Honigbienen werden nicht sehr alt. Im Sommer lebt eine Arbeiterin durschnittlich drei Wochen lang. Wie kommen dann Bienenvölker über die Wintermonate? Wir haben den Bienenexperten und Großimker Stefan Kumm gefragt, Chef unseres Partners Cum Natura in Bühl.
Wie alt werden Honigbienen wirklich?
Im Sommer rackert eine Biene den lieben langen Tag – sie sucht Futterquellen, sammelt Nektar, fliegt viel weiter als alle Wildbienenarten, produziert Honig und Wachs, baut Waben, pflegt und füttert den Nachwuchs, produziert Gelee Royale als Futter für die Königin, verteidigt den Stock gegen Eindringlinge, überzieht alles mit Propolis… Wer so schuftet, wird nicht alt. Nach rund drei Wochen ist ein Bienenleben „verbraucht“, so traurig das klingen mag.
Die Honigbienen, die im Spätsommer oder Herbst noch geboren werden, wenn die Blütezeit zu Ende ist, haben es da leichter. Sie müssen keine Brut mehr pflegen und nicht mehr viel arbeiten, werden gut aufgezogen und versorgt. So werden sie über die kalte Jahreszeit gut drei Monate alt oder mehr.
Zuckerwasser ist reine Energie
„Wir Imker sind wie diejenigen, die den Indianern angeblich mit Glasperlen das Gold abgeschwatzt haben“, scherzt Stefan Kumm, Inhaber und Geschäftsführer von Cum Natura. „Honigbienen sind hoch organisierte und ökonomische Tiere. Sie sammeln und produzieren den ganzen Sommer über Honigvorräte nicht nur für die Brut, sondern auch für den Winter. Wir nehmen im Herbst diese Vorräte heraus und geben ihnen dafür Zuckerwasser. Die Bienen fermentieren den Zucker und lagern ihn ein. Das ist ihre Nahrung für den Winter.“
Diese „Ersatznahrung“ hat sogar Vorteile. Denn sie ist reine Energie und enthält wenig Ballaststoffe. Damit wird der Bienenorganismus weniger strapaziert. „Wenn Bienen zum Beispiel viel Tannenhonig gesammelt haben und darauf überwintern, füllt sich ihre Kotblase schnell. Denn Tannenhonig ist dunkel und enthält viele Mineralstoffe, die erst einmal verdaut werden müssen“, erklärt Kumm. Sobald die Temperaturen nach dem Winter zehn oder elf Grad übersteigen, fliegen die Insekten zum Reinigungsflug aus und entleeren ihre Kotblase. „Wenn sie das im Bienenstock tun würden, wäre das verheerend wegen der Bakterien und Viren“, verdeutlicht der Imker.
Der schlimmste Feind der Honigbienen ist die Varroamilbe
Ein Imker muss aber mehr tun als Zuckerwasser zu geben, um die Bienen winterfit zu machen. Seit den 1970er-Jahren ist die eingeschleppte Varroamilbe ein großes Problem für die Bienenzüchter. Sie setzt sich meist auf den Hinterleib der Biene und saugt wie ein Vampir das Blut zwischen den Panzerschuppen der Biene hervor. „Ohne Imker würden die Honigbienen wahrscheinlich nicht überleben“, glaubt Kumm. Im Spätsommer bereiten die Imker ihre Völker deshalb auf den Winter vor.
Für einen zertifizierten Bioland-Betrieb wie Cum Natura kommen synthetische Mittel zur Milbenbekämpung nicht infrage. Deshalb behandeln Kumm und seine Mitarbeiter ihre Bienen mit organischen Säuren: Ameisen-, Milch- und Oxalsäure. Dabei träufeln sie die verdünnte Säure zwischen die Waben. Die Bienen verteilen sie durch ihren sozialen Futteraustausch im ganzen Stock. „Bienen kommen mit den Säuren ganz gut zurecht, aber die Milbe verträgt das nicht, fällt ab und stirbt“, erläutert der Unternehmer. Eine zweite Behandlung ist zwischen Weihnachen und Neujahr erforderlich.
Warmzittern und Extremkuscheln
Über den Winter verlassen die Bienen ihren Stock nicht und leben von ihren Vorräten. Kumm überwintert seine Völker im milden Rheingraben. Die Bienen halten sich auch bei Minusgraden selbst warm: Durch Muskelzittern und enges Aneinanderkuscheln heizen sie sich auf. Im Stock herrschen dann immer noch Temperaturen über 20 Grad – im Sommer sind es 35. Auch bei Kälte erweisen sich die Zuckerwasservorräte als Vorteil: Sie sind nicht so zäh wie kalter Honig und müssen nicht erst „aufgetaut“ und mit viel Energieaufwand duch das „Warmzittern“ flüssig gehalten werden.
Im frühen Jahr kommt irgendwann der Zeitpunkt, wenn die Bienen den Stock zum ersten Mal zum Reinigungsflug verlassen. Sie sammeln auch schon Nektar und Pollen, zum Beispiel von den früh blühenden Haselsträuchern. Allerdings produzieren sie dann noch keinen Honigvorrat, sondern verbrauchen die ersten Erträge erst mal selbst.
Vorrat aus Zuckerwasser UND Honig
Kumm lässt den Bienen über den Winter aber neben dem Zuckerwasser immer auch einen Honigvorrat. Er achtet darauf, dass zum Saisonstart alles Zuckerwasser verbraucht ist. „Honig ist zum Saisonstart besser, denn er ist ein besserer Energieträger und enthält Eiweiße, Pollen etc. für die Brut“, erläutert Kumm. „Wenn ich kurz vor Ende des Winters nachfüttern muss, tue ich das dann mit Honig, sonst vermischt sich das Zuckerwasser mit dem Honig, den wir später ernten. Das wäre ein großer Nachteil für die Qualität.“
Kritische Phase zum Saisonstart
Während ein Bienenvolk im Sommer noch aus 90.000 bis 100.000 Individuen bestehen kann, geht es nur mit 20.000 bis 25.000 Exemplaren durch den Winter. „Diese Bienen sind die ersten, die im Frühjahr wieder arbeiten“, sagt Kumm. Das ist eine kritische Phase für ein Bienenvolk, denn die Tiere sind dann relativ schnell abgearbeitet – man spricht von „Durchlenzung“. „Eine Durchlenzung ist das Gefährlichste für das Volk und der entscheidende Zeitraum für das Bienenjahr“, so Kumm. Die Königin beginnt mit der Eiablage – bis zu 2000 Eier täglich. Und nach 21 Tagen schlüpfen die ersten Jungbienen des Jahres.
Die Honigproduktion beginnt mit den ersten Wildblüten, beispielsweise mit Weißdorn. So richtig los geht es mit der Honigproduktion zur Kirschblüte im April. Dann bringen Kumm und seine Mitarbeiter die Bienen in die Obstgärten der Vorbergzone. „Wir machen einen ganz feinen aromatischen Kirschblütenhonig – der hat etwas von Marzipan und schmeckt wie Urlaub“, lächelt der Imker.
(Fotos: Cum Natura, pixabay)
18.12.2019