In diesen Wochen blüht sie: Die Kleine Braunelle ist von der Loki Schmidt Stiftung zur Blume des Jahres 2023 erkoren worden. Sie ist unter vielen, auch regional unterschiedlichen Namen bekannt: St. Antonikraut, Brunwort, Brunwurtz, Gottheil, Blauer Guckguck, Halskraut, Immergsund, Mundfäulkraut, Oogenprökel, Selbstheil oder auch Brunelle. Noch gibt es sie überall in Deutschland, doch nicht mehr lange, wenn es so weitergeht.
Mit ihren zahlreichen kleinen, violetten Blüten, die wie eine Ober- und Unterlippe geformt sind, und ihrer Wuchshöhe von fünf bis 25 Zentimetern erscheint die Kleine Braunelle (Prunella vulgaris) auf den ersten Blick eher zierlich. Dabei ist dieses Pflänzchen „hart im Nehmen“: Es überlebt auch in regelmäßig gemähtem Rasen und hält auch den Fraß und Tritt durch Vieh auf den Weiden aus. Die Kleine Braunelle ist eine wintergrüne, immergrüne, meist ausdauernde krautige Pflanze. Sie bildet wurzelnde oberirdische, kriechende Ausläufer aus, die Faserwurzeln bildet und mit denen sie auch Bestände bilden kann. Der Name „Braunelle“ bezieht sich auf die braune Farbe der verblühten Kelchblätter, die die blauvioletten Kronblätter umschließen und den Blütenstand wie einen kleinen Tannenzapfen aussehen lassen.
Die Kleine Braunelle als Heilpflanze
Von Menschen wird die Kleine Braunelle aufgrund ihrer ätherischen Öle und Gerbstoffe als Heilpflanze genutzt. Im englischsprachigen Raum wird sie daher passenderweise auch als „common self-heal“ oder „heal-all“ bezeichnet. Im Mittelalter wurde die Pflanze gegen Diphtherie eingesetzt. In der europäischen Volksmedizin finden die Blätter eine vielseitige Anwendung, ob als Gurgelwässer, bei Lungenentzündungen, Lungenleiden, Magen- und Darmerkrankungen oder auch als Wundheilmittel.
In der Traditionellen Chinesischen Medizin setzt man die Kleine Braunelle bei Gallen- und Leberleiden ein. Die Blüten und Blätter sind auch als Salatbeilage essbar.
Die Kleine Braunelle schwindet
Leider sind die Bestände dieser robusten Art in mehreren Regionen Deutschlands in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen. Damit ist die Kleine Braunelle nicht allein. Viele einst häufige Wiesenblumen stehen heute auf den Roten Listen. Zahlreiche Insekten, Amphibien und Vögel drohen ihre Lebensgrundlage zu verlieren, wenn die Pflanzenartenvielfalt auf unseren Wiesen, Weiden und an Wegrändern schwindet. Für ihr Überleben müssen wir dringend handeln.
„Die Loki Schmidt Stiftung hat die Kleine Braunelle zur Blume des Jahres 2023 gewählt, um auf den schleichenden Verlust zahlreicher Pflanzen- und Tierarten aufmerksam zu machen. Wir alle können und müssen etwas tun, um diesen Prozess aufzuhalten. Im Garten, an Straßen, zwischen Wohnblöcken, in der Landwirtschaft: Lassen wir wieder mehr Natur zu!“, begründet Axel Jahn, Geschäftsführer der Loki Schmidt Stiftung, die Wahl.
Die Nahrungsquelle für viele Insekten ist in Gefahr
Die Kleine Braunelle und andere Wildblumen sind eine wichtige Nahrungsquelle für viele Insektenarten. Besonders Hummeln, aber auch andere Wildbienen, Honigbienen und andere Hautflügler nutzen den Pollen der Blume des Jahres für die Aufzucht ihrer Larven. Mindestens 18 Schmetterlingsarten trinken Nektar aus den blauvioletten Blüten. Die Insekten profitieren von der langen Blütezeit der Kleinen Braunelle, die von Juni bis Oktober reicht. Zudem fressen Raupen von Magerrasen-Perlmuttfaltern und Braunellen-Zwergminiermotten die Blätter der Kleinen Braunelle.
Gefahr durch Stickstoff und Überdüngung
Die zunehmende Überdüngung durch hohe Stickstoffeinträge gefährdet die Kleine Braunelle. Mehr als 50 Prozent der Stickstoffverbindungen gelangen in Deutschland über die Landwirtschaft, insbesondere durch Mineralstoffdünger sowie Dung und Gülle aus der Viehhaltung, in die Umwelt. Weitere Einträge erfolgen zu etwa gleichen Teilen durch Verbrennungsprozesse in der Industrie, Verkehrsabgase und private Haushalte. Dadurch sind die meisten Lebensräume überdüngt. Bei einem Stickstoff-Überschuss im Boden dominieren Gräser und andere stickstoffliebende, hochwüchsige Pflanzen, wie beispielsweise Brennnesseln und Ampfer, und verdrängen kleinere Wildpflanzen wie die Kleine Braunelle.
Auch zu häufiges Mähen sowie die massive Unkrautbekämpfung sowohl in Gärten als auch in der Landwirtschaft durch Herbizide und mechanische Verfahren führen zu einem starken Rückgang von Wildpflanzen. Also: Wenn ihr einen Garten habt – lasst die Kleine Braunelle wachsen und blühen! Die Insekten freuen sich und die Blume ist hübsch anzuschauen.
(Fotos: Julian Denstorf, Axel Jahn, pixabay: Annette Meyer, Hans, Myriams Fotos)
22.6.2023