Vom König des Weges, Wiesenpflastern und Wintervorrat
Heute begeben wir uns mit unserer Kräuterfrau und Schwarzwald-Guide Monika Wurft in royale Gefilde und schauen uns den heilsamen und leckeren Spitzwegerich genauer an und warum er seinen königlichen Titel verdient hat. Auch diesmal könnt ihr das Wildkräuterbuch von Monika Wurft gewinnen (siehe unten).
Die gute Nachricht: Den Spitzwegerich müsst ihr nicht suchen. Er begegnet euch auf Schritt und Tritt, an Wegrändern, auf Wiesen, in Äckern, Gärten und Blumenbeeten. Vielen von euch ist er als „König des Weges“ ein Begriff und wird gerne als Erste Hilfe bei Insektenstichen, Husten oder als pilzige Variante in der Küche verwendet.
Zart, aber königlich
Wer ihn noch nicht kennt und sich nun unter dem „König des Weges“ eine große und auffallende Pflanze vorstellt, liegt ziemlich daneben. Denn ehrlicherweise ist der Spitzwegerich für einen König auf den ersten Blick ziemlich unscheinbar und zieht die Blicke beim Spaziergang nicht gerade auf sich. Angesichts seiner schmalen, spitzen Blätter wurde er sogar schon für Gras gehalten. Wenn ihr jedoch genauer hinschaut, dann offenbart sich seine zarte Schönheit. Die Spitzwegerichblätter sind in einer dunkelgrünen Blattrosette zusammengefasst. Den Winter über haben sie an den Boden gepresst überdauert, doch seit dem zeitigen Frühjahr strecken sie sich der Sonne entgegen, bilden grüne Büschel und werden je nach Standort zehn bis 40 Zentimeter lang. Auffallend sind die parallel verlaufenden Blattnerven jedes spitzigen Blattes, die ihr insbesondere im Gegenlicht gut erkennen könnt.
Zusätzlich ziert sich der Spitzwegerich zur Blütezeit, von Mai bis September, mit einem blattlosen kantigen Blütenstängel an dessen Ende eine einzige dunkelbraune, ährige Knospe thront. Jetzt wird’s schon königlicher, erinnert dieser Blütenstand mit etwas Fantasie doch an ein Zepter. Aufgeblüht präsentiert sich jede dieser kleinen Blütenähren mit weißen, zierlichen Staubfäden wie mit einer Krone umkränzt. Wer sich das einmal näher anschaut, wird in Zukunft jeden „König des Weges“ zur Blütezeit an seinem Zepter und der Krone schon von Weitem entdecken.
Ein ständiger Wegbegleiter
Der Spitzwegerich (Plantago lanceolata) verdankt seinen königlichen Titel obendrein der altgermanischen Bezeichnung „Wegerich“ von Wega, dem „Weg“ und rih, dem „König“, als ein Hinweis auf seine Vormachtstellung an Wegen.
Sein Gattungsname „Plantago“ setzt sich aus „Planta“ von Fußsohle und „agere“ von gehen zusammen. Damit offenbart sich, dass seine Familie, die Wegerichgewächse, ständig unterwegs sind. Ob Breit-, Mittlerer oder Spitzwegerich – ihre klebrigen Samen bleiben in feuchtem Zustand überall haften und werden so von Tieren und Menschen ungewollt zu neuen Standorten transportiert. Dieser Tatsache ist es zu verdanken, dass Wegerichgewächse heutzutage beinahe weltweit verbreitet sind.
Die Heilwirkung des Spitzwegerich
Der „König des Weges“ hat’s in sich. Manche von euch kennen Spitzwegerich zudem unter anderem Namen wie Wegeblatt, Wundwegerich, Heilwegerich oder Lungenblatt. Diese Namen geben preis, was in ihm steckt. Spitzwegerich ist eine alte, anerkannte Heilpflanze, die schon in der Antike als Wundheilmittel und bei Bissen von Tieren beschrieben wurde.
Heutzutage weiß man viel über die positive Wirkung des Spitzwegerichs auf das Immunsystem. Seinen Schleimstoffen, Bitter- und Gerbstoffen, der Kieselsäure und den Mineralstoffen, doch vor allem dem Glykosid Aucubin ist es zu verdanken, dass er eine wirksame Heilpflanze bei Atemwegserkrankungen wie Reizhusten, Bronchitis und Entzündungen im Mund- und Rachenraum ist. Aufgrund der antibakteriellen Wirkung des Aucubins spricht ihm die Volksheilkunde als Phytobiotikum die Wirkung eines pflanzlichen Antibiotikums zu. Gut zu wissen, dass man ihn vielseitig für die eigene Hausapotheke verwenden kann, sei es als Tee, Tinktur, Frischpflanzenpresssaft oder Sirup. Und dass er auch ausreichend zur Verfügung steht, ohne ihn groß zu kultivieren.
Zur Teeherstellung nehmt ihr zwei Teelöffel frische, oder ein bis zwei Teelöffel getrocknete Spitzwegerichblätter, übergießt sie mit einem Viertelliter kochendem Wasser lasst den Sud 15 Minuten ziehen. Danach könnt ihr den Tee durch ein Sieb abseihen und zwei- bis dreimal täglich eine Tasse im Bedarfsfall trinken.
Wiesenpflaster
Auch äußerlich angewendet ist der Spitzwegerich äußerst hilfreich. Als Wundwegerich zeigt er bei Insektenstichen, Juckreiz, kleinen Verletzungen, bei Brennnesselquaddeln und Pickeln eine gute Wirkung. Bei einem Insektenstich zerreibt ihr ein sauberes Blatt zwischen den Fingern und betupft die betroffene Stelle mit dem austretenden Saft. Der Juckreiz verschwindet und die Haut verheilt meist schnell und ohne Narbenbildung. Bei kleinerer Verletzung und Kratzern zum Beispiel am Finger, wickelt ihr einfach ein sauberes Blatt darum. Ein vielseitiges „Wiesenpflaster“ also für unterwegs, das sich gerade auch bei Kindern bewährt.
Auch in der Küche zeigt sich die royale Stärke des Spitzwegerichs
Er schmeckt wider Erwarten lecker nach Champignon und steigt damit zur spektakulären Delikatesse auf. Die Blätter könnt ihr den ganzen Sommer frisch ernten und zu pilzigen Suppen, in Kräuterquark, Salat und Wildgemüse verwenden. Auch die Blütenknospen sind essbar und schmecken nach Champignon. Ihr könnt sie frisch von der Wiese knabbern oder einsammeln und zu Mixed Pickles sauer eingelegen.
Die reifen Samen lassen sich im Brot mit anderen Gewürzen wie Kümmel oder Fenchel verbacken. Probiert sie ruhig auch mal pur! Frisch von der Wiese, wie ein Maiskolben abgeknabbert, erinnern die reifen Samenstände des Spitzwegerichs an einen Müsliriegel. Ideal, wenn euch auf einer Wanderung der Hunger überkommt. Dieser „Müsliriegel“ macht echt satt und kommt ohne Verpackung daher!
Zur Ernte vor die Haustüre
In einer naturnahen Blumenwiese gehört der Spitzwegerich einfach dazu. Er sieht schön aus und nebenbei wächst das besondere Heil- und Küchenkraut direkt vor der Haustüre. Spitzwegerich siedelt sich meist von selbst an, kann aber auch, mit im Spätsommer gesammelten Samen, ausgesät werden. Spitzwegerich ist übrigens sehr genügsam, er lässt sich auch im Blumentopf kultivieren und wächst nach jeder Ernte zügig nach.
Jetzt an den Wintervorrat denken – Spitzwegerichblätter lassen sich gut trocknen. Mein Tipp: Legt euch einen Wintervorrat für die Hausapotheke an, denn die Erkältungszeit ist erfahrungsgemäß im Januar und Februar, wenn man nicht auf den frischen Spitzwegerich zurückgreifen kann. Um ein gutes Ergebnis zu erzielen solltet ihr Spitzwegerich bei sommerlicher, warmer und trockener Witterung ernten und die Blätter sorgsam behandeln, indem ihr sie locker nebeneinander ausgelegt und nicht kreuz und quer übereinander stapelt. Die Blätter verfärben sich an den überlappenden Stellen meist schwarz und sind dann wertlos. Ein warmes Zimmer tut dafür gute Dienste und ein Wäscheständer, über den ihr ein Leintuch legt, wird schnell zum Kräutertrockner. Auf keinen Fall solltet ihr die Blätter unter starker Hitzeeinwirkung oder draußen in der Sonne trocknen oder gar bei feuchter Witterung ernten.
Spitzwegerich-Honig-Sirup
Für den Wintervorrat ist zusätzlich ein Sirup eine feine Sache! So könnt ihr einmal auf Spitzwegerich Tee zurückgreifen und auf einen Spitzwegerich-Sirup sobald sich bei einem Familienmitglied eine Erkältung anbahnt.
Zutaten:
- 1 großen Handstrauß frischer Spitzwegerichblätter
- 1 Glas Honig
- Leeres Glas.
Zubereitung:
Die Spitzwegerichblätter verlesen und in feine Streifen schneiden. Im Wechsel schichtet ihr die kleingeschnittene Spitzwegerichblätter mit dem Honig in das Glas. Die letzte Schicht besteht aus Honig, der den Spitzwegerich abdeckt. Den Sirup acht bis zwölf Wochen ausziehen lassen, dann abseihen und in kleinere Portionen aufteilen. So habt ihr mehrere kleine Mengen, die bei Bedarf aufgebraucht werden können.
Pilzige Spitzwegerichsuppe
Bei diesem Rezept kommt der Pilzgeschmack des Spitzwegerichs voll zur Geltung.
Zutaten:
- Eine Handvoll Spitzwegerichblätter
- ¾ l Gemüsebrühe
- 2 EL Kartoffelstärke
- etwas Sahne, Salz, Pfeffer, und Muskat.
Zubereitung:
Die Spitzwegerichblätter waschen, fein schneiden und in der Gemüsebrühe 15 Minuten sanft köcheln lassen. Dabei entwickelt sich der feine Pilzgeschmack des Spitzwegerichs. Zum Andicken die Kartoffelstärke in kaltem Wasser anrühren, in die Suppe einrühren und kurz aufkochen lassen. Die Suppe mit den Gewürzen und der Sahne abschmecken, pürieren und mit Gänseblümchen dekoriert servieren.
Tipp Wenn ihr die Suppe unpüriert lasst, bleiben die Spitzwegerichstreifen sichtbar und wer keine Sahne will, lässt sie weg, das schmeckt puristischer und etwas bitterer.
Guten Appetit und viel Freude mit dem „König des Weges“!
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(Text und Fotos: Monika Wurft)
18.6.2021