Auf der Wolfacher Fasnet machen Hunderte von bunten „Hästrägern“ tagelang die mittelalterliche Schwarzwaldstadt unsicher. Sie heißen Hansele, Rungunkeln oder Kaffeetanten, sie lärmen, musizieren, spotten, singen und feiern – und immer wieder marschieren sie für alle hör- und sichtbar um die Stadt herum. Ausnahmezustand in Wolfach im Kinzigtal!
Die Höhepunkte der närrischen Zeit rücken näher. Wolfach im Süden des Naturparks ist schon seit Jahrhunderten eine Hochburg der schwäbisch-alemannischen Fastnacht. Mit ihrem vielfältigen Fasnets-Brauchtum und nicht weniger als zwölf Umzügen innerhalb einer Woche ist die mittelalterliche Stadt kaum zu schlagen. Einen Tag vor dem Schmutzigen Donnerstag geht es los!
Motto der Wolfacher Fasnet: ´S goht degege!
Schon seit dem letzten Aschermittwoch heißt das Motto der eingefleischten Narren auf Badisch: ´S goht degege! Will heißen: Ab sofort geht es wieder der nächsten Fasnet entgegen! Motor und Veranstalter der Fasnet ist die „Freie Narrenzunft Wolfach“, die 2015 ihr 200-jähriges Bestehen feierte. „Wir haben keine Mitglieder, bei uns kann jeder mitmachen“, lädt „Narrenvater“ Hubert „Vitus“ Kessler ein. „Er muss sich nur ein Häs nach unseren Richtlinien besorgen.“ Selbstverständlich unterstützt und berät die Narrenzunft dabei.
Sieben „Hansele“ und mehr
Wie die Häs, sprich Kostüme, der Umzugsteilnehmer auszusehen haben, ist festgelegt. Dafür ist aber die Vielfalt groß. Allein sieben Hansel oder Hansele, harlekinartige Figuren, gibt es: Schellen-, Nussschalen-, Streifen-, Spättle-, Mehlwurm- und zwei Rösle-Hansel sind typische Wolfacher Narrengestalten. Der Schellenhansel ist der wichtigste der Wolfacher Fasnet. Er trägt ein mit Glöckchen behängtes Gewand in den Stadtfarben Blau und Gelb. Der Nussschalenhansel trägt rund 2500 halbe Walnussschalen auf seinem Kostüm, das dadurch allerdings ziemlich schwer wird. Der Spättlehansel trägt ein Häs aus bunten Stoffflicken, auf Badisch Spättle genannt.
Speckschwarte und Mehl
„Der Mehlwurmhansel war früher ein Arme-Leute-Kostüm ohne Holzmaske oder Larve“, erklärt Kessler. Denn man rieb sich das Gesicht mit einer Speckschwarte ein und pustete in eine Mehlschublade. Somit war das Gesicht weiß gepudert. Aus Leintüchern wurde das Mehlwurm-Häs genäht. Heute sieht es wesentlich vornehmer aus. Zu den Hansele kommen noch die Rungunkeln. Das Wort bezeichnet scherzhaft alte Weiber, aussehen tun die Rungunkeln aber schon eher wie Hexen. Einen Kontrast dazu bilden die eleganten Kaffeetanten. Doch davon später. Denn bestimmte Kostüme nehmen nur an bestimmten Umzügen teil.
Auftakt: Ausrufen der Wolfacher Fasnet
Mittwoch vor dem „Schmutzigen Dunnschdig“ (Schmutziger Donnerstag, Altweiberfastnacht), 19 Uhr: Der Herold des Grafen Konrad „tuet kund um zu wissen, dass ein schier siebentägiges Fest“ nun eröffnet sei. Das tut er an sieben Stellen rund um die Stadt und sämtliche Wolfacher Häsgruppen begleiten ihn dabei mit großem Hallo.
Schülerbefreiung und Kaffeetantenumzug
Am Schmutzigen Dunnschdig um neun Uhr befreien rund 100 Hästräger und Musiker die Kinder aus der Wolfacher Grundschule und nehmen sie mit zur ersten „Elfemess“. Jeder Umzug marschiert rund um die Stadt. Die Elfemess beginnt schon um halb elf. Hierbei werden in zwei Gasthäusern von den Narren lokale Ereignisse des vergangenen Jahres glossiert und auf die Schippe genommen, Missgeschicke werden lustig dargestellt. Um 14 Uhr beginnt der erste Kaffeetantenumzug. Rund 400 Personen – es sind auch Männer dabei – in eleganten, teils barocken Kleidern und etwa 100 Trommler ziehen um die Stadt. Um 15.30 Uhr werden sie im Blauen Salon des Rathauses vom Bürgermeister empfangen und verteilen sich danach auf die Wolfacher Wirtschaften. Im Verlauf des „schier siebentägigen Festes“ gibt es drei Elfemessen und drei Kaffeetantenumzüge.
Der Wohlaufmann weckt die Stadt
Der Rosenmontag, hier „Schellemendig“ genannt, ist der höchste Tag der Wolfacher Fasnet. Morgens um halb sechs ist die Nacht für die Wolfacher vorbei. Denn mit lautem Radau machen die „Hemdglunker“ ihre Runde. Es ist dunkel, die Straßenbeleuchtung ist ausgeschaltet. Narren in weißen Nachthemden und Zipfelmützen tragen Laternen und lärmen mit Weinbergrätschen, Trillerpfeifen oder Blechdeckeln. Sie ziehen einen Wagen mit, auf dem in einem Bett der Wohlaufmann im Nachtgewand liegt. An den neun Plätzen am Ort, an denen früher das Nachtwächterlied erklang, machen sie halt. Der Lärm verstummt, der Wohlaufmann richtet sich auf und singt den Wohlauftext. Vitus Kessler gibt eine Kostprobe:
Festumzug und Festspiel
Am Nachmittag danach startet der große Festumzug. Sämtliche Häsgruppen und um die zehn Festspielgruppen ziehen um die Stadt, 2000 bis 3000 Menschen sind auf den Beinen. Vor dem Rathaus ist eine große Bühne aufgebaut, dort endet der Umzug gegen 15.30 Uhr und das Festspiel beginnt. „Es wird jedes Jahr neu geschrieben“, erläutert der Narrenvater. „Die unterschiedlichen Festspielgruppen spielen Szenen aus den Geschehnissen im Ort und nehmen humorvoll Politiker, Nachbarn und Honoratioren aufs Korn.“ Alle fünf Jahre allerdings wird immer wieder dasselbe Stück gegeben: „Die Altweibermühle von Tripsdrill“. Die 230 Jahre alte Geschichte hat nämlich ein gewisser Georg Anton Bredelin, Fürstenbergischer Schulvisitator in Wolfach, im Jahr 1787 verfasst und auf die Bühne gebracht. Es ist das älteste Fastnachtsspiel, das heute noch aufgeführt wird.
Der Faschingsdienstag gehört den Kindern
Der „Fasnetsdienschdig“ beginnt wieder mit einer Elfemess. Um 14 Uhr startet der große Kinderumzug mit dem „Bretschelma“, dem Brezelmann, einer überlebensgroßen Figur auf einem Karren, die über und über mit frischen Laugenbrezeln behängt ist. Einmal um die Stadt und vor dem Rathaus gibt es dann 1000 Brezeln und 1000 Würste für die Kinder. Danach geht’s zum Kinderball in der Festhalle, dort finden sich auch die Rungunkeln ein und machen Spaß mit den Kleinen.
Einzigartig: der Nasenzug
Wem es bis jetzt noch nicht närrisch genug zugegangen ist, für den ist vielleicht der „Nasenzug“ etwas. Es dürfen nur Männer teilnehmen. Sie tragen ihre Jacken mit der Innenseite nach außen, einen Hut mit einem Holzspan, eine möglichst originell gestaltete Nasenattrappe und Lärminstrumente. Die Männer gehen vom Schlosstor aus im Gänsemarsch durch die engsten Gassen und Winkel – und durch alle Wirtschaften. Nach zwei Stunden gelangen sie wieder in den Schlosshof. Wie schon bei den vorigen Umzügen werden auch hier die typischen Wolfacher Fasnetssprüche aufgesagt. Vitus Kessler gibt wieder eine Kostprobe:
Das Kuriose an dem Umzug: Frauen dürfen nicht mitmachen, aber einige versuchen natürlich, sich als möglichst echte Männer zu verkleiden. Wenn die männlichen Nasenträger sie entlarven, werden sie in den Stadtbrunnen geworfen. Und das mitten im Februar. Wenn es den Damen aber gelingt, unerkannt am Brunnen vorbeizukommen, dürfen sich zu erkennen geben – und trocken bleiben.
“Zerknirschter“ Abschluss
Der letzte Umzug ist der leiseste. Am Aschermittwoch treffen sich rund 20 ausgesuchte alte Narren in schwarzem Frack und Zylinder hinterm Rathaus zur „Geldbeutelwäsche“. An Bohnenstange haben sie ihre alten, leeren Geldbeutel und Wurzelbürsten angehängt. Sie schreiten mit ernster Miene durchs Wäschergässle bis zum Finanzamt am Schlosstor. „Dort an der Klagemauer klagen wir dann darüber, dass wir kein Geld mehr haben“, erzählt Kessler. „Dann geht es zum Stadtbrunnen, wo wir unsere leeren Geldbeutel waschen.“ Der Zug endet im Gasthaus Krone beim traditionellen Stockfischessen. Und ganz zum Schluss begeben sich die Herren im Frack zum Bürgermeister, um ihn wieder in sein Amt einzusetzen. Obwohl er gar nicht abgesetzt wurde.
Nach schier sieben Festtagen bleibt nur zu sagen: Nach der Fasnet ist vor der Fasnet. „‘S goht degege!“
(Fotos: Freie Narrenzunft Wolfach, Horst-Dieter Bayer, Stefan Dangel, Videos: Stefan Dangel)
Ewiger Narrenfahrplan
Die Wolfacher Fasnet kennt von Mittwoch bis Mittwoch zwölf Umzüge:
Mittwoch vor dem Schmutzigen Dunnschdig (22.2.2017):
• 19.00 Uhr Fasnetsausrufen
Schmutziger Dunnschdig (23.2.2017):
• 10.30 Uhr Elfemess
• 14.00 Uhr Kaffeetantenumzug
Fasnetsfreitag „Ruhetag“ (24.2.2017)
Fasnetssamstag (25.2.2017):
• 14.00 Uhr Kaffeetantenumzug
Fasnetssonntag Teilnahme an Umzügen anderer Orte im Kinzigtal (26.2.2017: Zell am Harmersbach)
Schellemendig (27.2.2017):
• 5.30 Uhr Wohlauf
• 10.30 Uhr Elfemess
• 13.00 Uhr Festumzug, anschließend Festspiel
Fasnetsdienschdig (28.2.2017):
• 10.30 Uhr Elfemess
• 13.00 Uhr Kaffeetantenumzug
• 14.00 Uhr Kinderumzug, anschließend Kinderball
• 17.00 Uhr Nasenzug
Aschermittwoch (1.3.2017):
• 13.00 Uhr Geldbeutelwäsche
Verein Wolfacher Narren e.V.
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