Heute schauen wir uns mit unserer Kräuterfrau und Schwarzwald-Guide Monika Wurft das Echte Johanniskraut näher an. Das zähe und hitzeverträgliche Kraut hat jetzt zur Sommersonnwende seine Blüte- und Erntehochzeit und seine gelben Blüten leuchten uns wie kleine Sonnen entgegen.
Johanniskraut gilt als licht- und wärmeliebender Magerkeitsanzeiger, der zudem auch an den Boden keine besonderen Ansprüche stellt. Ihr findet es überall an Wegrändern, auf Dämmen, an Feldwegen, sonnigen Wiesen und in Waldlichtungen. Wer von euch einen Garten sein Eigen nennt, behaupte ich jetzt mal, der hat auch Johanniskraut, denn diese zähe Heilpflanze hat die Eigenschaft, sich freudig auszubreiten. Wenn ihr die Samenstände im Herbst nicht abschneidet, wandert es außerdem munter durch den ganzen Garten.
Wissenswertes zum Johanniskraut
Das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum) gehört zu den Johanniskraut- beziehungsweise Hartheugewächsen (Fam. Hypericaceae). Weltweit gibt es etwa 400 Johanniskrautarten, zirka neun Arten davon sind bei uns heimisch. Die regional unterschiedlichen Namen des Echten Johanniskrauts reichen vom Tüpfel-Johanniskraut über Blutkraut, Johannisblut, Arnika der Nerven und Wundkraut bis zum Hartheu. Der letztere Name leitete sich vom „harten Heu“ ab, das man den ganzen Winter über beobachten kann, wenn die abgeblühten Stängel aufrechtstehend allen Witterungseinflüssen und Schneefällen trotzen.
Daran erkennt ihr das Johanniskraut
Seine Blütezeit beginnt Mitte Juni und dauert je nach Standort bis in den September. Die gegenständig angeordneten Blätter sind eiförmig und gegen das Licht gehalten sehen sie wie durchlöchert, bzw. perforiert aus, worauf der Artname perforatum zurückzuführen ist. Es handelt sich dabei um winzige Sekretbehälter, die Ätherische Öle und Harze enthalten und lichtdurchlässig sind. Ein gutes Erkennungsmerkmal ist auch der zweikantige Stängel des Johanniskrauts, da er im Pflanzenreich selten vorkommt. Die meisten anderen Kräuter besitzen runde oder vierkantige Stängel. Im Blühhorizont sind die Stängel stark verzweigt. Die vielen goldgelben Blüten des Johanniskrauts mit ihren fünf Blütenblättern sind mit schwarzroten Drüsenschuppen besetzt. Wenn ihr diese Blüten und Knospen zwischen den Fingern zerreibt, tritt ihr Farbstoff – das Hypericin – aus, der eure Finger dunkelrot bis lila verfärbt.



Winzige Samen
Johanniskraut entwickelt schmale eiförmige, bis zu zehn Millimetern lange, dreifächrige Samenkapseln. Darin befinden sich die schwarzbraunen Samen, die leicht gebogen sind und nur etwa einen Millimeter lang. Diese winzigen Samen werden von Tieren verschleppt oder durch den Wind verbreitet. Die vegetative Vermehrung erfolgt durch Wurzelsprosse. Aufgrund der Verwendung als Heilpflanze wird das echte Johanniskraut bei uns landwirtschaftlich angebaut.
Der Name Johanniskraut kommt vermutlich vom Johannistag am 24. Juni, da sich die leuchtend gelben Blüten in den Tagen um die Sommersonnenwende öffnen. Johanniskraut spielt auch eine wichtige Rolle im Kräuterstrauß, der zu Mariä Himmelfahrt am 15. August gebunden wird. Ein schöner Brauch unserer Vorfahren, der auch für Schutzräucherungen von Haus und Hof und den Bewohnern eingesetzt wurde und heutzutage in katholischen Gegenden noch praktiziert wird. In Bayern ist Mariä Himmelfahrt bis heute ein gesetzlicher Feiertag.


Bekanntes Heilkraut
Vermutlich ist euch das leuchtende Kraut nicht unbekannt, denn Johanniskraut ist eine sehr alte, aber auch hochaktuelle Heilpflanze. Seine Wirkung als Antidepressiva hat sich herumgesprochen. Klinische Studien belegen längst, dass das Sonnwendkraut mit seinen Inhaltsstoffen Hypericin, Hyperforin, Gerbstoffen, Flavonoiden und Ätherischen Ölen stimmungsaufhellend wirkt. Ein Kraut also für die dunkle Jahreszeit, wenn der so genannte „November-Blues“ auf die Seele schlägt.
Johanniskraut kommt als Teeauszug, Tinktur oder Fertigarzneimittel bei bis zu mittelschweren Depressionen, sowie bei Schlafstörungen, Wechseljahrsbeschwerden, Kopfschmerzen, Migräne und in Zeiten einer Rekonvaleszenz zum Einsatz. Geduld ist allerdings geboten, da die Wirkung nicht sofort eintritt.


Für einen Johanniskrauttee empfiehlt die Volksheilkunde, zwei Teelöffel Johanniskraut mit einem Viertelliter Wasser zu übergießen, zum Sieden zu bringen, nach sieben Minuten den Auszug abzuseihen und über mehrere Wochen lang zwei- bis dreimal täglich eine Tasse zutrinken.
Rotöl für die Hausapotheke
Für die äußerliche Anwendung könnt ihr Johanniskraut jetzt zur Hauptblütezeit in Öl ansetzen. Die Wirkung dieses so genannten Rotöls reicht vom Wundheilmittel über die Behandlung leichter Verbrennungen, Sonnenbrand und Prellungen bis zur Behandlung von Blutergüssen.
Vorsicht ist geboten beim Johanniskraut
Die regelmäßige Anwendung von Johanniskraut fördert die Lichtaufnahme. Dies kann im Umkehrschluss, vor allem bei lichtempfindlichen Menschen, eine Überempfindlichkeit gegenüber UV-Licht auslösen. Intensive Sonnenbestrahlung solltet ihr deshalb unbedingt während der Verwendung von Johanniskraut vermeiden. Bei innerlicher Anwendung hochdosierter Johanniskrautpräparate ist ärztliche Begleitung geboten, weil auch die Wirkung von anderen Medikamenten bei gleichzeitiger Einnahme von Johanniskraut verändert bzw. aufgehoben werden kann.

Rezept Rotöl
Vom frischen Johanniskraut schneidet ihr die gesamten Blütentriebe mit ihren Blüten, Blütenknospen, Samenkapseln und Blättern ab, füllt diese in ein durchsichtiges Deckelglas und übergießt sie mit kaltgepresstem Sonnenblumen- oder Olivenöl, bis alle Pflanzenteile mit Öl bedeckt sind. Abgedeckt stellt ihr das Glas drei bis vier Wochen auf die Fensterbank. Die ersten paar Tage nehmt ihr nur ein Tuch zum Abdecken, damit Feuchtigkeit entweichen kann, dann könnt ihr es mit dem Deckel verschließen. Danach gießt ihr das Öl, das inzwischen leuchtend rot geworden ist, durch einen Teefilter oder ein Stofftuch ab und füllt es in dunkle, gut verschließbare Flaschen.
Tipp: Nach neuesten Erkenntnissen solltet ihr Johanniskrautöl nur für ein Jahr bevorraten, bis zur nächsten Ernte verbrauchen und dann frisches Öl ansetzten, denn die wirksamen Inhaltstoffe bauen sich mit der Herstellung und während der Lagerung laufend ab.
Natur- und Gartentipp
Johanniskraut mit seiner Blütenpracht ist eine Sonnenpflanze, die die pralle Sonne genießt. In der Mittagshitze streckt es seine Blüten der Sonne regelrecht entgegen. Deshalb eignet es sich gerade auch im Garten für sonnige und magere Standorte. Einmal gepflanzt verbreitet es sich rasant durch Selbstaussaat und Wurzelausläufer und wächst als Zierde jedes Blumengartens selbst in kleinsten Mauerritzen zu einer stattlichen Größe heran. Außerdem ist das Johanniskraut ein wichtiger Pollenspender für Honig- und Wildbienen, Tagfalter, Schwebfliegen und Hummeln.
Kinder bezeichnen das Johanniskraut als Zauberpflanze und sind von der gelben Blüte mit dem lilaroten Farbstoff fasziniert. Mit den ausgequetschten Blüten und Knospen lässt sich wunderbar auf einem Stück Papier oder Stoff malen und die Finger sind danach ebenfalls kräftig gefärbt. 😉
Mehr Kräuterwissen gibt’s im Buch von Monika Wurft:
Monika Wurft, Mein Wildkräuterbuch, 2. Auflage März 2020 Ulmer-ISBN: 978-3-8186-1123-1
(Text und Fotos: Monika Wurft)
2.7.2022