Mit kleinen Eimern bewaffnet ziehen 20 Erstklässler der Krokusschule los und folgen im Gänsemarsch ihrem heutigen Lehrer. Der ist kein Geringerer als der Sternekoch Franz Berlin von Berlins Hotel KroneLamm in Bad Teinach-Zavelstein. Heute bekommen die ABC-Schützen eine Lektion in Kräuterkunde aus berufenem Munde.
Zuerst ein kurzer Überblick:
Die Krokus-Schule wird im Juli zur Naturpark-Schule ausgezeichnet und hat als Voraussetzung schon mehrere Module in „moderner Heimatkunde“ in unterschiedlichen Klassen absolviert. Mit externen Partnern wie Landwirten, Förstern, Handwerkern, Imkern oder eben mit einem versierten Kräuterfachmann wie heute Naturpark-Wirt Franz Berlin lernen die Grundschüler, wie das Leben „da draußen“ abläuft, vor allem, wo unsere Lebensmittel herkommen und wie sie entstehen.
Vom Hotel KroneLamm führt der Spitzenkoch die Kinder mit ihren Lehrerinnen und der Umweltpädagogin Manuela Riedling den Hang hinunter. Gleich unterhalb des Hotels wächst kräftiges Grün und schon nach ein paar Schritten zeigt Berlin die ersten Kräuter: Brennessel, Beifuß und Bärlauch. „Die Taubnessel sieht aus wie die Brennessel, aber sie brennt nicht und hat gelbe Blüten“, erklärt er. Und gibt Tipps, die auch Erwachsene interessieren: „Mit getrockneten Beifuß bereitet man Ente oder Gans zu, denn der verarbeitet das Fett am besten.“
Viele Pflanzen haben einen bekannten Geschmack
Die Kinder füllen fleißig ihre Eimerchen, denn sie wissen, dass die gesammelten Kräuter später gemeinsam verarbeitet werden. „Aber aufpassen“, ermahnt der junge Hotelchef, „nicht am Wegesrand pflücken, hier kommen immer Hunde vorbei.“ Weiter geht es auf dem Hohlweg unterhalb des Hotels durch sattes Grün bis zur Burgruine Zavelstein. Die Kinder dürfen die Knospen der Vogelwicke probieren. „Wonach schmeckt das?“, fragt Berlin. Die Kinder zögern, dann sagt eines: „Nach Erbsen.“ „Richtig, deshalb nennt man die Vogelwicke auch wilde Erbse!“
Erstaunt lernen die Erstklässler, wie viele Wiesenkräuter bekannte Geschmacksrichtungen haben: Vogelmiere schmeckt nach Mais, die jungen Blätter des Beinwells nach Gurke, Giersch nach Karotte, Kohlrabi und Petersilie, Labkraut wie Kopfsalat, die Blüten des Spitzwegerichs nach Champignons…
Kräuterkunde nicht nur für die Küche
Die Kinder sind begeistert beim Sammeln und stopfen wesentlich mehr Kräuter in ihre Eimer als in ihren Kopf hineingehen. Denn Berlin liefert ungeheuer viele Informationen über Knoblauchsrauke, Gänseblümchen und Gundermann, über Waldmeister, Schlangenknöterich oder Wiesenbärenklau und viele mehr. Er erklärt den Kindern auch die Heilwirkung der Pflanzen: „Die Brennnessel ist die Wunderwaffe für den Körper. Sie ist die gesündeste Pflanze, keine andere tut dem Organismus so gut!“ Und liefert gleich die Gebrauchsanleitung zur Verarbeitung: „Ein Wellholz drüberrollen, dann ist sie taub wie die Taubnessel und man kann sie roh als Salat essen.“ Beinwell ist gut, wenn man die Blätter bei Schmerzen um die Beine wickelt. Das Wort „Gunder“ im Gundermann bedeutet ursprünglich „Eiter“, die Pflanze wurde früher also zur Wundversorgung verwendet. Aus Spitzwegerich macht man einen Sirup, der als Hustensaft dient.
Der Naturpark-Wirt ermahnt die Schüler, nur die jungen zarten Triebe zu sammeln. „Je älter und dicker sie sind, desto zäher und bitterer werden sie.“ Überhaupt soll man die vielfältigen Kräuter immer mitessen, im Blattsalat zum Beispiel, „dann bleibt man gesund“. Berlin erzählt viel Interessantes, was die Kinder und auch die Erwachsenen noch nicht wussten. Zum Beispiel, dass Gänseblümchen natürliches Frostschutzmittel enthalten, das man bei Kälte an der violetten Färbung der Blütenblätter erkennen kann. Oder dass man alle Pflanzen, deren Blätter wie beim Waldmeister terrassenförmig angeordnet sind, essen kann.
Kräuterquark und Butterbonbons
Die Eimerchen und die Kinderköpfchen quellen über von frischen Kräutern und hoffentlich auch frischem Kräuterwissen, als die Gruppe am Wanderheim Zavelstein ankommt, das auch zum Hotel KroneLamm gehört. Gerade rechtzeitig gelangt die Klasse unter das Dach der großen Laube, denn es beginnt zu regnen. Die ABC-Schützen pflücken Blütenblätter von den gesammelten Kräutern. Sie werden später in die „Kräuterbutterbonbons“ eingearbeitet werden, die sie selbst formen dürfen. Aber zuerst zerkleinert Berlin die Kräuter und vermischt sie mit Quark. Brot ist schon bereitgestellt und die Kinder dürfen es mit dem frischen Kräuterdip verspeisen.
Nicht alle langen herzhaft zu, denn Kinderzungen und -gaumen sind bekanntlich empfindlich bei Ungewohntem. Aber alle hatten Spaß und schauen künftig eine Wiese mit ganz anderen Augen an. „Genau das wollen wir erreichen“, sagt Umweltpädagogin Manuela Riedling. „Naturpark-Schulen wollen früh das Bewusstsein für unsere Natur und die Zusammenhänge zwischen der Pflanzen- und Tierwelt und unseren Lebensmitteln wecken.“
(Fotos: Dangel/Naturpark)