Heute schauen wir mit unserer Kräuterfrau und Schwarzwald-Guide Monika Wurft die zarte und gleichzeitig zähe Vogelmiere näher und an und wie nützlich sie uns im Winter sein kann. Und es gibt wieder ein Kräuterbuch zu gewinnen. Mehr darüber weiter unten.
Der Winter klopft zurzeit schon ein bisschen an unsere Türen, doch das Kräutersammeln hört deshalb nicht auf.
Wollt ihr ernten wollt ohne zu säen? Habt ihr Lust, einen neuen Geschmack kennen zu lernen? Dann solltet ihr ein Auge auf die mildwürzige, nach jungen Maiskolben schmeckende Vogelmiere (Stellaria media) aus der Familie der Nelkengewächse werfen. Im Gegensatz zu anderen Wildkräutern, die sich längst zurückgezogen haben, steht uns die wintergrüne Vogelmiere auch in der kalten Jahreszeit zur Verfügung.
Langes Suchen ist nicht nötig
Wie von Zauberhand breitet sich dieses Pflänzchen überall in der Natur aus. Kein Garten, Park, Acker oder keine Waldlichtungen ohne die anpassungsfähige und robuste Vogelmiere. Sie bevorzugt Standorte mit bearbeiteten, offenen Böden und kompostierte Flächen. Deshalb werden die meisten von euch die Vogelmiere aus dem Garten als lästiges Unkraut kennen. Doch daran lässt sich hoffentlich etwas ändern.
Woher der Name?
Wenn euch der deutsche Name Vogelmiere nichts sagt, dann kennt ihr sie vielleicht unter einem anderen Namen? Die Vogelmiere hat viele, regional unterschiedliche Namen wie zum Beispiel Vögelikraut, Hühnerdarm, Hühnermiere, Sternenkraut, Kanarienvogelkraut, Vogelkraut oder Vogelbiss. Diese Namen zeugen meist davon, dass Vögel und Hühner die Pflanze und ihre Samen sehr gerne fressen. Und deshalb machen auch Vogelbesitzer von ihr Gebrauch, um ihre Käfigvögel damit zu füttern.
Daran erkennt ihr die Vogelmiere
Wie ein Netz überwächst dieser stark verästelte Bodendecker ganze Gartenbeete, wenn ihr es zulasst. Gut zu erkennen ist die Vogelmiere an ihren sattgrünen, eiförmigen Blättchen und den kleinen leuchtendweißen, sternförmigen, zarten Blüten. Ihre Hauptblütezeit dauert von März bis in den Oktober. Bei einem flüchtigen Blick auf die Blüten werden die meisten von euch zehn kleine weiße Blütenblätter zählen. Schaut ihr jedoch genauer hin, erkennt ihr, dass es sich nur um fünf Blütenblätter handelt, die jedoch fast bis zum Grunde geteilt sind. Die fadenartigen Stängel der Vogelmiere sind mit einer flaumigen Haarleiste besetzt. Entlang dieser findet jeder Tautropfen den Weg zu den Wurzeln. Zudem strecken sich die runden Stängel netzartig von der Hauptwurzel in alle Richtungen aus.
Zart und zäh
Ihre außergewöhnliche Zähigkeit zeigt sich, sobald ihr an diesen Stängeln zieht. Sie reißen nicht ab, eher habt ihr die ganze Pflanze mitsamt Wurzel in der Hand. Zur Ernte könnt ihr deshalb eine Schere verwenden, um die Stängel abzuschneiden, oder ihr knipst sie mit dem Fingernagel ab. So kann die im Boden verbleibende Wurzel das kleine Kraut schnell wieder nachwachsen lassen. Und das nicht nur im Sommer, sondern gerade auch im Winter, sobald das Thermometer nur einige Grad über Null klettert. Einer fortlaufenden Ernte steht somit nichts im Wege.
Die Vogelmiere war schon vorher da
Die Vogelmiere ist ein so genannter Archäophyt, da ihre Verbreitung mit dem Beginn des Ackerbaus in der Jungsteinzeit zusammenhängt. Als Archäophyten werden Pflanzen bezeichnet, die sich unter menschlichen Einfluss vor 1492 verbreiteten, also vor den Entdeckungsreisen von Christoph Columbus. Als Neophyten werden Pflanzen bezeichnet, die sich nach 1492 neu bei uns ansiedelten. Invasive Neophyten, wie das Indische Springkraut und der Japanische Staudenknöterich, sind eingewanderte Pflanzen die sich so stark vermehren, dass sie die heimische Vegetation verdrängen.
Kein Unkraut
Die Vogelmiere als Archäophyt blickt folglich auf eine sehr lange Geschichte der Verwendung zurück, die von ihrem Einsatz als Hühnerfutter, als Salat- und Suppenpflanze und darüber hinaus als Heilpflanze zeugt. Dieses wuchsfreudige Kraut wurde in der Vergangenheit keinesfalls als lästiges Unkraut empfunden, sondern schon immer als Kulturfolger auf vielfältige Weise von unseren Vorfahren genutzt.
Klein, aber oho: Der grüne Bodendecker hat es in sich
Heutzutage weiß man längst, warum. Denn die Vogelmiere enthält wesentlich mehr Calcium, Kalium, Magnesium, Eisen und Selen als jeder Kopfsalat. Zusätzlich ist sie ein wichtiger Lieferant von Vitamin A, C, und B und enthält darüber hinaus sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wie Saponine, Schleimstoffe und Flavonoide. In der Volksheilkunde wird die Vogelmiere aufgrund ihrer verdauungsfördernden, harntreibenden und schleimlösenden Wirkung unter anderem als Tee bei Husten, Verdauungsbeschwerden und Blasenproblemen verwendet.
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Ernte mit Blüten und Fruchtkapseln -
Zarte weiße Blüte
So geht Vogelmieretee
Für einen Vogelmieretee übergießt ihr zwei Teelöffel frische Vogelmiere mit einem Viertelliter kochendem Wasser und lasst den Sud fünf bis zehn Minuten ziehen. Im akuten Fall könnt ihr nach dem Abseihen zwei- bis dreimal täglich eine Tasse warm trinken. Bei Husten ist eine Kombination mit Spitzwegerich und Thymian empfehlenswert. Äußerlich kommt Vogelmiere-Tee als Umschlag oder Waschung bei Verbrennungen, Hautentzündungen und Wunden zum Einsatz, weil er kühlend, entzündungshemmend und juckreizlindernd wirkt.
Vogelmiere in der Küche
In der Kräuterküche verwendet ihr die Vogelmiere mitsamt ihren weißen, sternförmigen Blüten und ihren Fruchtkapseln. Bei diesem Wildkraut ist, unabhängig von Blütezeit und Samenreife immer Erntezeit.
Mit ihrem mildwürzigen Geschmack erinnert sie an rohe Maiskolben und schmeckt gut als Salatzugabe, zu Käse oder aufs Butterbrot. Durch ihre grüne Farbe setzt sie optische Glanzlichter und wird gerne für Smoothies, Spinat, Suppen, Kräuterbutter, Pestos und grüne Brötchen verwendet.
Geerntet werden die Stängel oder Triebe, wie erwähnt mit einer Schere. Nach dem Waschen schneidet man die Büschel in eine Richtung mit einem scharfen Messer klein, dreht das Bündel um und schneidet noch einmal. So stören die zähen Fäden im Innern der Vogelmiere nicht den Genuss. Als essbare Dekoration auf dem Salat zwickt ihr am besten die zarten Triebspitzen ab und verwendet sie komplett.
Ein Gartenargument
Da die Vogelmiere das ganze Jahr über zur Verfügung steht, schlägt sie für Gartenbesitzer zwei zusätzliche Fliegen mit einer Klappe. Als Unterbewuchs in den Beeten schützt sie den Boden zum einen vor Austrocknung im Sommer und zum anderen vor starker Kälteeinwirkung im Winter. Auch als ausgefallener Bodendecker in Blumentrögen oder Obstkisten, zum Beispiel auf dem Balkon, leistet sie gute Dienste. Dazu könnt ihr einige Stängel zu Büscheln zusammenfassen, im Topf oder Trog mit Erde bedecken und feucht halten. Das reicht aus um die Vogelmiere zum Anwachsen anzuregen. Zudem ist sie mit ihren vielen kapselartigen Früchten eine ergiebige Futterquelle für Wildvögel.
Rezepte
Grüne Brötchen machen nicht nur Kindern Spaß
Zutaten:
- 2 Handvoll Vogelmiere
- ¼ l Buttermilch oder Milch
- 500 g Mehl
- 20 g Hefe
- 100 g Butter
- Salz
Zubereitung:
Vogelmiere waschen, klein schneiden und in der Milch pürieren. Diese Milch mit den übrigen Zutaten zu einem geschmeidigen Teig verarbeiten. Aus dem Teig kleine Brötchen formen, mit dem Messer einschneiden und auf ein mit Backpapier belegtes Backblech setzten. 20 Minuten gehen lassen, bis die Brötchen aufgegangen sind. Dann backt ihr sie bei 200°C 20 bis 25 Minuten im Backofen. Tipp: Die Brötchen könnt ihr vor dem Backen mit Wasser bepinseln und mit zerstoßenen Samen von Knoblauchsrauke, Sauerampfer oder Giersch bestreuen.
Kartoffelsuppe mit Vogelmiere
Zutaten:
- 2 Handvoll Vogelmiere (je nach Jahreszeit auch mit Sauerampfer, Giersch und Brennnessel kombinierbar)
- etwas Öl
- 1 Zwiebel
- 2 Kartoffeln
- ½ l Gemüsebrühe
- 150- 200 ml Milch
- Kräutersalz, Pfeffer, Muskatnuss
- etwas Sahne, Sauerrahm oder Crème fraîche.
Zubereitung:
Die Zwiebel fein hacken und in dem Öl andünsten, die Kartoffeln geschält und gewürfelt dazu geben und mit andünsten. Das Ganze mit der Gemüsebrühe und der Milch ablöschen und weichkochen. In der Zwischenzeit könnt ihr die Vogelmiere waschen, fein schneiden und am Schluss in der Suppe kurz gar köcheln lassen. Dann püriert ihr die Suppe mit einem Stabmixer und schmeckt sie mit Kräutersalz, Gewürzen und einem Schuss Sahne, Sauerrahm oder Crème fraîche nach eigenem Geschmack ab.
Tipp Die Suppe könnt ihr mit gerösteten Sonnenblumen- oder Kürbiskernen bestreut servieren und genießen!
Viel Freude und guten Appetit mit dem Kraftpaket Vogelmiere!
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Schickt bis zum 30. November 2021 eine E-Mail mit der Antwort an redaktion@naturparkschwarzwald.blog, schreibt „Vogelmiere“ in den Betreff und eure Kontaktdaten in den Mailtext, damit wir euch gegebenenfalls den Gewinn zusenden können. Mit der Teilnahme akzeptiert ihr unsere Teilnahmebedingungen.
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(Text und Fotos: Monika Wurft)
5.11.2021