Wir wollen das Auerhuhn auf dem Blog durchs Jahr begleiten. Hier findet ihr alle paar Wochen einen Beitrag über den Jahresrhythmus des Charaktervogels unserer Region. Heute geht es um Schlupf und Aufzucht.
In der letzten Folge haben wir heimlich die Balz der imposanten und im Schwarzwald leider sehr selten gewordenen Auerhähne beobachtet. Doch wie bei uns Menschen fängt jeder einmal klein an! Kein Grund, sich zu verstecken also, zumindest nicht auf unserem Naturpark-Blog. In freier Wildbahn hingegen ist Heimlichkeit überlebensnotwendig. Und unsere kleinen Helden sind wahre Meister der Tarnung und haben es auch ansonsten faustdick hinter den Hühnerohren. Das müssen sie auch, denn der Weg vom kleinen Ei und nur 30 Gramm Schlupfgewicht bis zu Europas größtem Hühnervogel mit bis zu sechs Kilogramm ist kurz und steil! Da ist es gut, dass sie ihn nicht alleine gehen müssen und sich auf ihre Mutter, die Auerhenne, verlassen können, wenn sie sich Ende Mai ins große Abenteuer Leben stürzen…

Eine einfache Mulde am Boden dient den Auerhühnern als Nest (Foto: Markus Varesvuo)
Durchschnittlich acht Küken
Auerhuhnküken kommen je nach Höhenlage Ende Mai/Anfang Juni fast gleichzeitig mit ihren durchschnittlich sieben Geschwistern in einer gut versteckten, aber einfachen Bodenmulde zur Welt. Die Henne bleibt vor dem Schlüpfen ununterbrochen auf den Eiern sitzen, aus denen schon einen Tag vorher Rufe und Bewegungen zu vernehmen sind. In dieser Zeit beginnen die Küken bereits mit ihrem Eizahn die Eier von innen am stumpfen Ende zu öffnen. Beim Schlüpfen stemmen sie sich gegen die Eikappe und trennen diese sauber ab.
Frühzeitig mobil
Als Nestflüchter können die Küken bereits eine Stunde nach dem Schlüpfen laufen und ihre Umgebung erkunden. Anfangs sind sie noch ermattet vom Schlupf und bewegen sich nicht weit, aber bald können sie bemerkenswert weite Strecken zurücklegen. Dann ist auch der Dottersack als Nahrungsreserve für die ersten Tage aufgebraucht. Da sie in den ersten Wochen ihre Körpertemperatur noch nicht selbstständig aufrechterhalten können, sind sie dabei stets auf die Nähe zur Henne angewiesen um sich in ihrem Federkleid zu wärmen oder „gehudert“ zu werden, wie die Fachleute sagen.

Je nasskalter die Witterung in dieser ersten Zeit ist, umso mehr Zeit muss mit Hudern verbracht werden und umso weniger Zeit steht für die Nahrungssuche zur Verfügung. Auch sind dann deutlich weniger Insekten und ihre Larven aktiv, von denen sich die Küken in den ersten Wochen hauptsächlich ernähren. Deshalb kann langanhaltend schlechtes Wetter schnell zum Ausfall ganzer Jahrgänge führen.
Gewicht in einem halben Jahr verhundertfacht!
Ist genügend Nahrung vorhanden, wachsen die Küken sehr schnell und sind im September schon fast ausgewachsen. Das entspricht dem Hundertfachen ihres Schlupfgewichtes! Überhaupt nehmen die Kleinen bei guten Bedingungen eine rasante Entwicklung: Bereits mit einer Woche können sie kurze Strecken geradeaus fliegen und mit etwa zwei Wochen haben sie nicht selten eine Spannweite von bis zu 50 Zentimetern erreicht. Mit drei Wochen sind die Vögel flugfähig und können problemlos auch höher gelegene Äste von Bäumen erreichen. Ihr Federkleid wird in dieser Zeit ständig erneuert, um bei der starken Gewichtszunahme ihre Flugfähigkeit nicht zu verlieren. Zwar sind Auerhühner mit ihren kräftigen Beinen ausgezeichnete und schnelle Läufer, das Fliegen ermöglicht jedoch deutlich vielfältigere Flucht- und Versteckmöglichkeiten. Und die brauchen sie auch, denn vor allem im ersten Lebensjahr sind sie einer ständigen Gefahr durch Fressfeinde wie zum Beispiel Fuchs und Marder, aber auch dem Habicht ausgesetzt.

Tarnen und täuschen
Vor einer Flucht verlassen sich Hennen und Küken auf ihr ausgezeichnetes Tarnkleid. Das gilt vor allem für die Küken. Auf einen Alarmruf der Henne, die ständig sehr aufmerksam die Umgebung sichert und Feinde schon von weitem und auch an den Warnrufen anderer Vögel erkennen kann, ducken sich die Jungen und sind so kaum von ihrer Umgebung zu unterscheiden. Wurden sie dennoch entdeckt, lenkt die Henne Feinde mutig ab indem sie vorgibt flügellahm zu sein. So zieht sie die Aufmerksamkeit auf sich und lockt Angreifer vom Nest oder den Küken weg. Werden Auerhühner trotz ständiger Wachsamkeit überrascht, können sie zudem plötzlich eine große Anzahl Federn abstoßen und somit ihre Feinde verwirren. Die großen und wehrhaften Hähne hingegen fliehen nicht immer und können kleineren Feinden oft durch Drohgebärden standhalten, sofern diese frühzeitig erkannt werden.
Bitte nicht stören
Häufige Störungen durch den Menschen vertragen Auerhühner nur schlecht und gewöhnen sich nur in einem gewissen Umfang entlang von Straßen und Wegen daran. Helft daher bitte alle mit, Störungen für die letzten Exemplare in unserem Schwarzwald zu vermeiden und bleibt auf den ausgewiesenen Wegen. Auch freilaufende Hunde sind ein großes Problem – nicht nur für das Auerhuhn. Gerade zu Beginn der Brut und während der Aufzucht der Küken im Frühjahr und Frühsommer, sind die Tiere sehr sensibel und Störungen können zum Ausfall des ganzen Geleges führen. Müll und insbesondere Nahrungsreste im Wald locken Fressfeinde an. Bitte hinterlasst also nichts als Fußabdrücke, und die nur auf den Wegen! Vielen Dank…
Helft mit beim Naturschutz fürs Auerhuhn
Neben Eurem Verhalten könnt ihr auch aktiv etwas für das Auerhuhn tun und bei unserer Herzenssache Natur kräftig mit anpacken. Bei einem Auerhuhn-Tag könnt ihr am 19. Juli 2019 gemeinsam mit dem Forstamt Baden-Baden Lebensraum für den seltenen Vogel schaffen. In größerem Umfang verfolgt der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord dieses Ziel auch mit einem eigenen Projekt „Lücken für Küken“ in Kooperation mit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt und dem Naturpark Südschwarzwald. Wollen wir hoffen, dass der stete Rückgang dieses Charaktervogels des Schwarzwaldes noch aufzuhalten ist!