Heute schauen wir mit unserer Kräuterfrau und Schwarzwald-Guide Monika Wurft – nach der Vogelmiere und dem Gartenschaumkraut – ein weiteres Kraut an, das ebenfalls in der kalten Jahreszeit zur Verfügung steht und zudem die gute Laune hebt: Rumex acetosa, der Sauerampfer!
Am 01. Januar 2022, als der erste große Schneefall auch in den höheren Lagen des Schwarzwalds weggeschmolzen war, entstand dieses Bild: Ein kräftig austreibender und nach Selbstversuch erfrischend schmeckender, knackiger Sauerampfer.
Na, wer sagt’s denn! Gerade im Winter, wenn der Gaumen nach frischem Grün lechzt, erwartet man auf einer vom Schnee plattgedrückten Wiese keinesfalls ein kulinarisches Highlight. Umso erstaunlicher finde ich es immer wieder, vom Gegenteil überzeugt zu werden. Deshalb hier und heute mein Plädoyer für den Wiesen-Sauerampfer. Genauso wie die Vogelmiere und das Gartenschaumkraut aus den Beiträgen zuvor, entzückt er den Gaumen selbst im Winter .
Für die gute Laune
Den meisten von euch wird der Sauerampfer kein Unbekannter sein. Gerne haben wir ihn als Kinder im Sommer von der Wiese genascht und mit einem riesigen Spaß wegen seinem sauren Geschmack gehörig das Gesicht verzogen. Sauerampfer gehört zur Familie der Knöterichgewächse (Polygonaceae) und ist dem einen oder anderen von euch auch als Sauerlump, Großer Sauerampfer oder Salatampfer bekannt. Schaut ihr in Bestimmungsbüchern nach, so beginnt seine klassische Erntezeit im April und dauert bis Oktober. In der Realität zeigen sich seine säuerlichen Blätter jedoch beinahe ganzjährig. Ihr solltet den Sauerampfer also gerade im Winter wegen seines erfrischend säuerlichen Geschmacks auf der Liste der wilden Kräuter haben. Wenn das nicht die Laune hebt!
Daran erkennt ihr den Sauerampfer
Leicht zu erkennen ist der Sauerampfer an seinen pfeilförmigen, glänzenden Blättern mit den beiden Blattzipfeln, die an den Schwanz einer Schwalbe oder an die beiden Zipfel eines Fracks erinnern. Er wächst üppig auf Wiesen, an Wegrändern, im Wald und entlang von Bachläufen. Ab April schiebt der Sauerampfer seinen rötlich geriffelten Stängel mit den auffälligen Blattscheiden, Ochrea genannt, bis zu 80 Zentimeter in die Höhe. Die markanten, rispigen Blütenstände setzten sich aus zahllosen kleinen, roten Blüten zusammen, die die Wiesen von Mai bis August mit einem rötlichen Schimmer überziehen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Sauerampfer zweihäusig ist. Es gibt also Sauerampfer mit rein männlichen Blüten und Sauerampfer mit rein weiblichen Blüten. Per Windbestäubung kommt der Pollen der männlichen Pflanze auf die Blüten des weiblichen Sauerampfers. Das bedeutet, dass ihr nur auf den weiblichen Pflanzen ab August die dreikantigen kleinen Nussfrüchte ernten könnt.
Sauerampfer lässt Durst besser ertragen
Der saure Geschmack der Blätter wird mit dem Gattungsnamen Rumex von „rumos“ = sauer und dem Artnamen „Acetosa“ von acetum“= Essig gut beschrieben. Sozusagen als doppelt „sauer“! Ob sauer wirklich lustig macht? Zumindest gilt das für diejenigen, die die Gesichtszüge ihres Gegenübers bei der ersten Kostprobe beobachten.
Beim durstigen Wanderer, der sein Getränk vergessen hat, fördert der Sauerampfer auf alle Fälle die gute Laune. Da wird er zur praktischen Wasserflasche, denn die erfrischenden Blätter regen den Speichelfluss an und löschen so fürs Erste den Durst. Joachim Ringelnatz (1883-1934) verhalf dem Sauerampfer mit seinem humorigen Gedicht „Arm Kräutchen“ sogar in der Literatur zu Ruhm: „Lässt er ihn doch am Bahndamm stehen, wo er nur Züge sah und niemals einen Dampfer. Armer Sauerampfer“.
Leckeres und immunstärkendes Kraut mit viel Vitamin C
In der Volksheilkunde wird der Sauerampfer meist frisch verwendet. Er wirkt aufgrund seines hohen Vitamin-C-Gehalts, der Oxalsäure, der Gerbstoffe und Flavonoide Fieber senkend, Harn treibend und Immunsystem stärkend. Unter Seefahrern war er im Mittelalter als Mittel gegen Skorbut bekannt. Allerdings: Die Dosis macht’s – gerade beim Sauerampfer. Er sollte nicht andauernd in großen Mengen roh verzehrt werden, denn die Oxalsäure kann die Bildung von Nierensteinen fördern. Ein Umstand, den man durch die gleichzeitige Verwendung von Milchprodukten verringern kann. So wird die Oxalsäure an das darin enthaltene Calcium gebunden. Deshalb gilt es, bei oxalsäurehaltigen Nahrungsmitteln immer ein Milchprodukt mit zu gebrauchen. Bei der Sauerampfersuppe ist es der Schuss Sahne zum Schluss, siehe Rezept.
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Essbare Samen. -
Sauerampfer-Ernte.
Sauerampfer in der Kräuterküche hoch geschätzt
Sauerampfer könnt ihr frisch oder gekocht verwenden. Die sauren Blätter kommen als Salatbeigabe, Brotbelag oder in Kräuter- und Gemüsesuppen zum Einsatz, gerne auch in Kombination mit Gartenschaumkraut und Vogelmiere. Zudem sind die Sauerampferblätter ein traditioneller Bestandteil der „Frankfurter Grünen Soße“. Die jungen Blütenstände könnt ihr im kommenden Frühling und Sommer ebenfalls zu Salaten, in Gemüsegerichten, Dips, Kräutersaucen, als Brotbelag oder im Kräuterquark verwenden. Kostet bitte auch die Samen des Sauerampfers im Sommer als säuerlichen Snack oder lasst sie getrocknet im Winter als Keimsaat auf der Fensterbank antreiben. Übrigens, in Notzeiten wurden getrocknete Sauerampfersamen wie Mehl gemahlen und dem Weizenmehl als Streckmehl untergemischt.
Wer nun Lust hat kann gleich loslegen. Mit zwei Handvoll Sauerampferblättern könnt ihr euch ein Sauerampfersuppe zubereiten. Sie schmeckt mit einem Schuss Sahne nämlich gar nicht so extrem sauer, wie die frischen Blättchen, sondern leicht säuerlich bis zitronig.
Einfach lecker: Sauerampfersuppe!
Zutaten
- 2 Handvoll Sauerampferblätter
- ¾ l Gemüsebrühe
- 1 Zwiebel
- 2 EL Mehl
- etwas Butter
- etwas Sahne oder Creme Fraîche.
Zubereitung
Die gewaschenen Sauerampferblätter klein schneiden. Die Zwiebel ebenfalls kleinschneiden und in der zerlassenen Butter andünsten. Das Mehl dazugeben und mit anschwitzen. Danach die Sauerampferblätter dazugeben und kurz mit andünsten. Mit der Gemüsebrühe ablöschen und alles ein bis zwei Minuten köcheln lassen. Sahne oder Creme Fraîche, je nach Geschmacksvorliebe, unterrühren und die Suppe mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken.
Tipp: Die Suppe mit Gänseblümchen oder Kleeblüten dekoriert servieren.
Ganz praktisch finde ich immer Rezepte ohne Mengenangaben. Das beflügelt die Kreativität und macht Lust auf mehr. Sauerampferblättchen wandern bei mir kleingezupft gerne in den Salat oder werden in einer Avocadocreme verwendet. Bei letzterem mischt ihr einfach die feingehackten Blättchen unter die mit der Gabel zerdrückte Avocado und schmeckt die Creme mit Salz, Pfeffer, etwas Chili und einem Spritzer Zitronensaft ab. Ganz nach eurem Geschmack könnt ihr Sauerampfer auch in Frischkäse, Quark, Schafskäse unter Nudel- oder Eiersalaten und selbst im Obstsalat verwenden.
Gartentipp fürs kommende Jahr
Sauerampfer macht sich, aufgrund seiner Rotfärbung, hübsch in Wiesen und Kräutergärten. Die Fruchtstände des Sauerampfers sehen zudem in einem Wiesenstrauß oder in bunten Kränzen und Gestecken sehr gut aus. Der anspruchslose Sauerampfer gedeiht sowohl auf sonnigen als auch auf halbschattigen Standorten und kann aus Samen leicht herangezogen werden.
Wenn ihr mehr Sauerampfer bei euch kultivieren wollt, so geht’s: Die Aussaat, von im Vorjahr gesammelten Samen, erfolgt von März bis April direkt ins Freiland. Zur Keimung werden Temperaturen um die 15 °C benötigt. Da Sauerampfer zu den Lichtkeimern gehört, werden die Samen nur oberflächlich auf den offenen Boden gedrückt und feucht gehalten. Um das Ganze zu beschleunigen, könnt ihr auch auf Topfpflanzen zurückgreifen. Die in Gärtnereien angebotene Zuchtformen schmecken allerdings meist weniger sauer und haben dafür größere Blätter.
Viel gute Laune mit dem „sauren“ Sauerampfer!
Mehr Kräuterwissen gibt’s im Buch von Monika Wurft:
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Kräuterpädagogin und Schwarzwald-Guide Monika Wurft hat ihre Begeisterung für Wildkräuter zum Beruf gemacht. -
Wie hier zu sehen ist, kann man die Kräuter aus Monika Wurfts Wildkräuterbuch auch wirklich in der Natur finden.
Monika Wurft, Mein Wildkräuterbuch, 2. Auflage März 2020 Ulmer-ISBN: 978-3-8186-1123-1
(Text und Fotos: Monika Wurft, Titelbild: naturepic/pixabay)
1.2.2022