Heute schauen wir uns mit unserer Kräuterfrau und Schwarzwald-Guide Monika Wurft die Vogelbeere näher an. Die leuchtend roten Beeren sind bald erntereif! Richtig verarbeitet werden sie zur besonderen Delikatesse und trotzen damit dem hartnäckigen Gerücht, sie seien extrem giftig.
Damit schon mal die gute Nachricht vorweg: Vogelbeeren sind nicht giftig! Bei meinen Kräuterführungen höre ich bis heute immer wieder das krasse Gegenteil, denn viele von uns sind mit dem Satz aufgewachsen: „Drei Vogelbeeren und du stirbst“! Warum sich dieses Gerücht bis heute so hartnäckig hält? Vermutlich wollte man Generationen von Kindern vor den Verlockungen roter und giftiger Früchte schützen und dazu boten sich die leuchtendroten Vogelbeeren an. Im Sinne der Vogelbeere war das sicher nicht und giftige rote Beeren wie von Stechpalme, Seidelbast, Maiglöckchen oder Aronstab blieben außen vor.


Wissenswertes zur Vogelbeere
Doch, wie sieht es nun genau aus mit der Verträglichkeit der Vogelbeere (Sorbus aucuparia), die vielen von euch als Eberesche bekannt sein wird? In großen Mengen roh verzehrt können die Beeren tatsächlich zu Erbrechen und Durchfall führen. Damit ziehen die Vogelbeeren mit den Früchten des schwarzen Holunders gleich. Auch ihr Rohverzehr kann zu Übelkeit und Durchfall führen. Doch die Vogelbeeren schmecken roh so gallenbitter, sodass man in der Regel nach einem Versucherle die Finger davonlässt. Beim Holunder verhält es sich gleich, hingegen ist das Wissen nicht verloren gegangen, dass die Holunderbeeren, zu Saft oder Marmelade gekocht, zum Genuss werden.
Vogelbeere kulinarisch
Wenn ihr euch die roten Früchte der Vogelbeere kulinarisch vornehmen wollt, dann nur auf dem Umweg durch die Früchteküche. Denn erst durch die Verarbeitungsschritte wie Kochen, Trocknen und Einlegen in Alkohol werden sie zur herb-fruchtigen Delikatesse. Bei diesen Prozessen baut sich die unverträgliche Parasorbinsäure zu Sorbinsäure um und die Vogelbeeren schmecken richtig lecker. Die Sorbinsäure ist darüber hinaus ein natürliches Konservierungsmittel, mit dem positiven Effekt, dass eure Vogelbeerkreationen lange haltbar sind. So könnt ihr die als giftig verschrienen Vogelbeeren zu Mus, Fruchtaufstrichen, Sirup, Saft und Kompott verarbeiten. Oder sie zu Vogelbeerschnaps, Likör, Früchteessig, Vogelbeerwein, fruchtiger Knabberei, Vogelbeersalz oder Früchtetee weiterveredeln.
Daran erkennt ihr die Vogelbeere
Die Vogelbeere ist bei uns weit verbreitet und kann mit zehn bis 25 Metern Höhe zu einem dekorativen Baum heranwachsen. Zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae) gehörend, ist sie mit Apfel, Birne und Zwetschge verwandt. Als Pioniergehölz besiedelt die Vogelbeere sonnige und offene Standorte, sei es in Mischwäldern, an Waldrändern, auf Kahlschlägen und frisch entstandenen Windwurfflächen.

Vogelbeeren schmücken sich mit bis zu 25 Zentimeter langen Laubblättern. Ein so genanntes unpaarig gefiedertes Blatt setzt sich aus vielen länglichen Fiederblättchen zusammen, die sich am Blattstiel parallel gegenübersitzen und mit einem alleinstehenden Blatt an der Spitze enden. Die Ähnlichkeit der Blätter mit der Gemeinen Esche (Fraxinus excelsior) brachten der Vogelbeere vermutlich den Namen Eberesche ein, im Sinne von „aber keine Esche“ oder „falsche Esche“.
Eine Augenweide sind zudem die kugeligen, cremefarbenen Blütendolden, mit denen sich die Vogelbeeren von Mai bis in den Juni schmücken. Ab August sind ihre Zweige schwer bepackt mit leuchtend roten, bis zu einem Zentimeter großen Früchten, die wie kleine Äpfelchen aussehen.

Vogelbeeren haben`s in sich
Vogelbeeren sind die reinsten Vitamin-C-Bomben. Sie enthalten mehr Vitamin C als Zitronen. Dazu kommen Gerb-, und Bitterstoffe, ätherisches Öl, Zitronen- und Apfelsäure, Pektin und Carotinoide. In der Volksheilkunde zeigen sie eine positive Wirkung bei Gicht und Rheuma. Die zu Mus gekochten Früchte kommen außerdem bei Magenverstimmungen, Appetitlosigkeit, Erkältungskrankheiten und Herpes zum Einsatz.
Tee für alle Fälle
Ein Tee aus den roten Beeren wirkt mild abführend und harntreibend. Ein Tee aus den gerbstoffhaltigen Blättern zubereitet, lindert Durchfall und ein Tee aus den getrockneten Blüten kommt bei Husten zum Einsatz. Für einen Vogelbeeren-Früchtetee nehmt ihr einen Esslöffel getrocknete und zerkleinerte Früchte und übergießt sie mit einem Viertelliter kochendem Wasser. Ihr lasst den Sud 15 Minuten zugedeckt ziehen lassen und genießt ein bis zweiTassen pro Tag.
Natur- und Gartentipp
Als Solitärbaum in einem großen Garten überzeugt die Vogelbeere durch ihre schöne Kronenform, die Fiederblätter im Frühling, ihren weißen Blütenschmuck im Mai, den roten Beerendolden ab August und nicht zuletzt durch ihr blutrotes Laubkleid im Herbst. Ihr könnt die schnellwüchsige Vogelbeere allerdings auch in eine bunte Hecke integrieren. Als rückschnitt-verträgliches, heimisches Gehölz setzt sie dann allerdings nicht so viele Früchte an wie ein freistehender Baum.
Vogelfutter und Naturmaterial
Die roten Vogelbeeren, auch als Drosselbeeren, Merlenkirschen und Krammetskirschen bekannt, sind eine wichtige Futterquelle für Vögel. Für die Winterfütterung der Singvögel könnt ihr Vogelbeeren mit Kokosfett, anderen Wildfrüchten und Nüssen zu Futterknödeln verarbeiten. Da getrocknete Vogelbeeren ihre rote Farbe behalten sind sie in der Floristik ein Hingucker für Tischdekorationen, Türkränze und Trockengestecke. Kinder finden es spannend, die getrockneten Beeren wie Perlen für eine Halskette, einen Armreif oder ein Windspiel aufzufädeln.

Ernte
Je nach Höhenlage sind die Vogelbeeren ab August bis Ende September erntereif. Zu warten, bis der erste Frost darüber geht, kann ich euch deshalb nicht empfehlen. Sobald Vögel sich für die roten Beeren interessieren, ist es höchste Zeit, sich einen Teil zu sichern, sonst fällt die Ernte womöglich ganz aus. Längeres Einfrieren der Beeren ist allerdings gut möglich, sie gewinnen sogar an Geschmack. Zur Ernte schneidet ihr die gesamten Fruchtdolden ab, zupft die Beeren ab und verarbeitet sie entsprechend weiter.
In der Früchteküche
Vogelbeermus als Grundlage für Aufstriche und Kompott
Zutaten
- 1 kg Vogelbeeren
- Wasser oder Apfelsaft
Zubereitung
Die abgezupften Vogelbeeren werden mit Flüssigkeit bedeckt und unter Rühren in zirka 15 Minuten zu Mus gekocht. Anschließend streicht ihr das Mus durch ein Sieb und verarbeitet es entsprechend weiter. Mit der Flüssigkeitsmenge müsst ihr ein bisschen spielen. Zuviel macht das Mus zu flüssig und zu wenig zu trocken. Das hängt immer auch mit der Größe der Beeren zusammen und die kann je nach Witterung variieren.
Tipps
Mischungen mit Äpfeln oder Birnen ergänzen sich gut im Geschmack. Zur späteren Verwendung bzw. Weiterverarbeitung könnt ihr das Mus erst mal heiß in Schraubdeckelgläser füllen oder – nach dem Abkühlen – einfrieren. Probiert das frische Mus als Kompott mit Birnendicksaft oder Honig gesüßt zu Reibe- oder Pfannkuchen.

Vogelbeeraufstrich
Zutaten
- 1 kg Vogelbeermus, evt. mit etwas Apfelsaft verdünnt
- 1 kg Gelierzucker 1:1, (oder nach eurer Wahl 2:1 oder 3:1)
- 1 TL Zimt
- 1 Messerspitze Nelken
Zubereitung
Die Zutaten zum Kochen bringen und das Ganze zwei bis vier Minuten unter Rühren sprudelnd kochen lassen. Nach einer Gelierprobe füllt ihr den Aufstrich sofort heiß in Schraubdeckelgläser und verschließt diese.
Vogelbeerchutney
Zutaten
- 200 g Vogelbeeren
- 2 Äpfel
- 1 kleingeschnittene Zwiebel
- 150 g brauner Zucker
- 1/8 l Apfelsaft oder Weißwein
- ½ Zimtstange
- geriebene Muskatnuss
- gemahlenen Ingwer
- etwas Chilipulver.
Zubereitung
Ihr kocht die Vogelbeeren zunächst mit den entkernten Apfelstücken und allen weiteren Zutaten unter ständigem Rühren weich. Entnehmt die Zimtstange und püriert das Ganze. Danach füllt ihr das Chutney sofort heiß in Schraubdeckelgläser. Fertig! Vogelbeerchutney passt als würzige Beigabe prima zur Käseplatte, zum Raclette, zu Fleisch oder Fisch, aber auch zu süßem oder salzigem Gebäck.

Getrocknete Vogelbeeren
Die Beeren lassen sich als vitaminreiche Nascherei, für Vogelbeersalz und Früchtetees ganz einfach trocknen. Verteilt dazu die reifen Vogelbeeren locker auf einem Gitterrost und stellt diesen in einen warmen Raum. Alternativ könnt ihr auch einen Dörrapparat benutzen. Erst vollständig getrocknet, bewahrt ihr die Beeren am besten in einer Papiertüte oder einem Stoffbeutel auf.
Vogelbeersalz
Vermixt getrocknete Vogelbeeren und Salz zu gleichen Gewichtsanteilen miteinander. Je nach Geschmack würzt ihr die Mischung mit Paprikapulver oder Chili. Das rote Salz bringt leichte Würze aufs Brot, an Tomaten, Gurken, aufs Frühstücksei, in den Brotteig oder an Bratkartoffeln.

Gutes Gelingen und viel Spaß mit der Vogelbeere!
Mehr Kräuterwissen gibt’s im Buch von Monika Wurft:
Monika Wurft, Mein Wildkräuterbuch, 2. Auflage März 2020 Ulmer-ISBN: 978-3-8186-1123-1
(Text und Fotos: Monika Wurft)
1.8.2022