Ja, ihr habt richtig gelesen: Dünen und Korallen mitten im Schwarzwald. Die begegnen euch nämlich auf einer Reise durch die Hunderte von Jahrmillionen alte Erdgeschichte des Schwarzwalds. Schwarzwald-Guide Nicolai Stotz aus Calw macht sie auf einer GeoTour sicht- und erlebbar.
Seit die Tage kälter werden, sehnt sich manch einer nach südlicheren Gefilden. So traf sich an einem spätherbstlichen Novembersonntag eine kleine Reisegruppe rund um Schwarzwald-Guide Nicolai Stotz, um mit ihm zu den endlosen Dünen der Wüste und anschließend an die Riffe tropischer Meere aufzubrechen. Die Reise startete am Stadtrand von Calw, dauerte nur knapp drei Stunden und war völlig klimaneutral.
Fantasie ist auf der GeoTour gefragt
Zugegeben, das wichtigste Reiseutensil waren weder Sonnencreme noch Schnorchel-Brille, sondern eine ordentliche Portion Fantasie und Vorstellungskraft. Denn die begehrten Sehenswürdigkeiten sind für die meisten „GeoTour-Reisenden“ nicht auf den ersten, auch nicht auf den zweiten, sondern eher erst auf den dritten Blick zu erkennen. Und genau zu einer solchen GeoTour brach die Gruppe an diesem Tag im Nagoldtal auf.
Aktuell warten 22 GeoTouren in unserem Naturpark darauf, ihre Besucher mit auf eine Zeitreise durch die Erdgeschichte zu nehmen. Und jede von ihnen hat dabei eine ganz eigene, individuelle Geschichte zu erzählen: Von hohen Felsenburgen und tiefen Klüften, von der Macht des Wassers und des Windes, von den Kräften, die tief unter unseren Füßen wirken und der ständigen Bewegung, in der sich alles um uns herum befindet.
Wachsende Steine
Die GeoTour in Calw zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich exakt auf der Grenze zwischen zwei Naturlandschaften befindet: Dem Schwarzwald und dem Heckengäu. „Wo aus Wasser Steine werden“ lautet der spannende Slogan, unter dem die Calwer GeoTour offiziell beworben wird. Das Phänomen der „wachsenden Steine“ ist eben auf die Lage zwischen diesen zwei Naturlandschaften zurückzuführen.
Zwei Dinge haben jedoch alle GeoTouren gemeinsam. Zum einen zeigen sie auf, dass alles um uns herum mehr oder weniger auf die Geologie in unserer Region zurückgeht. So war die Geologie entscheidend dafür, wo wir Menschen siedelten, wo wir Handel und Landwirtschaft betrieben und ob es uns am Ende gut oder schlecht ging. Die zweite Gemeinsamkeit der GeoTouren ist deren Vater, der Geograph Dr. Andreas Megerle, der die Geotouren allesamt entwickelt und eingerichtet hat. Mit seiner profunden Expertise, holte er all die Besonderheiten ans Tageslicht, die den meisten Menschen sonst weitgehend verschlossen geblieben wären.
Zeitreise durch das Erdzeitalter Trias
Die Gruppe um Nicolai Stotz startete am Parkplatz im Öländerle, einer kleinen Siedlung am Ufer des Flusses Nagold. Hier hatte Stotz für die ankommenden Gäste bereits einen Steinkreis aufgebaut, anhand dessen er die Geologie im nördlichen Schwarzwald erklärte. „Dieser Tonschiefer aus dem Traischbachtal bei Gaggenau ist sage und schreibe 500 Millionen Jahre alt“ erklärte Stotz und reichte das Stück Gestein herum, wobei er meinte: „Man muss zugeben, dass dieser Stein einem eine gewisse Ehrfurcht abverlangt.“
So ging Stotz mit den Anwesenden die einzelnen Gesteine des Schwarzwalds in der Reihenfolge ihrer Entstehung durch, wobei er insbesondere auf die Periode der Trias einging. „Heute werden wir eine gemeinsame Zeitreise von 50 Millionen Jahren durch die Trias unternehmen“, so Stotz zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. „Aber machen sie sich keine Sorgen, in spätestens drei Stunden sind wir alle wieder wohlbehalten zurück.“ Und so setzte sich die Gruppe, einem abenteuerlichen Pfad folgend, in Bewegung.
Schwarzwald-Guide und Klimabotschafter
Stotz ist ein noch recht „frischer“ Schwarzwald-Guide. Seine Ausbildung beim Naturpark schloss er erst im Juli dieses Jahres ab. Schon zu dieser Zeit hatte sich bei ihm ein gewisses Faible für Geologie gezeigt. Trotz seiner noch recht kurzen Laufbahn als Schwarzwald-Guide konnte der Calwer bereits einige Erfahrung bei Führungen sammeln. Die GeoTour Calw führte er nunmehr zum dritten Mal innerhalb eines Vierteljahres, wovon eine Führung vom Landkreis Calw bei ihm für eine Gruppe angehender Ärzte gebucht wurde.
Vor kurzem führte er sechzig Schülerinnen und Schüler aus Zypern und Holland im Zuge des ErasmusPlus Generation Green Projekts für das Calwer Maria-von-Linden-Gymnasium und erklärte ihnen, wie unsere heimischen Wälder mit dem Klimawandel umgehen. Denn an die Ausbildung zum Schwarzwald-Guide schloss Stotz direkt auch eine Ausbildung zum Klimabotschafter an. „Für mich ist das eine absolut notwendige Ergänzung, da der Klimawandel heute alles um uns herum bestimmt“, erklärt Stotz und fügt hinzu: „Natürlich nehmen auch meine Gäste die zunehmenden Veränderungen um uns herum wahr. Da ist es mir wichtig, auf deren Fragen zufriedenstellende Antworten liefern zu können.“ Aus diesem Grund habe er die ursprüngliche GeoTour auch etwas abgewandelt. „Ich ‚freestyle‘ viel“, schmunzelt er, womit er meint, dass er an das eigentliche Thema der Geologie andere Themen wie Kulturgeschichte, Forstwirtschaft oder eben die Bedeutung von Kohlenstoff im Hinblick auf den Klimawandel anknüpft.
Reyling der Natur
„Jede Gruppe ist ein bisschen anders. Da gehe ich ganz intuitiv auf die Fragen ein, die meine Gäste am meisten beschäftigen“, so Stotz. „Geologie ist dabei ein wunderbarer Einstieg, um auf andere Themen überzuleiten“. Dass das stimmt, erfuhr die Gruppe, als Stotz eine Spielfigur eines Römers zeigte, die zuerst einmal etwas Ratlosigkeit hervorrief. Als Stotz anschließend eine römische Münze aus der Zeit Kaiser Diokletians herumgehen ließ, die einst sein Vater nahe des auf der anderen Talseite gelegenen Rudersbergs gefunden hatte, erklärte sich der Zusammenhang. Etwas weiter den Weg entlang verriet er dann: „Hier beginnt jetzt der Totholzpfad“. Diesen Namen hat Stotz diesem Stück des Weges gegeben, um seine Gäste zu sensibilisieren, was sie dort erwartet. „Es ist faszinierend, wie die Natur Recycling betreibt. Wir Menschen können uns davon viel abschauen“, erklärte er und führte in einem kleinen Experiment vor, wie Pilze das Totholz in seine Ausgangsstoffe zerlegen und sie so in den natürlichen Kreislauf zurückführen.
Aus Wüstensand wird Buntsandstein
Natürlich darf bei einer GeoTour die Geologie nicht zu kurz kommen. So fanden sich die Gäste nach einem kleinen Anstieg inmitten einer steinernen Arena aus haushohen Felsen wieder. Ein alter Buntsandsteinbruch gab aufschlussreiche Einblicke, wie es hier vielerorts unter der Erde aussieht. „Als diese Steine entstanden, war der Nordschwarzwald eine Wüste, ähnlich der Sahara“, erläuterte Stotz. Über die Jahrmillionen verdichtete sich der Wüstensand immer mehr, bis er schließlich zu Stein wurde. „Das ist
bester Badischer Bausandstein“, erklärte Stotz, „auch wenn württembergische Steinmetze einen anderen Namen vorziehen“ ergänzte er schmunzelnd.
Der Schwarzwald lag am Meer
Als die Gruppe die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, stoppte Stotz abrupt und zog mit der Hand eine imaginäre Linie in die Luft. „Hier befinden wir uns ziemlich genau an der Grenze zwischen Schwarzwald und Heckengäu“ erklärte Stotz. Um das zu verdeutlichen, hob er zwei Steine auf, die sich auf den ersten Blick ähnlich sahen. Erst die Probe mit einem Tropfen Salzsäure zeigte, dass es sich bei dem einen Stein um einen Kalkstein handeln musste, während der andere, der nicht auf die Salzsäure reagierte, sich als Bundsandstein entpuppte. „Auf dieser Seite“, erklärte der Schwarzwald-Guide, während er in Richtung des Calwer Stadtteils Stammheim zeigte, „befand sich einst das Muschelkalkmeer“. Zur Verdeutlichung, wer denn dieses Meer einst besiedelte, reichte er einige Versteinerungen herum. „Ammoniten und Belemniten“, erklärte Stotz und fügte hinzu: „Die Überreste dieser und anderer Schalentiere sind der Grundstoff für den hier vorherrschenden Muschelkalk“.
Schokotrüffel im Bach
Nach einem kurzen Abstieg ins idyllische Schlittenbachtal wiederholte Stotz das Salzsäure-Experiment, diesmal jedoch nur mit einem Stein, den er zuvor aus dem Bachbett fischte. Nachdem der Salzsäuretropfen auf dessen Oberfläche traf, begann der Stein heftig aufzuschäumen. „Offensichtlich ein Kalkstein“ meinte Stotz. Er fischte einen Hammer aus seinem Rucksack, mit dem er den Stein zerschlug. Ein rot leuchtender Kern zeigte sich im Inneren des Steins. „Diese netten Steine werden auch Schokotrüffel genannt“ so Stotz „denn im Inneren des Kalksteins befindet sich ein Bundsandstein“. Um dieses Phänomen besser zu erklären, ging er mit der Gruppe etwas talaufwärts bis zu einem großen Gesteinsblock. Stotz erklärte: „Das ist Kalktuff, ein Stein, der hier immer noch entsteht.“
Wie aus Wasser Steine werden
Ursächlich für die wachsenden Steine sei der Muschelkalk des Heckengäus. Regenwasser würde das
Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen und zu Kohlensäure umwandeln, das beim Kontakt mit dem Kalkstein den Kalk herauslöst. Dieser Kalk wird mit dem Wasser den Bachlauf hinabtransportiert, wo er durch Sauerstoffeinbringung und vor allem durch Moose wieder ausfällt. Nach und nach entstehen so neue Steine.
Sobald es um Kohlendioxid geht, kommt dann wieder der Klimabotschafter in Stotz durch. Anhand eines Luftballons zeigte er der Gruppe, wie wachsende Bäume in der Lage sind, Kohlendioxid zu speichern und wie sie es im Zersetzungsprozess langsam wieder abgeben. In einem weiteren Schritt diente der Ballon dazu zu verdeutlichen, wie Holz im Einsatz als Baustoff Kohlendioxid über viele Jahre bindet und wie es das klimaschädliche Gas beim Einsatz als Brennstoff in kürzester Zeit wieder in die Atmosphäre freisetzt.
Die GeoTour soll zur Diskussion anregen
Während des gemächlichen Rückwegs durch einen wunderbar bunten Herbstwald, durch den dann sogar
noch die letzten Sonnenstrahlen durchkamen, wurde eifrig über die verschiedenen Themen des Tages diskutiert. Zurück am Ausgangspunkt angelangt, bedankte sich Stotz bei den Teilnehmern für die Diskussionen. „Wenn ich es schaffe, zu Diskussionen anzuregen, habe ich mein Ziel erreicht“, freute sich Stotz. Das zeuge davon, dass sich seine Gäste mit den Inhalten beschäftigen und sie von verschiedenen Seiten beleuchten. Und es zeige vor allem, dass sie begriffen haben, worum es geht. Nämlich die ständige
Auseinandersetzung mit der eigenen Umwelt in Verbindung mit dem Interesse, die Zusammenhänge und Wechselwirkungen der Natur besser zu verstehen.
Die Führung von Nicolai Stotz auf der GeoTour Calw fand am 20.11.2022 statt. Begleitet wurde die Tour von Fotograf Manuel Kamuf aus Gechingen, der uns die Fotos für diesen Artikel zur Verfügung gestellt hat.
HIER findet ihr Themen und Tourtermine der Schwarzwald-Guides.
1.12.2022