Heute geht’s mit unserer Kräuterfrau und Schwarzwald-Guide Monika Wurft zu den Schlehen. Bei den herben Früchten beginnt erst nach den ersten Frösten die Erntezeit. Wer Schlehen schon direkt vom Strauch genascht hat, der weiß, dass sie dann viel weicher sind und süßer schmecken. Herbstzeit ist Wildfrüchtezeit und deshalb lohnt es sich, die Schlehe genauer unter die Lupe zu nehmen. Doch das ist heutzutage gar nicht so einfach, denn wilde Hecken mit ihren Schlehensträuchern sind selten geworden.
Die schwarzblauen Früchte des Herbstes
Früher waren wilde Hecken rund um Gärten, Äcker und Dörfer häufiger zu finden. Zusammen mit Holunder, Vogelbeere, Weißdorn, Hagebutte und Haselnuss schützten sie die Böden vor Erosion durch Wind, spendeten Schatten und gaben Nützlingen wie Vögeln und Insekten Nahrung und Unterschlupf.
Auch wir Menschen profitierten von dem Strauchwerk, denn außer den Wildfrüchten und Nüssen wuchsen im Unterholz Heilkräuter und Wildgemüse. Leider sind viele dieser wilden Hecken verschwunden und man muss etwas länger suchen, um Schlehen zu bestimmen. Also Augen auf und los geht’s!


Daran erkennt ihr die Schlehen
Die Schlehe, botanisch Prunus spinosa, auch als Schlehdorn, Heckendorn oder Schwarzdorn bekannt, ist ein Steinobstgewächs aus der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Der wehrhafte, drei bis sechs Meter hohe Strauch verliert im Winter seine Blätter und ist dann an seiner schwarzen Rinde und seinen, an den Kurztrieben sitzenden, spitzen Dornen gut zu erkennen. Verwandt mit weiteren Rosengewächsen wie Hagebutte, Weißdorn, Apfel- und Kirschbaum sticht die Schlehe mit ihrer frühen Blüte alle aus. Denn schon ab März und noch vor dem Blattaustrieb taucht sie – dicht übersät mit zahlreichen weißen, nach Mandeln duftenden Blüten – ganze Gebüschsäume in ein weißes Blütenmeer.



Jede einen bis eineinhalb Zentimeter große Einzelblüte setzt sich aus fünf Blütenblättern zusammen, ein typisches Merkmal der Rosengewächse. Für Insekten bietet diese frühe Blüte reichlich Nektar und im Gegenzug werden die Blüten von ihnen bestäubt. Erst mit dem Ende der Blütezeit treiben die ovalen, am Rand gesägten Blätter aus und frühestens im späten Herbst sind ihre runden schwarzblauen, zirka einen Zentimeter großen markanten Schlehenfrüchte erntereif.
Schlehen haben´s in sich
Auch in der Volksheilkunde blickt die Schlehe auf eine lange Tradition zurück. Die Schlehenblüten mit ihren Flavonoiden, Blausäureglykosiden und dem Cumarin könnt ihr bei Erkältungskrankheiten und Hautausschlägen verwenden. Sie wirken obendrein leicht abführend und harntreibend.
Für eine duftende Teekur übergießt ihr zwei Teelöffel frische oder einen Teelöffel getrocknete Blüten mit einem Viertellieter kochendem Wasser, lasst den Sud zehn Minuten ziehen, seiht ihn ab und trinkt zwei Tassen pro Tag.


Die Schlehenfrüchte, um die es jetzt im Herbst geht, sind vollbepackt mit Fruchtsäuren, Gerbstoffen, Bitterstoffen, Vitamin C und enthalten wie die Blüten Blausäureglykoside. Sie kommen bei Nieren-, Blasen- und Magenproblemen zum Einsatz. Außerdem stärken sie die körpereigenen Abwehrkräfte und haben aufgrund der Gerbstoffe eine positive Wirkung bei Halsentzündungen und Zahnfleischbeschwerden. Als Zubereitungsformen kommen Tee, Tinktur, Saft, Sirup, Mus oder Ansatzweine zum Einsatz.
Ernte
Die Schlehenfrüchte sind je nach Höhenlage frühestens ab Oktober erntereif, sobald ihr sie gut vom Strauch abpflücken könnt. Abwarten lohnt sich, denn ihr herbsaurer Geschmack wird durch Frosteinwirkung gemildert. Deshalb ist es sinnvoll, die Früchte erst nach den ersten Nachtfrösten zu ernten. Wenn euch das zu schwierig ist, legt ihr die geernteten Schlehen einfach für einige Zeit in die Tiefkühltruhe. Dadurch simuliert ihr Frost, die Früchte bauen Zucker auf und ihr könnt sie später in Ruhe weiterverarbeiten.
Schlehenblüten werden an sonnigen, trockenen Tagen in der Blütezeit von März bis April geerntet und frisch verarbeitet oder für den Vorrat getrocknet.



In der Früchteküche
Ihr besonderer Geschmack und Duft macht die Schlehe in der Wildfrüchteküche zur Delikatesse. Gut zu wissen: Die Blausäureglykoside in Blüten und Früchten werden durch die Verarbeitungsschritte wie Kochen, Trocknen und Einlegen in Alkohol zu Blausäure und Bittermandelöl aufgespalten. Dabei verflüchtigt sich die Blausäure und übrig bleibt Bittermandelöl. Aus den Blüten könnt ihr euch im kommenden Frühjahr wohlschmeckende Tees, Blütengetränke, Gelees und Liköre kreieren.
Dass die rohen Schlehenfrüchte durch ihren herbsauren, adstringierenden Geschmack für den Gaumen gewöhnungsbedürftig sind, habt ihr sicher auch schon erschmeckt. Doch durch Kochen wird ein farbintensives Mus aus ihnen, das ihr zu schmackhaften Aufstrichen für Kuchen, Torten, Kompott und Chutney weiterverarbeiten könnt. Die Früchte könnt ihr außerdem für Ansatzweine, Liköre, getrocknet für Früchtetees und eingelegt als Beigabe zu Käse, Fondue oder Raclette verwerten.


Natur- und Gartentipp
Es liegt in unserer Hand, Schlehen und andere heimische Gehölze wie Holunder, Vogelbeere, Hagebutte und Weißdorn in einer wilden Hecke zu integrieren. Das ist für das ökologische Gleichgewicht, ob am Feld- oder Waldrand oder im eigenen Garten, von großem Wert. Je artenreicher eine Hecke, desto besser. Dadurch halten sich Nützlinge und Schadinsekten besser im Gleichgewicht und darüber hinaus steht für die Wildfrucht- und Blütenküche zu jeder Jahreszeit etwas zur Verfügung. Interessant ist auch, dass Schlehen durch ihre frühe Blüte eine wichtige Nektarquelle für Schmetterlinge wie zum Beispiel das Tagpfauenauge sind. Die dornigen Schlehensträucher bieten zudem zahlreichen Vogelarten wie Grasmücken und Meisen einen geschützten Nistplatz. Diese profitieren auch im Winter von ihnen. Sie nehmen die übriggebliebenen Früchte als Winterfutter auf und sorgen zudem durch Ausscheiden des Kerns für die Vermehrung der Schlehe.
Rezepte
Schlehenfruchtlikör
Zutaten
- 1 l Schnaps 32 vol %
- 300 g reife Schlehen
- 250 g brauner Zucker
- ½ Zimtstange
- ½ Vanilleschote.
Zubereitung
Früchte, Zucker und Gewürze gebt ihr in eine entsprechend große Flasche oder ein großes Glas, gießt mit dem Schnaps auf und lasst den Sud zirka zwei Monate lang ziehen. Ab und zu schüttelt ihr die Mischung durch. Danach filtert ihr die Früchte ab, füllt den Likör in dekorative Flaschen und lasst ihn mindestens noch mal drei bis vier Monate nachreifen.

Schlehenmus
Zutaten
- 1 kg Schlehen
- Wasser
Zubereitung
Die reifen Schlehen mit Wasser bedeckt aufkochen und solange köcheln, bis sich das Fruchtfleisch vom Stein löst. Um die Steine zu entfernen, müsst ihr die gekochten Schlehen durch ein Sieb streichen. Das so gewonnene Mus könnt ihr ohne Zucker einfrieren oder auch heiß in Schraubdeckelgläser gefüllt aufbewahren. Es eignet sich zu Weiterverarbeitung für Aufstriche, Kompott oder Chutney.
Tipp: Die Steine ergeben gewaschen und getrocknet ein ideales Wärmekissen für den Winter, ähnlich den Kirschkernsäckchen.
Schlehenfruchtaufstrich
Zutaten und Zubereitung
Schlehenmus (siehe oben) bringt ihr mit entsprechender Menge Gelierzucker, zum Beispiel im Verhältnis 1:1, mit einem Teelöffel gemahlenem Zimt und einer Messerspitze gemahlenen Nelken zum Kochen, lasst die Mischung zwei bis vier Minuten sprudelnd kochen und füllt den heißen Aufstrich nach einer Gelierprobe sofort in Schraubdeckelgläser und verschließt sie.
Tipp: Auch eine Mischung mit Apfel oder Pflaume hat sich geschmacklich bewährt. Ist das Mus sehr fest, brennt es gern an. Hilfreich kann sein es, vor dem Kochen mit Apfelsaft oder Rotwein zu verdünnen.
Viel Spaß an den wilden Hecken und den Schlehen!
Mehr Kräuterwissen gibt’s im Buch von Monika Wurft:



Monika Wurft, Mein Wildkräuterbuch, 2. Auflage März 2020 Ulmer-ISBN: 978-3-8186-1123-1
(Text und Fotos: Monika Wurft)
25.11.2022