Die Auen-Schenkelbiene (Macropis europaea) ist ein Exot unter den 585 Wildbienenarten in Deutschland: Sie sammelt für ihren Nachwuchs nämlich neben Blütenpollen nicht Nektar, wie alle anderen Bienen, sondern Pflanzenöl. Sie und ihre Schwester, die Wald-Schenkelbiene (Macropis fulvipes), sind die einzigen Wildbienenarten in Mitteleuropa, die Pflanzenöl sammeln. Das Kuratorium „Wildbiene des Jahres“ hat diese interessante Art deshalb für 2020 gewählt.
Noch ist diese Wildbienenart in den meisten deutschen Bundesländern nicht gefährdet, denn die für sie wichtigste Pflanze, der Gilbweiderich – besser bekannt als Felberich – ist noch weit verbreitet. Und in unseren Gärten wächst oft der gelb blühende, ölhaltige Punkt-Gilbweiderich (Lysimachia punktata). Das heißt aber nicht, dass die Auen-Schenkelbiene zuckerhaltigen Nektar verschmäht, im Gegenteil. Denn das erwachsene Tier braucht ihn als eigene Energieversorgung. Dazu muss sie aber andere, unterschiedliche Pflanzenarten anfliegen, möglichst in der Nähe des Felberichs, der ihr keinen Nektar bietet. Dessen Öl jedoch vermischt sie mit Pollen zu einem „Ölkuchen“ und legt damit einen Futtervorrat für ihre Brut an.
Larvenproviant an den Schenkeln
Die Auen-Schenkelbiene ist rund acht bis neun Millimeter lang und damit ein wenig kleiner als die Honigbiene. Sie hat einen schwarzen Chitinpanzer, der besonders am Hinterleib stark glänzt. Die Weibchen besitzen schneeweiße Sammelhaare an den Hinterbeinen, mit denen sie den Larvenproviant aufnehmen. Dieser wirkt krümelig und wachsartig. Die Männchen haben ein hellgelbes Gesichtsfeld und deutlich verdickte Hinterbeine, daher der Name Schenkelbiene.
Verwechslung mit engen Verwandten
Die nahe verwandte Wald-Schenkelbiene sieht sehr ähnlich aus, nur die Weibchen unterscheiden sich etwas deutlicher: Die Sammelhaare an den Hinterbeinen sind bei der Wald-Schenkelbiene an den Schienen und ersten Fußgliedern eher einfarbig gelbbraun, ohne den klaren Schwarzweiß-Kontrast. Zudem ist die Behaarung der Vorder- und Mittelbeine bei den Weibchen der Wald-Schenkelbiene gelb, bei unserer Wildbiene des Jahres dagegen schwarz.
Parasit aus dem Wildbienenlager
Zwar sind die Schenkelbienen die einzigen, die aktiv Pflanzenöl sammeln, aber eine weitere Wildbienenart hat sich gewissermaßen darauf spezialisiert. Die Schmuckbiene nämlich legt heimlich ein Ei auf den Futtervorrat im Nest der Auen- oder der Wald-Schenkelbiene und macht sich schleunigst wieder vom Acker. Diese Verhaltensweise eines Kuckucks hat sie mit rund einem Viertel der Wildbienen gemeinsam. Ihre Larve ernährt sich vom Ölkuchen und schlüpft im kommenden Sommer als fertige Schmuckbiene aus dem Nest der Schenkelbiene.
Hier seht ihr die Auen-Schenkelbiene in Aktion:
So könnt ihr der Wildbiene des Jahres helfen
Auch wenn der Gilbweiderich oder Felberich in der Natur noch weit verbreitet ist, so ist er in unseren Gärten ebenfalls eine wichtige Nahrungsquelle. Ihr helft der Wildbiene des Jahres, wenn ihr eine Ecke im Garten für den üppig blühenden Felberich reserviert und dafür sorgt, dass auch ein paar heimische, mehrjährige Nektarblüten dort wachsen. Die Auen-Schenkelbiene nistet wie die meisten Wildbienen im Boden. Ein paar Flecken mit lockerem Boden und nicht so dichtem Bewuchs wird sie euch danken! Und bitte nicht zur Blütezeit mähen.
(Fotos: Dick Belgers/wikipedia/waarneming.nl, Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de; R. Prosi, I. Mühlberger, H. Bellmann, Annette Meyer/pixabay)