Heute schauen wir mit unserer Kräuterfrau und Schwarzwald- Guide Monika Wurft ein Frühlingskraut an, das sich gut zu tarnen weiß und vor der Blütezeit deshalb gerne übersehen wird: die Weiße Taubnessel. In der Wildkräuterküche geht es inzwischen richtig zur Sache. Überall drücken feine, kleine Triebspitzen aus der Erde und neben zartem Giersch, Scharbockskraut, Wiesenknopf und zarten Brennnesselspitzen könnt ihr zur Ernte auch ein gut getarntes Frühlingskraut finden.
Wer bin ich?
In der Wildkräuterküche wird diese Pflanze wegen ihres angenehmen pilzigen Aromas besonders geschätzt. Ihre ersten zarten Triebspitzen kommen als Beigabe zu Salaten, im Spinat, zu Gemüsegerichten, in Bratlingen, Gemüsefüllungen und in Kräuterbutter zum Einsatz. Ihre Blütezeit erstreckt sich in der Regel von April bis Oktober. Dann werden ihre honigsüßen, weißen Blüten als essbare Dekoration über Salate gestreut, zu Süßspeisen oder in Likör verwendet oder einfach nur von menschlichen und tierischen Leckermäulern ausgesaugt.
Des Rätsels Lösung
Auf den ersten Blick sieht diese Pflanze der Brennnessel täuschend ähnlich. Sie imitiert sie und ist überall dort zu finden, wo Brennnesseln wachsen. Von der Hecke bis zum Wegesrand, an Waldrändern, auf Ruderalflächen und gerne in Gemeinschaft anderer naher Verwandter. Die Rede ist von der Weißen Taubnessel (Lamium album), die sich als Täuscher und Trickser der Brennnessel angepasst hat. Ihre Tarnung fliegt spätestens bei Berührung auf, wenn sie nicht „brennt“! Sie ist nämlich „taub“, da sie keine Brennhaare wie die Brennnessel hat. Diese „tauben“ oder „zahmen Nesseln“ haben damit eine besondere Strategie entwickelt, um sich vor Fraßfeinden zu schützen. Wenn sich Hase oder Reh an Brennnesseln im wahrsten Sinne des Wortes „das Maul verbrannt“ haben, lassen sie auch die Taubnesseln aufgrund der Ähnlichkeit links liegen. So kann die Taubnessel im Schatten der Brennnessel ihr gesichertes Dasein fristen.
Wir lassen uns nicht täuschen
Bei uns Menschen funktioniert diese Strategie nicht. Wir lassen sie nicht links liegen, uns fallen ihre weißen Blüten auf und unsere Wertschätzung ihr gegenüber drückt sich in weiteren Namen aus, die wir der Taubnessel verpasst haben. Als Bienensaug, Blumennessel und Honignessel, gehört die Weiße Taubnessel mit ihrem feinen Aroma und den duftenden Blüten zur Familie der „duften Lippenblütler“ wie Dost, Gundermann, Thymian und Lavendel.
So erkennt ihr die Weiße Taubnessel
Wenn ihr euch die Weiße Taubnessel über den Sommer genauer anschaut, entdeckt ihr einen für Lippenblütler typischen, vierkantigen Stängel. An diesem schütter-behaarten Stängel, der bis zu 50 Zentimeter hoch werden kann, sitzen sich die brennnesselähnlichen, grob gezähnten Blätter kreuzgegenständig gegenüber, das heißt immer paarweise über Kreuz versetzt. Auffallend an der Weißen Taubnessel sind die weißen, ein bis zwei Zentimeter großen und nach Honig duftenden Lippenblüten, die in Blütenquirlen in den Achseln der oberen Blätter sitzen. Diese Blüten bieten ihren Nektar in einer tiefen Schlundröhre an, umrahmt von einer Ober- und einer Unterlippe. Der Gattungsname Lamium, bezieht sich mit „lamos“= Schlund darauf und der Artname Album kommt von „albus“= weiß.
In der Volksheilkunde wird die Weiße Taubnessel wegen ihrer Gerbstoffe, Saponine, Schleimstoffe, ätherischen Öle, Mineralstoffe und Spurenelemente ebenfalls verwendet. Sie kommt bei Erkältungskrankheiten, Magen- und Darmproblemen und in der Frauenheilkunde bei klimakterischen Beschwerden und Menstruationsbeschwerden zum Einsatz. Äußerlich sind Umschläge bei schlecht heilenden Wunden, Verbrennungen und bei Juckreiz hilfreich.
Teezubereitung
1-2 TL frisches Taubnesselkraut und Blüten übergießt ihr mit ¼ l kochendem Wasser und lasst den Sud 5 Minuten ziehen. Danach wird abgeseiht und ihr trinkt zwei- bis dreimal täglich 1 Tasse frisch aufgebrüht oder ihr verwendet den Tee äußerlich für Umschläge. Taubnesseln könnt ihr – mit anderen Kräutern gemischt – für einen Haustee nutzten. Dazu empfiehlt es sich, diese und andere Kräuter über die Sommersaison für den Wintervorrat zu trocknen. Wenn ihr sie getrennt aufbewahrt, könnt ihr im Winter immer wieder neue Teemischungen kreieren.
Gut zu wissen, dass die Taubnessel im Naturgarten Hummeln als wichtige Bestäuber anlockt und diese im Gegenzug mit Nektar belohnt. Hummeln sind auch bei kühler Witterung unter zwölf Grad schon unterwegs, wenn Bienen ihre Aktivität noch gar nicht aufnehmen. Auf diese Weise angelockt werden auch Obstbäume an kühlen Frühlingstagen bestäubt. Der Name „Bienensaug“ ist etwas irreführend, da nur Hummeln mit ihrem langen Rüssel den Blütennektar in der Schlundröhre erreichen. Bienen beißen sich von außen ein Loch in die Röhre und bedienen sich am Nektar ohne im Gegenzug für die Bestäubung zu sorgen. Vielen von euch werden Taubnesselblüten aus Kindertagen in guter Erinnerung sein, wo sie wegen ihres süßen Nektars ausgelutscht wurden.
Ernte
Mit den Blättern und Triebspitzen der Weißen Taubnesseln als ergiebiges Wildgemüse können ihr ab sofort bis in den Sommer hinein aus dem Vollen schöpfen. Die weißen Blüten erweitern das Ernteangebot. Bunt wird’s, wenn die Blüten von anderen Taubnesseln mitverwendet werden. Denn die Goldnessel (Lamium galeobdolon) mit hellgelben Blüten, die Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum) mit rotvioletten Blüten, oder die kleinere Rote Taubnessel (Lamium purpureum) mit ihren purpurroten Blüten sind ebenfalls essbar. In der Wildkräuterküche kommt die Taubnessel gerne in Kombination mit anderen Wildkräutern zum Einsatz. Eurer Kreativität könnt ihr einfach freien Lauf lassen.
Rezepte
Wildkräuter-Lasagne
Zutaten
- 4 Handvoll Wildkräuter wie Taubnessel, Brennnessel, Giersch, Vogelmiere und Sauerampfer
- 1 große Zwiebel
- etwas Butter
- Muskat
- Salz, Pfeffer
- Zitronensaft
- 300 g geriebener Käse
- 1 Packung grüne Lasagneblätter
Für die Soße
- 50 g Butter
- 20 g Mehl
- 500 m l Milch
- Kräutersalz
- Pfeffer
- Muskatnuss.
Zubereitung Soße
Die Butter zerlasst ihr in einem Topf und schwitzt das Mehl darin an. Mit der Milch aufgegossen lasst ihr die Soße einmal unter Rühren aufkochen und schmeckt sie mit den Gewürzen kräftig ab.
Zubereitung Wildgemüse
Das gewaschene Wildgemüse schneidet ihr in feine Streifen und dünstet es mit der klein geschnittenen Zwiebel in etwas Butter an. Das Ganze würzt ihr mit Zitronensaft, Salz, Muskat und Pfeffer.
Fertigstellung Lasagne
Ihr buttert eine feuerfeste Auflaufform ein und beginnt mit einer dünnen Schicht Wildgemüse. Darauf folgen abwechselnd Lasagneblätter, Soße, Wildgemüse. Über die letzte Schicht Lasagneblätter verteilt ihr die restliche Soße und belegt die Lasagne dick mit Käse. Dann backt ihr die Lasagne bei 180° Grad Umluft etwa 30 bis 40 Minuten im Backofen, bis sie goldbraun und knusprig ist.
Taubnesselomelette
Zutaten
- 2 Handvoll Taubnessel Blätter und Triebspitzen
- 3 Eier
- etwas Milch
- Salz, Pfeffer
Zubereitung
Eier, Milch und Gewürze miteinander verrühren. Die klein geschnittenen Taubnesseln unterheben und alles in einer Pfanne mit etwas Butter oder Öl zu einem Omelette ausbacken.
Taubnessel-Trunk
Zutaten
- 2 Handvoll Taubnessel- Blätter und -Triebspitzen
- 200 ml Obstsaft nach Geschmack.
Zubereitung
Die Taubnesseln zerkleinert ihr grob, bevor ihr sie mit dem Saft zusammen in einem Mixer fein püriert. Ihr könnt den Trunk als Smoothie dickflüssig trinken oder durch ein Sieb streichen und den aufgefangenen Saft in kleinen Gläschen verteilen und mit Blüten und Blättchen dekoriert servieren.
Tipp: Variationen mit anderen Kräutern oder Obststücken möglich.
Viel Freude mit der trickreichen Weißen Taubnessel!
Mehr Kräuterwissen gibt’s im Buch von Monika Wurft:
Monika Wurft, Mein Wildkräuterbuch, 2. Auflage März 2020 Ulmer-ISBN: 978-3-8186-1123-1
(Text und Fotos: Monika Wurft)
30.3.2022