Sie schützen vor Bodenerosion, haben eine hohe Kapazität an Wasserspeicherung und CO2-Bindung, sie erhöhen die Biodiversität und weisen eine Vielfalt an Produkten auf – all das bieten Agroforstsysteme. Damit sind sie resilienter gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels wie etwa längeren Trockenperioden oder Starkregen-Ereignissen. Um diesen Ansatz zur Klimaanpassung in der Landwirtschaft im nördlichen und mittleren Schwarzwald zu etablieren, hat der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord ein Agroforst-Projekt entwickelt.
Der offizielle Auftakt mit einer symbolischen Baumpflanz-Aktion fand am 14. Dezember auf dem Hof Sonnenwald in Seewald (Landkreis Freudenstadt) statt. „Mit unserem Modellprojekt unterstützen wir bis zu zehn landwirtschaftliche Betriebe dabei, Agroforstsysteme anzulegen. Den Prozess begleiten wir mit individuell zugeschnittenen Bildungsangeboten“, berichtet der Geschäftsführer des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord, Karl-Heinz Dunker, bei der Auftaktveranstaltung. „Ein besonderer Dank geht an die Postcode Lotterie, die das Projekt über zwei Jahre fördert.“
Als ehemaliger Vorsitzender des Naturparks sagt der Landrat des Landkreises Freudenstadt, Dr. Klaus Michael Rückert: „In den vergangenen Jahren hat der Naturpark Projekte zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung in seinem Portfolio etabliert. Deshalb freue ich mich nun ganz besonders, dass wir heute in meinem Landkreis das Agroforst-Projekt starten.“ Und an das Team des Hofs Sonnenwald gerichtet sagt Dr. Rückert: „Großen Respekt dafür, wie Sie als Gemeinschaft die Landwirtschaft leben!“
So sieht das auch der Bürgermeister der Gemeinde Seewald, Dominic Damrath. Er betont: „Moderne Landwirtschaft ist auch Klimaschutz. Denn eine gesunde Landwirtschaft sorgt für eine gesunde Zukunft.“ Die Notwendigkeit, dass sich Landwirtschaft an den Klimawandel anpassen muss, unterstreicht Markus Stollsteimer vom Landesbauernverband Baden-Württemberg. „Landwirtschaft funktioniert nicht mehr, wenn wir so weitermachen wie bisher. Wir müssen neue Systeme speziell für unsere Region entwickeln, die wirtschaftlich sind und in die Fläche gebracht werden“, sagt Stollsteimer.
Der Hof Sonnenwald hat in den vergangenen Jahren die größten und komplexesten Agroforst-Systeme in Süddeutschland angelegt. Auf 16 Hektar haben die Landwirte mehr als 30.000 Gehölze in unterschiedlichen Systemen auf Acker- und Grünlandflächen gepflanzt.
An der Veranstaltung des Naturparks und der Universität Hohenheim nahmen auch Landwirtinnen und Landwirte teil, die sich für Agroforstsysteme interessieren. Zu ihnen zählt Sophie Kraul vom Unteren Berghof in Wildberg. „Ich finde Angebote wie das Agroforst-Projekt des Naturparks extrem wichtig. Dadurch wird wertvolle Pionierarbeit unterstützt. Außerdem können wir Landwirte uns bei den Infoveranstaltungen des Naturparks austauschen und vernetzten“, sagt Kraul.
Bei der Auftaktveranstaltung gab Paul Hofmann, Humus-Projektmanager beim Naturpark und Landwirt auf dem Hof Sonnenwald, eine Führung über die Streuobstwiese – ein seit Jahrhunderten in Deutschland etabliertes traditionelles Agroforstsystem. Anschließend ging es auf die Ackerfläche einige Meter weiter, auf der ein modernes Agroforstsystem mit Acker- und Grünlandwirtschaft, Bäumen und Sträuchern sowie Beweidung durch Rinder angelegt wurde.
Warum Agroforst gut fürs Klima ist
Bei Agroforstsystemen handelt es sich um bewirtschaftete Flächen, auf denen Acker- und Gehölzstrukturen gemeinsam angebaut werden. Dabei gehören die Bäume oder Sträucher zur landwirtschaftlichen Nutzfläche. Zumeist sind sie in einem Streifen angeordnet. Auf diese Weise können sie auch mit größeren landwirtschaftlichen Maschinen gut umfahren werden. Der Anteil an Gehölzen auf der Fläche beträgt in der Regel zwischen zwei und 40 Prozent.
Die Gehölze mindern die Windgeschwindigkeit oder reduzieren bei Starkregen die Wassermengen und schützen so den Boden vor Erosion. Stehen Gehölze am Wasser, fangen sie Nähr- und Schadstoffe ab und tragen zum Erhalt der Wasserqualität bei. Da die Gehölzflächen nicht gedüngt werden, gelangen zudem weniger Stoffe wie etwa Nitrat ins Grundwasser und es entstehen weniger Treibhausgase. Die Gehölze binden vielmehr CO2.
Durch die besser geschlossenen Nährstoffkreisläufe und den Aufbau von Humus wird der Boden fruchtbarer und damit ertragreicher. Der Humus sorgt zudem dafür, dass mehr CO2 gebunden und Wasser im Boden gespeichert werden kann.
Agroforstsysteme bieten außerdem einer Vielzahl an Vögeln und Insekten einen attraktiven Lebensraum. Sie eignen sich auch für die Haltung von Nutztieren wie Rindern, Schafen oder Ziegen, die die Gründlandflächen beweiden können. Auch Hühner oder Gänse können diese Flächen nutzen.
Agroforstsysteme liefern durch die Ergänzung der Ackerfrüchte um Holz und Früchte der gepflanzten Bäume oder Sträucher letztlich auch ein vielseitigeres Produktangebot.
SWR berichtet über Agroforst-Projekt
Über unser Agroforst-Projekt hat auch Anne Schmidt aus dem SWR-Studio Tübingen berichtet. Dafür hat sie Paul auf seinem Hof getroffen. Hier geht es zum Online-Artikel.
(Text und Fotos: Gundi Woll/Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord)
14.12.2023