeinsam mit Vertretern des Naturparks, der Stadt Haslach und des Landratsamts Ortenaukreis wurde das neue Angebot – das in dieser Form im Mittleren Schwarzwald einzigartig ist – im Rahmen einer geologischen Wanderung am 22. August 2019 offiziell eingeweiht.
Selbst erforschen
Natürlich könnt und sollt ihr die GeoTour in Haslach – wie alle anderen fünf – auf eigene Faust erkunden. Eine 30-seitige Informationsbroschüre, die die Gesteine und Mineralien auf elf Stationen auf dem 3,6 Kilometer langen Rundweg erklärt, bekommt ihr direkt beim Servicegebäude des Besucherbergwerks am Silbersee oder in der Tourist-Information in Haslach im Alten Kapuzinerkloster in Haslach am Rande der Altstadt (Klosterstraße 1). Und selbstverständlich in unserer Geschäftsstelle in Bühlertal (Hauptstraße 94). Dabei erfahrt ihr auch, welche Zusammenhänge zwischen dem Untergrund mit seinen Gesteinen und der Tier- und Pflanzenwelt bestehen.
Besucherbergwerk und GeoTour Haslach passen perfekt zusammen
Vor Ort zeigt sich, wie vielschichtig der Untergrund im Schwarzwald ist. Ob Ortho-Gneis, Triberg-Granit, Badischer Bausandstein oder Schwerspat – aus jeder Gesteinsart lässt sich wie in einem Buch lesen. Alter, Entstehung, Vorkommen und Verwendung durch den Menschen im Laufe der Jahrhunderte kommt man durch das Aufsammeln und Begutachten eines Steins auf die Spur. „Haslach besitzt mit ‚Segen Gottes‘ nicht nur eines der bedeutendsten Besucherbergwerke im Schwarzwald, wir sind auch im ‚Badnerlied‘ mit der Textzeile ‚In Haslach gräbt man Silbererz…‘ prominent vertreten. Diese Zeile hat der Haslacher GeoTour auch ihren Namen gegeben“, freute sich Haslachs Bürgermeister Philipp Saar über das neue Angebot. Die GeoTour Haslach sei eine „ideale Ergänzung zum Besucherbergwerk“ und zeige Besuchern auf abwechslungsreiche Art und Weise echte und ursprüngliche Bergbauspuren und Zusammenhänge „über Tage“.
Geologische Schätze am Silbersee
Start und Ziel der Tour ist der Parkplatz am Besucherbergwerk „Segen Gottes“ in Haslach-Schnellingen. Die erste Station ist der „Silbersee“. Dort zeigt ein „Steinpfad“ viele wichtige Gesteine der Region, teilweise schöne Exemplare mit einer polierten Stelle. Ihr folgt dem Steinpfad bergauf bis zu einer Hütte. Vom Wegweiser „Silbersee“ geht es weiter bis zum Wegweiser „Besucherbergwerk Segen Gottes“. An den Rändern und Spülrinnen des nun folgenden Hohlwegs könnt ihr vielfältige Mineralien finden wie Gangquarz, Schwerspat, weißen Flussspat, Bleiglanz oder Fahlerzt – ein fahlgraues, glänzendes Silbererz. Die Mineralien stammen aus den Bergbauhalden, also den „Abfallhaufen“ der Bergleute. Ihr wandert weiter bis zum Mundloch des oberen Stollens. Dort könnt ihr vielleicht weißen Schwerspat entdecken. Schwerspat ist, wie der Name schon nahelegt, das schwerste Mineral. Vergleicht einmal einen Brocken mit einem anderen Stein.
Der Geograph erzählt davon, dass hier auch Schotter für die Gleisbetten der Deutschen Bahn gewonnen wurde. Und er berichtet, dass der Schwarzwald einmal vor vielen Millionen Jahren ein bis zu 5000 Meter hohes Hochgebirge war, von dem Granit und Ortho-Gneis herrühren.
Ein bisschen Silber
Entlang des weiteren Wegverlaufs führt ein eingewachsener Hohlweg, in den sich früher seit dem 17. Jahrhundert die Räder der schwer mit Erz beladenen Karren tief eingegraben haben. Haldenhügel und Löcher am Hohlweg weisen darauf hin, dass hier die Bergleute das viel besungene Haslacher Silbererz gesucht haben. Auch heute noch findet man Brocken mit geringen Mengen von Silbererz – reich werdet ihr davon nicht! Hinter der Haldenbildung verbirgt sich eines der härtesten Gesteine dieser Region: Granophyr, ein Gestein, dass hier vor etwa 325 Millionen Jahren als Lava in die umgebenden, bereits abgekühlten Gneise eingedrungen ist. Wegen seiner Härte bildet es Halden und Felsen – ideale Lebensräume für Reptilien wie die Blindschleiche. Oder für den „Schwarzen Schnegel“ eine der längsten Nacktschnecken Europas. Sie kann bis zu 20 Zentimeter lang werden.
Buntes Gestein
Auf einem kurzen Abstecher vom Fahrweg weg findet ihr vielleicht ein wichtiges Zeigermineral: Gang-Quarz. Die Bergleute konnten damit nichts anfangen, aber er war für sie ein wichtiger Zeiger für ein mögliches Erzlager. Wieder auf dem Fahrweg geht ihr bis zu einer Ruhebank an einer Streuobstwiese. Wer ein Auge dafür hat, entdeckt dort viele Heilkräuter wie Beinwell oder Wilder Majoran, auch Dost genannt. Ein Stück weiter findet ihr wieder Granophyr. In seinen Klüften hat das Wasser die Steine mit verschiedenen Mineralien bunt „angemalt“. Besonders schön ist das Rot des Eisenminerals Hämatit, das die ersten Bergleute des Schwarzwalds schon vor 7000 Jahren zur Gewinnung von Farbpigmenten abgebaut haben.
Die GeoTour neigt sich dem Ende zu, wenn ihr das Mundloch des Erbstollens erreicht. Dort befinden sich ein Stein mit der Inschrift „FF“ für „Fürstlich-Fürstenbergisch“ und ein Stein mit der Inschrift „132b“ – einen der Marksteine, mit denen das Fürstlich-Fürstenbergische Bergamt Gebiete mit verschiedenen Bergbaurechten voneinander abgrenzte.
Besucht das Bergwerk!
Dies sind nur wenige der vielen interessanten Wegstationen. Die genannte Broschüre macht euch auf vieles mehr aufmerksam und beschreibt genau die Route. Natürlich lohnt ein Besuch des Bergwerks „Segen Gottes“ auf jeden Fall. In einer gut eineinhalb-stündigen Führung wird euch auf drei Sohlen des Bergwerks die Welt unter Tage gezeigt. Ihr müsst nicht klettern, doch einige Treppen gehören zur „Grubenfahrt“ dazu. Manchmal geht es auch ein wenig eng zu, doch ausgestattet mit Grubenhelm, Lampe und Schutzkleidung macht es richtig Spaß, die alten Stollen zu erkunden! Kinder dürfen bereits ab vier Jahren an diesem Spaß teilnehmen.
Wissen aus Hunderten Millionen Jahren aus der Tiefe
Fünf der neuen GeoTouren sind fertig – die sechste in Offenburg wird in den kommenden Wochen für Wanderer erlebbar sein. Alle Rundwanderungen haben eines gemeinsam: Sie führen Wanderer auf eine erdgeschichtliche Entdeckungsreise durch die Jahrmillionen. „Keine GeoTour gleicht der anderen. Wie Mosaikbausteine ergeben sie zusammen ein spannendes Bild, wie es im Untergrund des Mittleren Schwarzwalds aussieht“, freut sich Megerle über das neue Angebot für Gäste und Einheimische. Besonders die Möglichkeit, am Wegesrand selbst spannende Funde zu machen, mache den Charme der GeoTouren aus. Dank der Hintergrundbroschüre und der GeoBox mit beigelegter Entdeckerlupe können die Funde zu- und erdgeschichtlich korrekt eingeordnet werden. „Kaum ein Landkreis beherbergt so viele verschiedene Gesteine und Mineralien wie der Ortenaukreis. Und jedes Gestein, jedes Mineral erzählt spannende Geschichten. Die neuen GeoTouren machen unsere ‚Geo-Schätze‘ zum unvergesslichen Landschaftserlebnis“, erklärte Sandra Bequier, Tourismusbeauftragte des Landratsamtes Ortenaukreis, während der einstündigen Wanderung.
GeoTouren auch im Nordschwarzwald
Das Projekt GeoTouren hat seinen Ursprung im Nördlichen Schwarzwald: Bereits 2017 wurden in Calw, Wildberg und Bad Teinach-Zavelstein die ersten drei Rundwanderungen eröffnet, die Wanderer zu einer geologischen Spurensuche einladen. Weitere Touren im Nagold- und im Albtal sind in Planung. GeoBox, GeoKompakt-Broschüre und Flyer zu den einzelnen GeoTouren sind in den jeweiligen Tourist-Informationen sowie im Naturpark-Info-Shop in Bühlertal erhältlich.
Alle GeoTouren mit Routenbeschreibung findet ihr auch online unter www.naturparkschwarzwald.de/aktiv_unterwegs/geotouren
(Fotos: Jochen Denker/Naturpark, Martin Schwendemann, Video: Jochen Denker)
28.8.2019