Auf euch wartet eine Überraschung am Wegesrand! Wenn ihr in den letzten Tagen die auffallenden blauen Blüten der Wegwarte entdeckt, dann seid ihr vielleicht erstaunt über ihr plötzliches Erscheinen. Denn vor der Blüte und sogar während der Blütezeit wird die Pflanze häufig übersehen. Warum das so ist, nimmt unsere Kräuterfrau Monika Wurft, Schwarzwald Guide und Kräuterpädagogin aus Schiltach, heute mit uns unter die Lupe. Weiter unten findet ihr wieder ein Preisrätsel, bei dem ihr ein Exemplar „Mein Wildkräuterbuch“ von Monika Wurft gewinnen könnt.
Blume mit vielen Namen
Die Wegwarte – auch unter den Namen Zichorie, Sonnenwirbel, Hansel am Weg, Sonnenbraut und Wegeleuchte bekannt – hat einige Überraschungen zu bieten. Die Wildpflanze tarnt sich durch ihre spezielle Wuchsform und ihrer halbtägige Blühdauer. Doch fangen wir ganz von vorne, im Frühling an. Zunächst erscheinen ihre grob gezähnten Grundblätter in einer kräftigen Rosette, die an übergroße Löwenzahnblätter erinnern. Dann schiebt sie ihre bis zu 1,5 Meter hohen, rauhaarigen Stängel in die Höhe, die nur spärlich mit spitzen, lanzettlichen Blättern besetzt sind. Durch diese Wuchsform wirkt die Wegwarte luftig und durchlässig und wird trotz ihrer stattlichen Größe meist nicht wahrgenommen.
Tägliche Blühzeiten
Jetzt geht es los! Die Wegwarte aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae) beginnt zu blühen und wird plötzlich weithin sichtbar. In ihrer Blütezeit, von Juni bis in den Herbst hinein, ist sie übersät mit auffallend blauen, 2,5 bis vier Zentimeter großen Blütenkörbchen, die in den Blattachseln und am Ende ihrer sparrig verzweigten Stängel und Ästchen sitzen. Mit weiteren Besonderheiten macht die Wegwarte sich jedoch wieder unsichtbar. Die Wildform der Wegwarte, Cichorium intybus, blüht nur bei vollem Sonnenschein und auch nur in einer Zeitspanne von ungefähr sechs Uhr morgens bis zwölf Uhr mittags. Dieses Schauspiel wiederholt sich Tag für Tag und macht die Wegwarte so einzigartig.
Solltet ihr immer nachmittags an ihren Standorten vorbeischauen, dann entgeht euch dieses Schauspiel, denn ohne ihre hellblauen Blüten ist sie plötzlich wieder total unauffällig und ihre Stängel wirken sogar wie abgestorben. Mein Tipp: An Regentagen und nach dem Mittagessen geschlossen! Die Wegwarte kann mit Kindern zur Blumenuhr und zum Wetterorakel hergenommen werden. Für einen bunten Blumenstrauß taugt sie aufgrund dieser Eigenschaften allerdings nicht.
Verwunschene Braut
Der Legende nach ist die mit blauen Blüten übersäte Wegwarte eine zu Zeiten der Kreuzzüge verzauberte Braut, die am Wegesrand steht und auf die Rückkehr ihres Liebsten wartet. Ihrem Namen macht sie auch dadurch alle Ehre, dass sie an steinigen, sonnigen und trockenen Wegrändern wächst, selbst entlang von Landstraßen und an Bahndämmen. Heutzutage ist dieser extreme Lebensraum jedoch durch Straßenbau und Pestizide so eingeengt, dass man sie immer seltener wild findet. Bei uns in Schiltach wurde sie entlang der Bundesstraße auf einem Blühstreifen extra angesät. Alle die vormittags unterwegs sind, zeigen sich begeistert von der zumindest in unserer Region beinahe in Vergessenheit geratenen Wegwarte.
Die Wegwarte ist auch küchentauglich!
Die meisten wissen sofort etwas mit der Wegwarte anzufangen, wenn ihr botanischer Name Cichorium intybus ins Spiel kommt. Aus ihrer kräftigen Pfahlwurzel wurde und wird heute noch, als Ersatz für Bohnenkaffee, der so genannte Zichorien-Kaffee hergestellt. Entweder in Reinform oder als Gemisch mit Gerste und Roggen schmeckt dieser Kaffeeersatz total lecker. Für Schwangere, stillende Mütter und für „Koffein-Vermeider“ aus anderen Gründen ist das eine prima Alternative.
Für die Kräuterküche könnt ihr die zarten Rosettenblätter im Frühjahr als Rohkost im Salat verwenden. Die älteren bittereren Blätter eignen sich immer noch gegart als Wildgemüse, in Spinat, Suppen und Saucen. Die jungen, zarten Stängel der Wegwarte könnt ihr ebenso als Gemüse dünsten oder dämpfen. Die blauen Blüten werden als farbige Dekoration über Salate, in Kräuterquark, Blütenbutter, Obstsalaten oder als Brotbelag zur Augenweide.
Wegwarte hilft bei vielen Beschwerden
In ihrer Verwendung als Heilpflanze ist die Wegwarte heutzutage beinahe in Vergessenheit geraten, obwohl sie schon im Altertum verwendet wurde. Sie enthält Bitterstoffe, Gerbstoffe, Vitamine, Mineralstoffe und in den Wurzeln zudem noch Inulin. Wegwartenwurzel und -kraut zählt zu den so genannten Tonikum amarum, zu den Bitterstoffdrogen. Diese kommen bei Appetitlosigkeit, zur Förderung der Verdauung, bei Leberstörungen, Kopfschmerzen und als harn- und gallentreibendes Mittel zum Einsatz. Anwendungsformen sind Tee, Tinktur und Frischpflanzensaft aus frischer oder getrockneter Wegwartenwurzel und dem Kraut der Wegwarte. Ihre Wurzeln erntet ihr dazu von September bis ins Frühjahr. Diese könnt ihr auch selbst rösten und wie Kaffee verwenden, als Gemüse zubereiten oder ihr setzt aus Wurzeln, Kraut und Blüte der Wegwarte einen Magenbitter oder einen Likör an.
Für euren Garten
Als Wintersalat werden Kulturformen der Wegwarte wie Chicorée und Zuckerhut, Radicchio oder Endivie in vielen Gärten angebaut. Um die Wegwarte anzusiedeln, lasst ihr einfach einen dieser kultivierten Wintersalate wachsen, damit er im kommenden Jahr zur Blüte kommen kann. Es entwickelt sich wieder eine Wegwarte daraus und durch die Samen verselbstständigt sich die Pflanze in eurem Garten. Mit ihrer bizarren Wuchsform und den blauen Blüten ist die Wegwarte eine Augenweide für jedes sonnige Staudenbeet und bringt trockene Steingärten durch ihre blauen Blüten zum Leuchten, zumindest vormittags. Zur laufenden Ernte als Wildgemüse oder für die Hausapotheke empfiehlt sich die Aussaat der Wegwarte in Reihen im Gemüsebeet.
Rezept Magenbitter
Zutaten:
- 1 Stück Wegwartenwurzel
- ¾ l Doppelkorn 36 Vol. %.
Zubereitung:
Die Wurzel bürstet ihr unter fließendem Wasser gründlich ab, gebt sie in eine Flasche mit großer Öffnung und übergießt sie mit dem Schnaps. Rund sechs Wochen bei Raumtemperatur ausziehen lassen. Die Wurzel sollte nicht aus dem Alkohol herausragen, da sie sonst schimmeln könnte. Danach gießt ihr das Ganze ab und füllt den Magenbitter in eine dekorative Flasche um. Tipp: Alternativ könnt ihr auch Löwenzahnwurzeln verwenden.
Rezept Blütenlikör
Zutaten:
- 1 Handvoll verschiedenste Blüten von Wegwarte, Rosen, Mädesüß, Wiesenklee
- ¾ l Obstwasser 32 Vol. %
- 50 g Kandiszucker.
Zubereitung:
Die Blüten gebt ihr mit dem Zucker in eine Flasche und übergießt das Ganze mit dem Schnaps. Bei Raumtemperatur sechs bis acht Wochen ausziehen lassen. Danach abfiltern und in einer dekorativen Flasche nachreifen lassen.
Rezept Zichorienkaffee
Die Wegwarte ist durch den Zichorienkaffee berühmt geworden. Für diese bitterstoffreiche, gesunde Kaffeevariante werden ihre Wurzeln geröstet, gemahlen und wie Kaffee aufgebrüht.
Zubereitung:
Einige Wegwarten mit Wurzeln ausstechen, gründlich unter fließendem Wasser abbürsten und die Rinde etwas abschaben. Die Wurzeln schneidet ihr dann klein und röstet sie in einer Pfanne oder im Backofen kräftig an. Sie sollten sich kaffeebraun verfärbt haben und einen typischen Röstgeruch verströmen. Mit Hilfe einer Kaffeemühle mahlt ihr die Wurzelstücke fein und brüht das Pulver, mit einem Teelöffel pro Tasse, genau wie Bohnenkaffee auf. Ein bitterherber, gesunder Genuss!
Wildpflanzenquiz: Richtig oder falsch?
Preisfrage: Die Wildform der Wegwarte blüht nur vormittags. Falsch oder richtig?
Schickt bis zum 31. Juli 2020 eine E-Mail mit der Antwort an redaktion@naturparkschwarzwald.blog, schreibt „Wegwarte“ in den Betreff und eure Kontaktdaten in den Mailtext, damit wir euch gegebenenfalls den Gewinn zusenden können. Mit der Teilnahme akzeptiert ihr unsere Teilnahmebedingungen.
Das könnt ihr gewinnen:
1 Exemplar „Mein Wildkräuterbuch“ von Monika Wurft.
Falls ihr nicht gewinnt und es trotzdem erwerben möchtet:
Monika Wurft,
Mein Wildkräuterbuch, 2. Auflage März 2020
Ulmer Verlag ISBN: 978-3-8186-1123-1, 16,95 Euro
• 30 Wildpflanzen, zum Entdecken, Sammeln und Genießen.
• Ein Buch für alles: Bestimmen, Ernten, Verarbeiten.
• Gespickt mit über 200 Fotos zu Pflanzendetails und Rezepten.
Mit viel Heilpflanzenwissen, Natur- und Gartentipps, praktischen Hinweisen zur Ernte, zur Verwendung in der Küche und mit vielen feinen Rezepten.
Kräuterführung zurzeit online: www.monika-wurft.de
(Text: Monika Wurft, Fotos: Monika Wurft, Stefan Dangel)
14.7.2020