„GeoTourer“ und Schwarzwald-Guides: Eine (erd-)geschichtliche Reise durch Ottenhöfen
Im Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord laufen immer wieder Fäden und Projekte zusammen. So gibt es hier mittlerweile 22 GeoTouren, auf denen Groß und Klein die Erdgeschichte der letzen paar hundert Millionen Jahre im Schwarzwald entdecken können. Geistiger Vater, Erfinder und Konzeptgestalter dieser GeoTouren ist der Geograf Dr. Andreas Megerle aus Waldbronn. Damit nicht genug: Er bildet auch Schwarzwald-Guides mit aus. Und so kam es zu der folgenden Geschichte, die uns Melanie Steinlein, Leiterin der Tourist-Information Ottenhöfen, zur Verfügung gestellt hat.
Nicht nur die Einheimischen wissen, dass der malerische Luftkurort Ottenhöfen allerlei zu bieten hat. Auch zahlreiche Touristen aus Nah und Fern zieht es das ganze Jahr über ins Achertal, um die einzigartige Naturkulisse des Schwarzwalds und die badische Gastfreundschaft zu erleben. Am Nachmittag des 11. November besuchte allerdings eine besonders illustre Gruppe das Mühlendorf. Seltsam ausgestattet mit Hämmern, Lupen und sogar Geigerzählern fielen sie ins Auge – allerdings hatten sie nichts mit den Hästrägern des Schwarzwalds gemein. Es handelte sich um die Geo-Gruppe aus Calw im Nagoldtal, die mit dem im Naturpark sehr bekannten Geografen Dr. Andreas Megerle regelmäßige „Geo-Spotting“-Exkursionen unternimmt.

Hobby-Geologen und Schwarzwald-Guides
Die Hobby-Geologen besuchen aus geologischer Sicht besonders interessante und spannende Orte. Diese erzählen dem geübten Auge etwas über die Erdgeschichte und versprechen darüber hinaus mit etwas Glück einige besondere Mineralienfunde. Zur Geo-Gruppe aus Calw gesellte sich noch eine weitere Schar. Teilnehmerinnen und Teilnehmer des diesjährigen Ausbildungskurses zum Schwarzwald-Guide fanden den Weg aus dem ganzen Naturpark nach Ottenhöfen, um sich den Steinsuchern rund um Dr. Megerle anzuschließen.


Die rund 30 Personen folgten alle der Einladung von Melanie Steinlein, der Leiterin der Ottenhöfener Touristinformation. „Ich freue mich unheimlich, dass so viele von ihnen den Weg ins schöne Ottenhöfen gefunden haben“, begrüßte Steinlein die Gäste und meinte weiter: „Ich bin mir sicher, sie werden alle begeistert sein.“ Steinlein hatte in diesem Jahr selbst ihre Ausbildung zur Schwarzwald-Guide abgeschlossen und hierdurch Kontakte im gesamten Schwarzwald geknüpft – für sie ein Grund, den Anderen einmal ihre Wirkungsstätte vorzustellen. Hierbei hatte sie ein besonderes Programm organisiert, bei dem sie engagierte Ottenhöfener tatkräftig unterstützten.
Später Tanz auf dem Vulkan
Los ging es am Steinbruch der Firma Wilhelm Bohnert im Gottschlägtal. Werksleiter Jan Steibelt nahm die Gruppe in Empfang und erzählte von der Geschichte des Steinbruchs, die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Das Gestein, das ab den 1920er-Jahren großes Interesse und den Geschäftssinn des Firmengründers Wilhelm Bohnert weckte, ist der so genannte Grünberg-Quarzporphyr. Das ist ein besonders hartes Gestein, das bis heute die höchsten Anforderungen für Bahnschotter erfüllt. Bei einer Führung über das Werksgelände erfuhren die Teilnehmer mehr über die Abbaumethoden und die Vorteile regional produzierter mineralischer Schüttgüter.



So fällt der Flächenverbrauch im Tagebau aufgrund der hohen Abbauhöhe relativ gering aus und den Transport kann das Unternehmn dank der betriebseigenen Bahnverladestation sehr effizient betreiben. Ergänzend zu den Ausführungen Steibelts erklärte Megerle den Teilnehmern die geologischen Hintergründe. „Sie stehen hier auf einem ehemaligen Vulkan“, so der Geograf. „Die Lava ist allerdings schon seit fast 300 Millionen Jahren erkaltet.“
Tagebau für den Rucksack
Dann folgte für die Hobby-Geologen aus der Gruppe der Moment, auf den sie gewartet hatten. An einem so genannten „Klopfplatz“, hieß es „Hammer frei“, worauf die Suche nach den besten und seltensten Mineralien begann. Objekt der Begierde waren dabei vor allem Turmaline, Manganerze und Dentriten. Die Funde konnten die Mineraliensucher dank Megerles Expertise gleich vor Ort bestimmen. Die schönsten Stücke durften sie selbstverständlich mitnehmen, was dazu führte, dass der eine oder die andere einen schwer gefüllten Rucksack zurück zum Parkplatz zu schleppen hatte.
Hier nahm dann auch schon Matthias Rohrer die Gruppe in Empfang. Rohrer stelle sich als einer der Mühlenbauer der Ottenhöfener Trachten- und Volkstanzgruppe vor. Er lud dazu ein, ihn zur Mühle am Hagenstein zu begleiten, die im Volksmund auch „Koppmühle“ genannt wird. Eine kurze Autofahrt und einen nicht weniger kurzen Fußmarsch später standen die Teilnehmer am Ufer der Acher. „Ottenhöfen heißt nicht ohne Grund ‚Mühlendorf’“ meinte Rohrer, denn „hier galt es früher als Zeichen des Wohlstands, sich eine eigene Mühle leisten zu können.“


Ehrenamtliche retten die Mühle
Leider sind viele dieser schönen Mühlen im Laufe der Zeit verfallen. Die Trachten- und Volkstanzgruppe Ottenhöfen hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses typische Kulturgut der Region wieder herzurichten, zu erhalten und für interessierte Menschen erlebbar zu machen. So baute sie die Kopp-Mühle Anfang der 80er-Jahre in ehrenamtlicher Arbeit komplett wieder auf. Im Jahr 2013 gelang Rohrer und seinem Team dann sein „Gesellenstück“: ein neues Wasserrad für die Kopp-Mühle. „Niemand konnte uns so richtig sagen,wie sowas geht“, so Rohrer schmunzelnd, „aber was am Schluss dabei herausgekommen ist, kann sich sehen lassen.“ Selbstverständlich nahm die Gruppe das Wasserrad genau in Augenschein und befand es einstimmig für sehr gelungen.
Zur Belohnung durften die Teilnehmer dann auch einen Blick in die Mühle werfen, wo Rohrer die genaue Funktionsweise des Mahlwerks erklärte und alle Fragen dazu beantwortete. Nur ein Raum im oberen Stockwerk der Mühle schien offensichtlich für die Besucher verschlossen zu bleiben und viele fragten sich, was sich hinter dieser Türe wohl verbirgt.


Es dauerte nicht lange und die Türe öffnete sich. Melanie Steinlein erschien und bat einzutreten. Ein Tisch voller Leckereien erwartete die Besucher. Von Steinlein am frühen Morgen des Tages selbst gebackene Blätter- und Hefeteigleckereien schafften eine gute Grundlage für eine Auswahl exklusiver Weine aus der Region. Da Steinlein nicht nur Schwarzwald-Guide, sondern auch noch Wein-Guide ist, wusste sie natürlich einiges zu den feinen Tropfen in den Gläsern zu erzählen.
„Und, habe ich Ihnen zu viel versprochen?“, fragte Steinlein gegen Ende des Tages in die Runde. Die zufriedenen Gesichter um sie herum sagten mehr als tausend Worte. Hie und da erklang es unüberhörbar: „Das ist sicher nicht das letzte Mal, dass ihr uns in Ottenhöfen seht!“ Und wenn man den Plänen glauben mag, die auf dem Rückweg zu den Autos von einzelnen bereits geschmiedet wurden, mag das wohl auch nicht lange auf sich warten lassen.

(Fotos: Nicolai Stotz)
17.11.2022