Der NABU kürt nicht nur den Vogel des Jahres, sondern auch das Insekt des Jahres. Für 2023 fiel die Wahl auf einen Schmetterling mit dem hübschen Namen Landkärtchen. Das Besondere: Er zeigt sich übers Jahr in zwei völlig unterschiedlichen Kleidern. Im Frühjahr schlüpfen andere Landkärtchen als im Sommer.
Seinen Namen hat das Landkärtchen (Araschnia levana) von der stark geäderten Zeichnung auf den Flügelunterseiten. Übers Jahr entstehen zwei Generationen, die völlig unterschiedlich gefärbt sind. Haben die Puppen überwintert, so schlüpfen im Frühjahr Schmetterlinge, die kräftig orange-braun gefärbt sind. Die Sommergeneration hingegen fällt auf durch ihre schwarzbraune Färbung mit weißen Bändern. Die Sommertiere sind die Nachkommen der Wintergeneration und umgekehrt. Durch die Klimaerwärmung und die längeren Sommer kann es sogar eine dritte Generation im Herbst geben. In der Natur überlappen sich die Generationen so gut wie nicht, lassen sich im Labor aber paaren.
Licht und Wärme färben dunkel
Die Falter der Frühjahresgeneration sind etwas kleiner als die im Sommer. Sie ähneln mit ihrer Färbung und Zeichnung dem Perlmuttfalter. Der sogenannte Saison-Dimorphismus, also das unterschiedliche Aussehen der Generationen, hängt mit den Sonnenstunden und den Temperaturen während der Puppenruhe zusammen. Vereinfacht gesagt: Je länger und wärmer die Tage im Puppenstadium, desto schwärzer der Falter.
Die Frühjahres-Landkärtchen schlüpfen ab Mitte April und sind dann bis Mitte Juni meist an Waldrändern, in feuchten Wäldern und Auen, auf Schlehen- oder Weißdornbüschen zu finden, ebenso auf Sternmieren, Hahnenfuß oder Sumpfdotterblumen. Jahreszeitlich bedingt ernährt sich die Sommergeneration von anderen Blumen: vor allem von Bärenklau, Wiesenkerbel, Engelwurz, Wilder Möhre und weiteren Doldenblütlern. Auch der Nektar von Ackerkratzdistel, Wasserdost und Goldrute wird gerne genommen.
Eiertürmchen und Brennnesselmitte
Die Weibchen – sie sind von den Männchen kaum zu unterscheiden – legen acht bis zehn grüne Eier in Form kleiner Türmchen oder aufgereiht wie eine starre Perlenkette an die Unterseite von Brennnesselblättern. Das Landkärtchen ist der einzige heimische Schmetterling, der seine Eier in dieser Art ablegt. Aus den Eiern schlüpfen schwarze Raupen mit zahlreichen dunklen Dornen. Zunächst bleiben die Raupen zusammen auf den Brennnesseln, die sie seltsamerweise nur in der Mitte der Pflanze kahlfressen, während die Blätter ganz oben und unten unberührt bleiben. Sie häuten sich während ihres Wachstums viermal. Nach rund 18 Tagen verpuppen sie sich. Nach zwei bis drei Wochen schlüpfen die Schmetterlinge aus den Puppen.
Noch nicht bedroht, aber…
Landkärtchen sind im gesamten gemäßigten Europa und Asien von Frankreich bis nach Japan verbreitet, dagegen fehlen sie rund ums Mittelmeer ebenso wie auf den Britischen Inseln und Skandinavien. Sie kommen vor allem in der Ebene und im Hügelland bis zu 1000 Meter Meereshöhe vor. Sie gelten insgesamt – noch – nicht als bedroht, stehen in Deutschland nicht auf der Roten Liste. Nur in Hamburg und außerdem in Österreich gelten sie als gefährdet. Allerdings nehmen die Bestände seit gut zehn Jahren regional wieder ab – es wird dem Landkärtchen zu warm. Deshalb wandert es oft nach Skandinavien oder ins Gebirge Südeuropas ab. Damit der Falter nicht zu einem Verlierer des Klimawandels wird, müssen Lebensräume für Insekten besser geschützt werden. Auch mit Blick auf die Renaturierung von Flächen besteht Handlungsbedarf. Aus Sicht des NABU ist es besonders wichtig, möglichst wenig Pflanzenschutzmittel einzusetzen.
Wer im eigenen Garten etwas für die Falter tun möchte, sollte an halbschattigen Standorten die Brennnesseln stehen lassen. Dort können sich Raupen und Puppen ungestört entwickeln. Wichtig ist auch die Nähe zu Nektarpflanzen, da Landkärtchen keine weiten Strecken zurücklegen.
(Fotos: Jürgen, Petra, Eve, Anja, Chaasflade, kie-ker – alle Pixabay)
17.1.2023