Zum zehnten Mal ist die „Wildbiene des Jahres“ gekürt worden. Die „Jahresbiene“ soll einen Einblick in die spannende und weithin unbekannte Welt dieser wichtigen Blütenbestäuber zu gewähren. Nicht selten sorgen allein die deutschen Namen für einen „Aha-Effekt“. So auch bei der Rainfarn-Maskenbiene.
Fast wie eine schwarze Wespe
Das Kuratorium „Wildbiene des Jahres“ hat für 2022 eine Biene gewählt, die auf den ersten Blick eher an eine kleine schwarze Wespe oder eine Ameise erinnert. Die Rainfarn-Maskenbiene gehört zur Gattung der Maskenbienen, die in Deutschland 39 Arten umfasst. Maskenbienen zählen mit höchstens neun Millimetern Körpergröße zu den kleinen Vertreterinnen unserer Wildbienen-Fauna. Die Tiere sind schwarz gezeichnet mit verschiedenen weiß gefärbten Körperpartien. Insbesondere die Kopfzeichnung ist charakteristisch. Die weißen Gesichtsmasken, die vor allem bei den Männchen ausgeprägt sind, haben der Gattung ihren deutschen Namen eingetragen. Maskenbienen sind nur sehr spärlich behaart und unterscheiden sich so deutlich von den oft pelzigen Vertreterinnen anderer Wildbienen-Gattungen.
Männchen mit elfenbeinweißer Gesichtsmaske
Die Rainfarn-Maskenbiene (Hylaeus nigritus) ist nur schwer von anderen Maskenbienenarten zu unterscheiden. Am besten lassen sich die Männchen der Wildbiene des Jahres 2022 anhand ihrer auffällig glänzenden Gesichtsmaske erkennen. Sie erscheint wie mit Emaille beschichtet scheint und ist elfenbeinweiß gefärbt.
Die Rainfarn-Maskenbiene sucht den Rainfarn
Einen wichtigen Hinweis auf die Artzugehörigkeit gibt der namensgebende Blütenbesuch. Die Rainfarn-Maskenbiene fliegt von Ende Mai bis Ende August. Sie besucht zum Pollensammeln ausschließlich Pflanzenarten aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Sie bevorzugt den Rainfarn (Tanacetum vulgare), doch sammelt die Wildbiene des Jahres 2022 regelmäßig auch an anderen Korbblütlern. Zum Beispiel an der Färber-Kamille (Anthemis tinctoria), der Margerite (Leucanthemun vulgare) oder der Wiesen-Schafgarbe (Achillea millefolium). Weil die meisten Nahrungspflanzen der Rainfarn-Maskenbiene an sehr unterschiedlichen Standorten vorkommen und derzeit ungefährdet sind, besiedelt Hylaeus nigritus verschiedene Lebensräume im Offenland und auch in unseren Siedlungen.
Weibchen sammeln Pollen im Kropf
Da die Weibchen keine „Bürsten“ an den Hinterbeinen oder am Bauch zum Pollentransport haben, müssen sie eine andere Methode einsetzen. Sie verschlucken den Pollen und tragen ihn in ihrem Kropf zum Nest („Kropfsammler“). Dort spuckt sie ihn gemeinsam mit dem Nektar wieder aus. Die Larven entwickeln sich mit diesem von der Mutterbiene eingetragenen Vorrat über das Ruhestadium der Puppe zu voll entwickelten Maskenbienen. Diese verlassen im Sommer des Folgejahres das Nest.
Für die Anlage ihres Nests nutzt die Rainfarn-Maskenbiene vorhandene Hohlräume. Beispielsweise Spalten zwischen Steinen, Risse in erdigen Abbruchkanten, Klüfte in Trockenmauern oder auch in Betonwänden. Das Nest besteht in der Regel aus fünf bis 20 in Reihe angelegten Brutzellen. Das Weibchen kleidet sie mit einem seidenartig schimmernden, transparenten Sekret aus.
Mehr regionale Blütenvielfalt für Insekten
Hylaeus nigritus gilt deutschlandweit und in den meisten Bundesländern nicht als gefährdete Art. Doch macht ihr die Verarmung des Blütenangebots in der offenen Landschaft und auch in unseren Städten und Dörfern zu schaffen. Das ist eines der größten Probleme für unsere Wildbienen insgesamt.. In der der Feldflur haben wir kaum einen direkten Einfluss auf das Nahrungsangebot für blütenbesuchende Insekten. Doch können wir im Siedlungsraum sehr effektiv helfen, etwa in Gärten und öffentlichen Grünanlagen.
Genau darum bemüht sich der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord mit seinem Projekt „Blühender Naturpark„. Der Schlüssel für die wirksame Unterstützung der Insekten ist dabei der Einsatz von Wildpflanzen unserer Region(en). Denn an diese haben sich die Tiere im Laufe ihrer Stammesentwicklung angepasst. Beim Kauf von Blumenmischungen ist es hilfreich, auf ein entsprechendes Zertifikat zu achten, etwa für VWW-Regiosaatgut (Verband deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten). Wer sich seine eigene Wildbumenwiese anlegen möchte, findet hier weitere Informationen. Heimische Wildblumensamen gibt’s in unserem Online-Shop.
Für die Rainfarn-Maskenbiene und viele andere Wildbienen sind Korbblütler von besonderer Bedeutung. Neben den bereits genannten Arten sind unterschiedliche Arten von Flockenblumen (Centaurea) eine beliebte Pollenquelle.
Hintergrund:
Das Kuratorium „Wildbiene des Jahres“ wählt seit 2013 jährlich eine besonders interessante Wildbienenart aus. Anihrem Beispiel will es die spannende Welt dieser Tiere bekannter zu machen. Zugleich soll die Wildbiene des Jahres dazu ermuntern, das Tier in seinem Lebensraum zu beobachten. Damit wirkt die Initiative auch im Sinne einer Wissenschaft für alle (Citizen Science). Damit bringt sie mehr Klarheit über das aktuelle Vorkommen der Wildbiene des Jahres. Das Kuratorium „Wildbiene des Jahres“ ist beim Arbeitskreis Wildbienen-Kataster angesiedelt, einer Sektion des Entomologischen Vereins Stuttgart 1869 e. V. am Naturkundemuseum Stuttgart.
(Titelfoto: R. Burger, übrige Fotos: R. Prosi, M. Klatt, Hans-Richard Schwenninger)
18.1.2022