Für die Erderwärmung ist es nicht entscheidend, an welcher Stelle Emissionen ausgestoßen oder vermieden werden. Das Prinzip der Kompensation nutzt diese Tatsache und bietet die Möglichkeit, verursachte Emissionen durch Einsparungen an anderer Stelle auszugleichen. Kann das funktionieren oder handelt es sich dabei vor allem um einen Ablasshandel für Marketingzwecke und das grüne Gewissen? Lest dazu den Beitrag unseres Klimaschutz-Projektmanagers Florian Schmid.
Klar ist: Nicht alle Treibhausgasemissionen lassen sich vermeiden. In Deutschland liegt der Ausstoß an Treibhausgasen pro Person, wenn man den Export und den Import von Gütern berücksichtigt, laut Umweltbundesamt (UBA) derzeit im Schnitt bei 11,2 Tonnen. Wenn ihr euch im Alltag bewusst klimafreundlich verhaltet, lässt sich dieser Wert bis auf sieben Tonnen reduzieren. Um den Ausstoß an Treibhausgasen pro Person weiter zu senken, sind weitreichende Veränderungen auf gesellschaftlicher Ebene notwendig. Die Kompensation von Emissionen bietet als Übergangslösung die Möglichkeit, die derzeit noch unvermeidbaren Emissionen auszugleichen und so die persönliche CO2-Bilanz neutral zu halten. Was gilt es dabei zu beachten und welche Alternativen gibt es?
Standards und Anbieter von CO2-Zertifikaten
Weltweit gültige Standards erleichtern die Entscheidung für qualitativ hochwertige Klimaschutzprojekte, die zur Erfüllung verschiedener Nachhaltigkeitsziele beitragen. Eine der wichtigsten und höchsten Zertifizierungen für Kompensationsprojekte ist der Gold Standard. Dieser wurde unter Federführung des World Wildlife Fund (WWF) entwickelt. Diese Zertifizierung können nur Projekte erhalten, die nachweislich zur Reduktion von Treibhausgasen führen und gleichzeitig entwicklungspolitisch sinnvoll sind.
Auf dem freiwilligen Kompensationsmarkt gibt es verschiedene Anbieter wie myclimate, Klimakollekte, Atmosfair, PrimaKlima oder Climate Partner. Je nach Anbieter zahlt man als Einzelperson zwischen 15 und 30 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2. Nach dem Urteil von Stiftung Warentest konnte von den untersuchten Kompensationsanbietern nur Atmosfair auf ganzer Linie überzeugen. Grund dafür ist, dass die unterstützten Projekte mindestens Gold Standard aufweisen und Doppelzählungen der Klimaschutzleistungen ausgeschlossen werden.
Grenzen der Kompensation
Treibhausgas-Emissionen verursachen durch die Beeinträchtigung von Ökosystemen, Gesundheits- und Materialschäden, Ernteausfälle oder Extremwetterereignisse hohe Kosten für die Gesellschaft. Das Umweltbundesamt hat berechnet, dass derzeit mit jeder emittierten Tonne CO2 Kosten von 201 Euro verbunden sind (Stand 2021).
Beim derzeitigen Preisniveau von Kompensationszertifikaten wird ein Großteil des verursachten Schadens nach wie vor durch die Allgemeinheit oder zukünftige Generationen getragen. Die Diskrepanz zwischen verursachten Kosten und gezahlter Kompensation ist für Unternehmen sogar noch größer. Aufgrund der höheren Emissionsmenge ist der Preis je kompensierter Tonne CO2 für Unternehmen weitaus niedriger. Je nach Standards beträgt das oftmals unter fünf Dollar.
Was kann ich tun?
Produkte und Veranstaltungen als klimaneutral zu bewerben ist im Trend. Bei Rewe konnte man zuletzt beispielsweise klimaneutrales Hähnchenfleisch und bei Aldi klimaneutrale Turnschuhe kaufen. Selbst die Fußball-WM in Katar gilt trotz riesiger Baustellen offiziell als klimaneutral. Als Konsumentinnen und Konsumenten sollten wir das Label „Klimaneutralität“ kritisch hinterfragen. Glaubwürdiger Klimaschutz durch Unternehmen baut auf einer Klimastrategie auf, die sich an den Klimazielen des Pariser Abkommens orientiert und weit über die Kompensation von Emissionen hinausgeht. Durch die Kompensation von Treibhausgasen kann die Klimakrise nicht aufgehalten werden.
Die finanzielle Unterstützung von Klimaschutzprojekten ist trotzdem notwendig, um den großen Finanzierungsbedarf für die Transformation zu einer klimagerechten Zukunft zu beschleunigen. Im Fall der Kompensation solltet ihr auf jeden Fall sicherstellen, dass die unterstützten Projekte einen hohen Standard aufweisen, zum Beispiel den Gold Standard.
Die finanzielle Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen kann auch ohne Kompensation geschehen. Der Einsatz von Organisationen und Vereinen, die sich auf politischer Ebene für Klimaschutz einsetzen, ist zwar nicht in Tonnen CO2 messbar, leistet aber einen wichtigen Beitrag für eine klimagerechte Zukunft. Eine Unterstützung dieser Akteure durch Spenden bietet eine sinnvolle Alternative zur klassischen Kompensation.
(Text: Florian Schmid, Fotos: so med/Pixabay, Colin Behrens/Pixabay, Monika/Pixabay)
7.12.2022