Die Naturpark-Schule Maria-Victoria in Ottersweier besucht die Naturpark-Partner-Imkerei Cum Natura in Bühl.
Imker Stefan Kumm greift tief in den Bienenstock auf der Wiese hinter seiner Imkerei in Bühl. Dann zieht er einen Holzrahmen heraus. Darin befinden sich unzählige sechseckige Waben, die die Bienen aus selbst produziertem Wachs gebaut haben. Überall krabbelt es und Bienen stecken ihre Köpfchen in die Waben. Vorsichtig fährt Stefan mit seinem Zeigefinger über die Waben. Goldgelber Honig fließt über seine Fingerkuppe. „Wollt ihr auch den frischen Honig probieren?“, fragt er die Drittklässler der Naturpark-Schule Maria-Victoria in Ottersweier (Landkreis Rastatt). Mit dem von Bienen bevölkerten Rahmen geht er von Kind zu Kind. „Ich hatte schon Angst vor den vielen Bienen“, berichtet Jule nachdem sie den Honig probiert hat. „Aber der Honig ist sehr lecker. Und mich hat keine Biene gestochen.“
Dann geht Stefan noch einen Schritt weiter. Wer will, darf einen Drohn, also eine männliche Biene, auf die Hand nehmen. Marie-Sophie ist sehr mutig und lässt einen Drohn über ihre Handfläche krabbeln. „Ich habe mich getraut, einen Drohn auf die Hand zu nehmen“, sagt die Drittklässlerin stolz. Auch ihre Mitschülerin Jule war mutig: „Es hat gekribbelt. Aber ich habe stillgehalten und war leise, damit der Drohn keine Angst bekommt und mich nicht sticht.“ Noch einige Minuten zuvor hatten die Schülerinnen ziemlichen Respekt vor dem riesigen Bienenvolk in dem großen Holzkasten vor ihnen. Jetzt ist ihre Angst verflogen. Denn von Stefan haben sie gelernt, wie sie mit den Bienen umgehen können.
„Ich habe mich getraut, einen Drohn auf die Hand zu nehmen.“
Jule, Schülerin der Naturpark-Schule Maria-Victoria in Ottersweier
Genau diese Aha-Momente sind es, die der Inhaber der Imkerei Cum Natura so sehr liebt. „Ich will den Kindern ein Naturverständnis mit auf den Weg geben. Dass Bienen wichtig für unser Ökosystem sind. Dass sie maßgeblich dazu beitragen, unsere wunderschönen Streuobstwiesen zu erhalten“, erklärt Stefan. „Meinem Team und mir ist es wichtig, alle Sinne der Kinder anzusprechen. So können sie sich das Gelernte viel besser merken.“
Imkerei Cum Natura – Lernen mit allen Sinnen
Die Bühler Imkerei Cum Natura ist zertifizierter Naturpark-Partner. Sie setzt sich für eine nachhaltige Entwicklung der Region und den Erhalt der für den Schwarzwald typischen Kulturlandschaft ein. Stefan liebt seinen Job. Damit er seine Leidenschaft weitergeben kann, ist seine Imkerei auch Kooperationspartner der Naturpark-Schulen in der Region. In zwei Modulen à zwei Stunden lernen die Schüler altersgerecht so ziemlich alles, was es über Bienen zu wissen gibt: Wie sie sich entwickelt, was sie essen, wie sie leben und kommunizieren. Dabei binden Stefan Kumm und Maike Bühler von Cum Natura die Kinder aktiv ein. Sie dürfen selbst Honig schleudern, Honig-Limonade machen und eine Bienenwachskerze drehen. „Am Ende seid ihr richtige Imker-Profis“, sagt Stefan zu den Kindern um ihn herum.
Bienen haben Superkräfte
Bis zu 80.000 Bienen leben und arbeiten in einem Volk zusammen. „Heißt das, dass es mehr Bienen als Menschen auf der Welt gibt?“, fragt Luisa. Stefan schmunzelt. Er ist begeistert, wie sich die Schüler einbringen und mitdenken. „Mit den Naturpark-Schulen macht es mir richtig Spaß“, sagt er. „Die Schüler aus Ottersweier sind sehr gut vorbereitet und wissen viel.“ Zum Beispiel haben sie in einem Podcast im Sachkundeunterricht ihrer Lehrerin Yvonne Zengerle gelernt, dass Bienen Superkräfte haben. Die Schüler berichten Stefan alles, was sie gelernt haben: Bienen sind gut in Mathe, können sich Gesichter merken, können Heizkörper und Kühlschrank sein und haben viele Augen.
Stefan staunt. Aber natürlich kennt auch er ein paar Superkräfte: Bienen können bis zu 60km/h schnell und, wenn sie richtig Hunger haben, bis zu 30 Kilometer weit fliegen – und das alles bei einer Körpergröße von nur einem Zentimeter. Auch Naturpark-Schul-Lehrerin Zengerle ist mit viel Leidenschaft dabei. „Ich habe eine tolle App bei Planet Schule entdeckt, die ich auf die Schul-Tablets geladen habe. Damit konnten die Schüler aus der Perspektive einer Biene ihre Umgebung erkunden: Sie sind über eine Blühwiese geflogen – dabei hat das Tablet sogar vibriert. Dann sind sie beim Bienenstock gelandet und konnten sogar hineinkrabbeln.“
Gut zu wissen: Was tun bei Bienen-Stich?
Wer von einer Biene gestochen wird, sollte den Stachel mit dem Gift-Apparat so schnell wie möglich entfernen. „Dabei solltet ihr auf gar keinen Fall eine Pinzette verwenden“, erklärt Stefan. „Denn wenn ihr den Stachel am Ende greift, drückt ihr das ganze Gift in euren Körper.“ Stattdessen empfiehlt Stefan, den Stachel mit dem Fingernagel wegzukratzen. Anschließend sollte der Stich gekühlt werden.
Am besten ist es natürlich, gar nicht erst gestochen zu werden. Stefans Tipp: Leise sein und wenig bewegen. Wer laut ist und herumtollt, den nehmen Bienen als Gefahr wahr und greifen ihn an.
Funfact
Ach ja, wusstest du, dass Drohnen, also die männlichen Bienen, keinen Papa sondern nur einen Onkel haben? Klingt echt schräg – stimmt aber wirklich! Denn die Bienen-Königin befruchtet nicht jedes Ei. Aus den befruchteten Eiern schlüpfen Bienen oder weitere Königinnen. Aus den nicht-befruchteten Eiern entwickeln sich Drohnen. Genetisch sind sie daher mit ihrer Mutter identisch.
Übrigens: Drohnen haben ein ziemlich schönes und bequemes Leben: Sie werden von den anderen Bienen gepflegt und gefüttert. Diejenigen, die die Königin nicht begatten, haben sogar ein relativ langes und eben sehr bequemes Leben. Wer Sex mit der Königin hat, muss anschließend sterben. Ob das ein schönes Ende ist, ist wohl Interpretationssache…
Text: Gundi Woll; Fotos: Johannes Nickel
GW/07.08.2024