Ausgewählte landwirtschaftliche Betriebe im Naturpark vernetzen sich in Neuried und starten Pflanzaktion im Rahmen des Naturpark Agroforst-Projekts.
Mit Agroforst-Flächen die Landwirtschaft im nördlichen und mittleren Schwarzwald besser an die neuen Klimabedingungen anpassen – das ist das Ziel des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord. Im Rahmen seines Agroforst-Projekts unterstützt er deshalb 14 landwirtschaftliche Betriebe aus der Gebietskulisse des Naturparks sowie der Bio-Musterregion Mittelbaden+ bei der Anlage von Agroforst-Systemen. Landwirtinnen und Landwirte der ausgewählten Betriebe kamen am Freitag (13. Dezember) zum ersten Mal in Neuried (Ortenaukreis) zusammen. Neben dem Austausch untereinander ging es dem Naturpark bei seinem Netzwerktreffen darum, Fachwissen zur Qualität von Pflanzgut, zu Baumschutz, Gehölzpflanzung und effizienter Aufgabenteilung beim Pflanzen zu vermitteln.
Agroforst-Netzwerk
„Es ist uns wichtig, dass wir auch weiterhin viele Landwirtinnen und Landwirte im Naturpark haben, die zum Erhalt unserer Kulturlandschaft maßgeblich beitragen. Denn wir brauchen sie!“, sagt Niklas Kullik, der beim Naturpark Schwarzwald Mitte Nord für das Agroforst-Projekt zuständig ist. „Der Klimawandel stellt sie allerdings vor große Herausforderungen. Deshalb wollen wir als Naturpark vorangehen und mit unserem Agroforst-Projekt einen weiteren effektiven Ansatz zur Klimaanpassung im Bereich der regenerativen Landwirtschaft unterstützen und in der Region ein Netzwerk aufbauen.
Agroforst-Pflanzaktion bei SoLaVie Ortenau in Neuried
Nach dem Austausch und dem theoretischen Input gab es auf einer Fläche der SoLaVie Ortenau in Neuried die erste Pflanzaktion. Der Betriebsbesuch im Rahmen des Naturpark-Agroforst-Projekts hat bereits im August stattgefunden. Das daraufhin erarbeitet Agroforst-Konzept sieht vor, Obst- und Schattenbäume in die
Gemüsebeete zu integrieren sowie eine Hecke um die Ackerfläche herum zu pflanzen. Angebaut werden sollen unter anderem Aprikosen, Speierling und Elsbeere. „Agroforst ist eine nachhaltige Anbauform mit langfristigem Nutzen. Sie ist vielfältig wie ein Schweitzer Taschenmesser“, beschreibt Naturpark-Projektmanager Niklas Kullik. „Jeder Betrieb hat andere Voraussetzungen. Deshalb ist eine individuelle Beratung vor der Anlage eines Agroforstsystems sehr wichtig.“
Ziel der SoLaVie ist es, vielseitiges, saisonales Bio-Gemüse sowie Getreide anzubauen und gleichzeitig die heimische Artenvielfalt zu schützen. Mit der Anlage von Agroforst-Strukturen will die SoLaVie ihren Wasserbedarf reduzieren, Wind abfangen und die Flächen klimaresilienter gestalten. Zudem bieten die neu gepflanzten Bäume und Sträucher zusätzliche Lebensräume für Tiere.
„Die ganze SoLaVie-Gemeinschaft steht voll hinter dem Agroforst-Projekt des Naturparks. Einige von uns waren schon bei Feldtagen im Rahmen des Naturpark-Humusprojekts dabei. Über dieses Netzwerk haben wir auch vom Agroforst-Projekt erfahren“, berichtet Ricarda Christ von SoLaVie Ortenau beim Netzwerktreffen in Neuried. „Wir hatten alle richtig Lust auf das Projekt und haben uns direkt Gedanken zu möglichen Agroforstsystemen für unsere Flächen gemacht. Denn für uns gehört Natur schützen und Natur nützen zusammen. Als die Ausschreibung publiziert war, haben wir uns deshalb gleich als Pilotbetrieb beworben.“
Zu den Pilotbetrieben gehört auch der Berghof von Marco Braasch aus Oberndorf am Neckar im Landkreis Rottweil. Braasch hat bereits mehrere Futterlaubhecken für seine Schafe angelegt. Diese sollen nach dem nun erarbeiteten Agroforst-Konzept um Wertholzbäume (Hybridnuss, Baumhasel, Wildkirsche und Speierling) ergänzt werden, damit diese künftig Schatten für seine Tiere spenden können. Außerdem wird eine Obstwiese mit Apfel-, Kirsch-, Birn- und Quittenbäumen angelegt. Dazwischen werden als Ammenbäume, das heißt Wachstumshelfer, Erle und Vogelkirsche gepflanzt. „Ich will ein resilientes System in Zeiten wechselnder Klimabedingungen aufbauen. In Agroforstsystemen sehe ich eine gute Klimaanpassungsmaßnahme für meinen Hof“, erklärt Braasch. „Eine große Motivation beim Agroforst-Projekt des Naturparks mitmachen, war für mich auch die Möglichkeit, sich im Netzwerk mit Gleichgesinnten auszutauschen“, führt Braasch weiter aus.
Das bietet das Agroforst-Projekt des Naturparks
Auf landwirtschaftlichen Flächen Sträucher und Bäume zu integrieren und sie auf diese Weise an die neuen Klimabedingungen anzupassen – darum geht es beim Agroforst-Projekt des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord. Agroforst-Strukturen tragen dazu bei, Wasser länger in den Flächen zu halten. Sowohl in Dürrephasen als auch bei Starkregenereignissen. Mit seinem Agroforst-Projekt unterstützt der Naturpark 14 Pilotbetriebe dabei, auf ihre Flächen zugeschnittene Agroforst-Systeme anzulegen.
Jeder Betrieb erhält eine kostenlose, betriebsspezifische Beratung und eine Anlagenförderung von bis zu 7.000 Euro. Zudem veranstaltet der Naturpark vielfältige Weiterbildungsangebote wie Feldtage auf Modellbetrieben mit Wissenschaftlern und Praktikern. Er vernetzt Wissenschaftler und Praktiker und organisiert Pflanzaktionen. Das Projekt wird über einen Zeitraum von zwei Jahren durch die Deutsche Postcode Lotterie gefördert.
Aktuell haben neun der 14 Betriebe eine Vor-Ort Beratung erhalten. Bei vier Betrieben liegen bereits die ersten Pflanzungsempfehlungen vor. Diese haben nun die Möglichkeit, Anpassungen in Abstimmung mit ihren Beratern vorzunehmen. Drei Betrieben werden noch in diesem Jahr erste Pflanzungen vornehmen, darunter SoLaVie Ortenau, der Biohof Baumann in Baden-Baden und der Berghof Braasch in Oberndorf am Neckar (Landkreis Rottweil).
Insgesamt werden zwei bis vier Hektar große Flächen mit etwa zehn bis 20 Prozent Gehölzen bepflanzt. Die Systeme und Ziele der Höfe sind so vielfältig, wie die Betriebe selbst: Wertholzbäume, Biomasseproduktion, Wind- und Erosionsschutz, Schatten für Weidetiere oder weitere Fruchtproduktion mit Kastanien oder Obst.
Das sind die Pilotbetriebe der Agroforst-Modellregion des Naturparks
Im Folgenden eine Übersicht zu den am Naturpark-Agroforst-Projekt teilnehmenden Pilotbetrieben sowie dem aktuellen Stand des jeweiligen Betriebs im Projektverlauf:
Stadtkreis Baden-Baden
- Biohof Baumann in Baden-Baden: Pflanz-Konzept liegt vor, nächste Pflanzung für Januar 2025 geplant
Landkreis Calw
- Hof Wiesenknopf in Schömberg: Beratung im Frühjahr 2025 geplant
- Biohof Silberberg in Neubulach: Betriebsbesuch hat stattgefunden, Pflanz-Konzept wird erarbeitet
Ortenaukreis
- Lindenhof-Huber in Achern: Beratung im Frühjahr 2025 geplant
- Lorenz.Farm in Achern-Fautenbach: Pflanz-Konzept liegt vor, Pflanzung im Frühjahr 2025 geplant
- Hofgut Silva in Oberkirch: Pflanz-Konzept liegt vor, erste Pflanzung noch in Planung
- SoLaVie Ortenau e. V. in Offenburg: Pflanz-Konzept liegt vor, erste Pflanzaktion am 13.12.2024 durchgeführt
- Hosch in Neuried: Pflanz-Konzept liegt vor, erste Pflanzungen für März 2025 geplant
- s’Milde Obsthof in Neuried-Dundenheim: Beratung im Frühjahr 2025 geplant
- Friedrich Wenz DEMETER- und BIOLAND Betrieb in Schwanau: Beratung im Frühjahr 2025 geplant
Landkreis Freudenstadt
- Hofbauernhof GbR in Loßburg: Pflanz-Konzept liegt vor, erste Pflanzung im Herbst 2025 geplant
- Hof Sonnenwald für regenerative Agrikultur in Seewald-Schernbach: Betriebsbesuch hat stattgefunden, Pflanz-Konzept wird erarbeitet
Landkreis Rottweil
- Marco Brasch Berghof in Oberndorf am Neckar: Pflanz-Konzept liegt vor, Pflanzung noch im Dezember 2024
- Pfauhof in Dornhan: Beratung für Winter 2024/25 geplant
Hintergrund: Warum Agroforst gut fürs Klima ist
Bei Agroforstsystemen handelt es sich um bewirtschaftete Flächen, auf denen Acker- und Gehölzstrukturen gemeinsam angebaut werden. Dabei gehören die Bäume und Sträucher zur landwirtschaftlichen Nutzfläche. Zumeist sind sie in einem Streifen angeordnet. Auf diese Weise können sie auch mit größeren landwirtschaftlichen Maschinen gut umfahren werden. Der Anteil an Gehölzen auf der Fläche beträgt in der Regel zwischen zwei und 40 Prozent.
Agroforstsysteme schützen vor Bodenerosion, haben eine hohe Kapazität an Wasserspeicherung und Kohlenstoff-Bindung. Sie erhöhen die Biodiversität und weisen eine Vielfalt an Produkten auf. Damit sind sie resilienter gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels wie etwa längeren Trockenperioden oder Starkregen-Ereignissen.
Die Gehölze binden klimaschädlichen Kohlenstoff, mindern die Windgeschwindigkeit oder reduzieren bei Starkregen die Wassermengen und schützen so den Boden vor Erosion. Stehen Gehölze am Wasser, fangen sie Nähr- und Schadstoffe ab und tragen zum Erhalt der Wasserqualität bei. Da die Gehölzflächen nicht gedüngt werden, gelangen zudem weniger Stoffe wie etwa Nitrat ins Grundwasser und es entstehen weniger Treibhausgase.
Durch die besser geschlossenen Nährstoffkreisläufe und den Aufbau von Humus wird der Boden fruchtbarer und damit ertragreicher. Der Humus sorgt zudem dafür, dass mehr Kohlenstoff gebunden und Wasser im Boden gespeichert werden kann.
Agroforstsysteme bieten außerdem einer Vielzahl an Vögeln und Insekten einen attraktiven Lebensraum. Sie eignen sich auch für die Haltung von Nutztieren wie Rindern, Schafen oder Ziegen, die die Grünland-Flächen beweiden können. Auch Hühner oder Gänse können diese Flächen nutzen.
Agroforstsysteme liefern durch die Ergänzung der Ackerfrüchte um Holz und Früchte der gepflanzten Bäume oder Sträucher letztlich auch ein vielseitigeres Produktangebot.
Text/Fotos: Gundi Woll
JN/ 18.12.2024