Heute schauen wir mit unserer Kräuterfrau und Schwarzwald-Guide Monika Wurft auf den dekorativen Baldrian. Zurzeit wagt er sich wieder ans Licht und wird, nach dem Motto: „Das Herz, den Sinn, die Nervenbahn beruhiget uns der Baldrian“, schon freudig erwartet!
Im Winter war der Baldrian gänzlich von der Bildfläche verschwunden, doch wenn ihr jetzt genau hinschaut, findet ihr seine zarten, gefiederten Blätter überall aus dem Boden hervorlugen. Er bevorzugt lichte Stellen im Wald, an Weg- und Straßenrändern, auf Wiesen, an Bächen und sogar auf Schutthalden. Auf mäßig nährstoffreichen Böden, die zeitweise feucht stehen, steigt er in den Alpen sogar bis zur Baumgrenze.
Daran erkennt ihr den Baldrian
Echter Baldrian, Valeriana officinalis, auch als Arzneibaldrian, Katzenkraut, Mondwurzel, Wildfräuleinkraut, Stinkwurz und Hexenkraut bekannt, gehört zur Familie der Geißblattgewächse (Caprifoliaceae). Bei dieser berühmten Heilpflanze entwickelt sich im Frühjahr aus einem faserigen Wurzelstock zunächst eine grundständige Blattrosette mit unpaarig gefiederten lanzettlichen Blättern, aus deren Mitte sich ein markanter, kantig geriefter, hohler Stängel bis zu 1,5 Meter in die Höhe schiebt.
Zur Blütezeit von Juni bis August könnt ihr den Baldrian mit seinen halbkugeligen, zarten Blütendolden, die auf den hohen Stängeln wie über der Erde schweben, kaum übersehen. Seine Blütenstände setzen sich aus zahlreichen zarten, rötlich-weißen Blüten mit jeweils fünf Blütenblättern zusammen. Charakteristisch ist sein strenger, würziger, meist als penetrant beschriebener Geruch, den man durch Zerreiben der Blätter sofort riechen kann.
Seine Früchte überlässt der Baldrian, ähnlich der Pusteblume des Löwenzahns, überwiegend mit einem Flugschirm versehen, dem Wind. So ist der Baldrian immer auf Wanderschaft. Seine Wurzeln bilden außerdem Ausläufer, die zahlreich und entfernt von der Mutterpflanze wieder als neue Pflänzchen meist in ganzen Trupps auftauchen.
Baldrian und seine inneren Werte
Mit seinem botanischen Name Valeriana weist der Baldrian auf seine Verwendung als Heilpflanze hin, abgeleitet vom lateinischen Wort „valere“, was so viel bedeutet wie „gesund sein“. Baldrian geht vermutlich auf den nordischen Gott „Baldur“ zurück, den Gott des Lichtes. Baldur, im wörtlichen Sinn „der Hilfsbereite“, galt als barmherziger und hilfsbereiter Gott. Was liegt da näher, als eine Heilpflanze wie den Baldrian, die zur Beruhigung und Entspannung beiträgt, nach ihm zu benennen.
Baldrian galt schon im Mittelalter als Universalheilmittel und wird aufgrund seiner ätherischen Öle, Valepotriate, Lignane und Valeriansäuren in der Volksheilkunde bei Angstzuständen, Unruhe, nervös bedingten Einschlafstörungen, krampfartigen Schmerzen im Magen-Darm-Trakt und nervösen Herzbeschwerden verwendet. Seine Wirkung ist inzwischen auch wissenschaftlich nachgewiesen. Abends eingenommen fördert er einen erholsamen Schlaf, da man gut ein- und durchschlafen kann und sich tagsüber erholt fühlt. Tagsüber verwendet macht er ruhig und steigert die Konzentrationsfähigkeit, ohne müde zu machen. Diese psychisch ausgleichende Wirkung macht ihn in Zeiten erhöhten Stresses zum Beispiel auch bei Prüfungsängsten interessant.
Verwendet werden die Wurzeln des Baldrians (Valerianae radix), die in Form von Teezubereitungen, Tinkturen oder Frischpflanzensaft zum Einsatz kommen. Heutzutage wird das ätherische Öl des Baldrians zur Parfümherstellung verwendet. Aufgrund seines speziellen Geruchs reichen kleine Mengen, um Seifen oder Duschgels mit einem Moos- oder Waldgeruch zu parfümieren. Übrigens, Kater mögen den Duft des Baldrians besonders gerne. Er erinnert sie vermutlich an eine rollige Katze und zieht sie in Frühlingsnächten regelrecht an.
Wildkräuterküche
Trotz oder gerade wegen ihres speziellen, eigenen Geruchs und Geschmacks, könnt ihr die zarten Blätter des Baldrians ab April als Würzkraut in der Wildkräuterküche verwenden. In kleinen Mengen verleiht ihr säuerlich herber Geschmack Wildkräutersalaten, Suppen, Kräuterbroten, Kräuterquark und Kräuterbutter eine besondere Note. Auch in Kräutersalzen, Würzmischungen, Kräuterölen und Kräuteressig in Mischung mit anderen Kräutern macht er sich gut. Die Knospen und Blüten könnt ihr dann ab Mai als essbare Dekoration und zum Aromatisieren von Limonaden, Bowlen, Gelees und Spirituosen ebenfalls in kleinen Mengen verwenden. Mit den frischen Wurzeln, die ab dem Herbst bis ins Frühjahr geerntet werden, lassen sich zudem Kräuterliköre und Schnäpse würzen.
Natur- und Gartentipp
Der hohe, reich blühende und dekorative Baldrian macht sich gut im Staudenbeet, aber auch im Kräuter- und Gemüsegarten. Bestäubt wird er von Bienen, Fliegen und Schmetterlingen. Durch seinen speziellen Duft hat er außerdem eine positive Auswirkung in Mischkulturen mit empfindlichen Pflanzen wie zum Beispiel der Rose. Zur Samenreife sehen die Blütenstände wie fedrige Wuschel aus und sind ideal, um sie für Trockenblumenkränze und Gestecke zu verwenden.
Mühelos könnt ihr das winterharte Kraut aus einem Stück Wurzel vermehren und ebenso mühelos wird sich der Baldrian dann im Garten verselbstständigen. Er darf sich ruhig üppig ausbreiten, damit man für die Hausapotheke und die Küche genügend Erntematerial findet. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass die Wildbestände auf diese Art geschont werden und man im eigenen Garten die Baldrianbestände markieren kann, um auch im Winter auf die Wurzeln zurückgreifen zu können.
Zur Ernte könnt ihr die Baldrianwurzeln ab Ende September ausgraben und nach dem Waschen und Abtrocknen in kleine Stücke schneiden (0,5 – 1 cm). Zur vollständigen Trocknung legt ihr die Wurzelstücke locker aus, zum Beispiel auf einem Sieb oder einem Wäscheständer, über den ihr zuvor ein Tuch ausgebreitet habt. Wichtig ist, dass auch von unten Luft an die Wurzelstücke kommen kann, damit sie komplett trocknen und nicht schimmeln können.
Baldrian-Tee
Ihr übergießt 1 TL frische oder ½ TL getrocknete und kleingeschnittene Baldrianwurzeln mit ¼ l kochendem Wasser, lasst den Sud 10 Min in einem zugedeckten Gefäß ziehen und seiht ihn dann ab. 2–3-mal täglich könnt ihr eine Tasse trinken, dafür bereitet ihr den Tee jedes Mal frisch zu. Mischungen mit Zitronenmelisse und Hopfen werden in der Volksheilkunde als wirksam und besonders schmackhaft empfohlen.
Entspannungsbad
Die beruhigende Wirkung des Baldrians entfaltet sich ebenfalls gut, wenn ihr Baldriantee einem Vollbad zusetzt. Dafür aus 1 l Wasser einen Baldriantee zubereiten und einem Vollbad zugeben. Die Badedauer sollte nicht länger als 15 Minuten dauern.
Baldrian-Tinktur
Füllt dazu kleingeschnittene Baldrianwurzel in ein weithalsiges Gefäß bis es halbvoll ist und gießt es mit Doppelkorn 38 vol. % bis zum Rand auf. Den Ansatz lasst ihr 2–3 Wochen ausziehen. In dieser Zeit schüttelt ihr das Glas ab und zu. Dann filtert ihr die Tinktur ab und füllt sie in eine dunkle Flasche. Abends oder bei Bedarf ein Teelöffel am besten in einem Glas Wasser verdünnt einnehmen.
Buntes Frühlings-Blättersandwich
Zutaten
Unterschiedlichste erste zarte Blätter von Baldrian, Bärlauch, Scharbockskraut, Wiesenknopf, Löwenzahn und Spitzwegerich, vier Scheiben Vollkorntoast, ein gekochtes Ei, Tomaten, Radieschen, Frühlingszwiebeln, Butter, Salz.
Zubereitung
Die Brote toasten, mit der Butter bestreichen und mit etwas Kräutersalz würzen. Abwechselnd mit den Blättern, dem in Scheiben geschnittenen Ei, den Tomaten, Radieschen und in Scheiben geschnittenen Frühlingszwiebeln belegen.
Tipp: Mit Blüten von Bärlauch, Wiesenschaumkraut, Veilchen oder Gänseblümchen dekoriert servieren.
Viel Freude am Baldrian wünscht euch Monika Wurft!
Mehr Kräuterwissen gibt’s im Buch von Monika Wurft:
Monika Wurft, Mein Wildkräuterbuch, 2. Auflage März 2020 Ulmer-ISBN: 978-3-8186-1123-1
(Text und Fotos: Monika Wurft)
4.4.2023