Das Hochmoor rund um Kaltenbronn gehört zu den größten Torflagern Baden-Württembergs. Es ist eine ökologische Schatzkiste mitten im Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord. Denn in diesem extrem nährstoffarmen und sehr sauren Lebensraum haben äußerst genügsame Tier- und Pflanzenarten eine echte Überlebenschance. In nährstoffreicheren Gegenden würden sie schnell von Konkurrenten verdrängt. Mit dem Kaltenbronner Förster Thomas Waidelich wagen wir einen Ausflug in die wunderschöne Moorlandschaft rund um den Wildsee.
Als im Hochmoor-See noch gebadet wurde
Förster Thomas Waidelich kennt die Gegend um Kaltenbronn seit seiner Kindheit. Früher, als der Breitlohsee noch nicht in einem Naturschutzgebiet lag, gingen er und seine Freunde an heißen Sommertagen oft dort baden – mitten im Wald und abseits der Zivilisation. „In einem solchen Moorsee“, erinnert sich Thomas, „ist das Wasser oben im Sommer sehr warm. Der Schlick am Grund allerdings kühlt – je tiefer man kommt – extrem schnell ab. Bis zu den Knien dort zu versinken war schon ein ekliges Gefühl!“
Seit der Eiszeit entwickelt sich eine ökologische Schatzkammer
Heute kümmert sich Thomas als Förster mit einem Kollegen um ein 1.900 Hektar großes Revier, in dem sich auch das Hochmoor am Wildsee befindet. Die vier Hochmoore rund um Kaltenbronn sind mittlerweile alle geschützt, in den Seen badet heute niemand mehr. Rund 300 Hektar beträgt die Gesamtfläche, das Moor am Wildsee ist mit rund 150 Hektar das größte. „Hochmoor“ erklärt Thomas, „nennt man Moore mit einer Torfdicke ab 50 Zentimetern.“ Hier am Wildsee beträgt die Mächtigkeit sogar ganze zehn Meter. 10.000 Jahre ist diese Auflage stetig gewachsen, ungefähr einen Millimeter pro Jahr. „Nach der letzten Eiszeit haben sich auf einer nährstoffarmen Tonauflage vor allem Torfmoose und -gräser durchgesetzt“. Sie können Nährstoffe fast vollständig über die Luft statt über die Wurzeln aufnehmen. Das verschafft ihnen einen entscheidenden Vorteil gegenüber konkurrierenden Arten.
Nährstoffarmut als bestimmender Faktor
„Neben dem nährstoffarmen Grundgestein braucht es zur Entstehung eines Moores außerdem hohe Niederschläge und niedrige Temperaturen“, fährt Thomas fort. „Bei uns hier regnet es fast jeden zweiten Tag und wir haben im Jahresschnitt zirka sechs Grad Celsius. Also ideale Bedingungen.“ Das stehende Wasser und die Kälte führen dazu, dass abgestorbene Pflanzenreste im Moor kaum noch umgesetzt werden. Durch das Wasser fehlt Sauerstoff, mit dessen Hilfe sie zersetzt und die Nährstoffe dem natürlichen Kreislauf wieder zur Verfügung gestellt werden. Außerdem benötigen die Wurzeln der meisten Pflanzen auch im Boden einen gewissen Anteil an Sauerstoff, um zu überleben. Torfmoose haben keine Wurzeln. Sie wachsen jährlich bis zu zehn Zentimetern. Darunter wächst die Torfschicht – um eben jenen Millimeter pro Jahr.
Wie aus Oberflächenspannung Seen entstehen
Der Wildsee und der benachbarte, aber nur ein Drittel so große Hornsee, sind infolge dieses stetig dicker werdenden Torfschildes entstanden. Da die Auflage in der Mitte stärker wächst als an den Rändern, kam es zunehmend zu Spannungen in der Oberfläche – bis sie schließlich aufriss und sich die Risse mit Wasser füllten. Ein so entstandener See heißt auch Kolk. Der Wildsee ist der größte Hochmoorkolk Europas.
Das Hochmoor ist ein Refugium für hochspezialisierte Arten
„Auch im See selbst herrscht große Nährstoffarmut“, erklärt Thomas. Fische, Frösche oder Lurche suche man hier vergebens. „Im Sommer kommen immer ein paar Enten, aber ich weiß nicht recht, wovon die hier eigentlich leben“, rätselt der Förster. Auch Kreuzottern sonnen sich ab und zu auf den warmen Holzbohlen des Uferwegs. Aber gerade dieser karge Lebensraum sichert auch einigen sehr seltenen und hochspezialisierten Arten das Überleben: Sonnentau, Moosbeere, Rosmarinheide oder die sehr seltene Blasenbinse. Über dem Wasser zieht die Moorjungfer, eine zierliche Libellenart, ihre Kreise.
Bewaldung durch Menschenhand
Dass im Wildseemoor trotzdem sehr viele Bäume stehen, ist historisch bedingt. Bis zum 17. Jahrhundert gab es hier noch eine „große Moorweite“ ohne höheren Bewuchs. Dann aber kamen die Flößer. Sie stauten den Wildsee an und zogen ein kilometerlanges Netz aus Gräben, durch die sie Scheitholz ins Tal flößten. Durch Stauung und kanalisierten Abfluss kam deutlich weniger Wasser in die Fläche und der Wasserspiegel sank. Infolge konnten sich Kiefer und Fichte wieder besser durchsetzen und nahmen die Freifläche in Beschlag. „Zum Teil wurden im Zuge der Wiederaufforstung auch aktiv Bäume angepflanzt“, weiß Thomas Waidelich, „denn die Menschen haben das Holz früher dringend gebraucht.“
Weitere Infos
Einen spannenden Überblick über alles Wissenswerte zum Hochmoor finden die Besucher in einer Ausstellung im Infozentrum Kaltenbronn. Ein ganzer Raum widmet sich vielen Aspekten: Der Entstehung, den Tier- und Pflanzenarten und den natürlichen Prozessen. Kinder können sogar in einem Labor herausfinden, wie viel Wasser Torfmoos binden kann. Außerdem werden im Jahresprogramm des Infozentrums interessante Veranstaltungen angeboten.
Bilder: Elke Cosmo und Christopher Wünsche, Naturpark Schwarzwald Blog / Kristian Peters / L. B. Tettenborn / Hajotthu