In diesen Wochen werden wieder die Lebewesen des kommenden Jahres gekürt. Meist geschieht das, um auf ihre Schutzwürdigkeit, ihre Gefährdung und die ihrer Lebensräume aufmerksam zu machen. Die Loki-Schmidt-Stiftung hat die Grasnelke als Blume des Jahres 2024 auserkoren. Ihr findet sie auch auf Magerwiesen des Naturparks.
Die Grasnelke ist ein richtiges Multitalent: Sie verträgt sowohl magere als auch salzige oder mit Schwermetallen belastete Böden und ist eine wichtige Nahrungsquelle für Insekten. Während ihrer langen Blütezeit von Mai bis Oktober liefert sie Nektar und Pollen für Wildbienen und Schmetterlinge wie den Grasnelken-Glasflügler. Das hört sich erst einmal gut an. Doch obwohl sie auf Magerrasen, Salzwiesen, Schwermetallfluren sowie an Straßenrändern vorkommt, gehen ihre Bestände zurück. Mittlerweile steht sie auf der Vorwarnliste der Roten Liste gefährdeter Pflanzen. Die intensive Landwirtschaft, hohe Stickstoffeinträge, die zu intensive Pflege von Wegrändern und Grünflächen nehmen der Grasnelke und damit auch vielen Insekten und Vögeln ihre Lebensräume.
Mit der Wahl der Grasnelke (Armeria maritima) zur 45. Blume des Jahres ruft die Loki Schmidt Stiftung zum Schutz heimischer Wildpflanzen und zum Erhalt blütenreicher Magerrasen und Salzwiesen auf. Zudem möchte sie dazu motivieren, die Grasnelke auf dem Balkon, im Garten oder auf einem Gründach zu pflanzen, um damit die Artenvielfalt zu fördern und um einen Beitrag zum Überleben unserer Insektenwelt zu leisten. Das ist natürlich auch sehr im Sinne unseres Projekts Blühender Naturpark.
„Wir müssen den Rückgang heimischer Wildpflanzen in unserer intensiv genutzten Landschaft endlich aufhalten“, sagt Axel Jahn, Geschäftsführer der Loki Schmidt Stiftung. „Die Nährstofffrachten aus Landwirtschaft und Industrie, die zu intensive Nutzung und Pflege bedrohen nicht nur die Grasnelke, sondern auch zahlreiche weitere Pflanzen- und Tierarten. Es ist wichtiger denn je, dass wir uns alle gemeinsam für die Förderung der Artenvielfalt einsetzen!“
Weder ein Gras noch eine Nelke
Der niedrige, polsterartige Wuchs mit schmalen und spitzen Blättern erinnert zu Recht an Gras, doch der Schein trügt. Schon ab Mitte Mai überzeugen zahlreiche aus dem Polster wachsende Blütenstände, dass es sich in der Tat um eine wunderschöne Wildblume handelt. Rosa- bis purpurfarbene Blütenköpfe mit mehreren Einzelblüten locken Schmetterlinge und Wildbienen aller Art an. Dieser Blüten- und Insektenreigen erstreckt sich dann bis tief in den Herbst hinein. Je nach Standort und Pflege erreicht der Blütenstand der Grasnelke eine Höhe von bis zu 30 Zentimetern. Die Merkmale der Pflanzenart weisen zwar insgesamt Ähnlichkeiten mit den Nelkengewächsen auf, tatsächlich handelt es sich hierbei aber um ein Bleiwurzgewächs (Plumbaginaceae). Der Name der Pflanzenfamilie weist darauf hin, dass ihre Vertreter mit Böden zurechtkommen, die mit Schwermetallen belastet sind. Aber auch salzhaltige Böden, wie an der Nordseeküste, können besiedelt werden.
Viele Wildblumen stehen mittlerweile auf der Roten Liste
Die Grasnelke verträgt Salz und Trockenheit, ist jedoch eine sehr konkurrenzschwache Pflanze. Dies hat zur Folge, dass sie hauptsächlich in durch Beweidung kurz gehaltenen Lebensräumen vorkommt. Wenn beispielsweise Magerwiesen brach fallen oder landwirtschaftliche Flächen zu häufig gedüngt werden, dominieren dort stark wachsende Gräser. In diesen Fällen wird die Grasnelke verdrängt. Da dies in unserer Landschaft großflächig passiert, steht die Art Armeria maritima auf der Vorwarnliste der Roten Liste Deutschlands (Quelle: FloraWeb des Bundesamtes für Naturschutz). Laut Bundesamt für Naturschutz werden die hohen Nährstoffeinträge in die Umwelt bei der Hälfte der in Deutschland gefährdeten Pflanzenarten als wesentliche Ursache für den Bestandsrückgang verantwortlich gemacht.
Gründächer sind wichtig für Pflanzen- und Tierarten – und für das städtische Klima
Gerade in größeren Städten sind Grünflächen knapp bemessen und stehen unter starkem Nutzungs- und Erholungsdruck durch den Menschen. Zusätzlich sind die Auswirkungen von extremen Wetterereignissen in hoch versiegelten Ballungsräumen stärker zu spüren und belasten das Stadtklima und somit auch unser Wohlbefinden. Starkregen führt häufiger zu Überschwemmungen und Hitzephasen mit Trockenheit werden durch Asphalt und Beton verstärkt und können gesundheitsgefährdend sein. Gründächer erweisen sich als effektive Gegenmaßnahme: Regenwasser wird wie in einem Schwamm zurückgehalten, langsam verdunstendes Wasser kühlt die Umgebung deutlich merkbar ab. Viele Pflanzenarten der Mager- und Trockenrasen, dazu gehört auch die Grasnelke, können hoch über unseren Köpfen einen weitgehend ungestörten Ersatzlebensraum finden und dort für zahlreiche Insekten- und Vogelarten eine wichtige Lebensgrundlage bieten.
(Fotos: Loki Schmidt Stiftung, Hermann Timmann, Udo Steinhäuser, Axel Jahn, Julian Denstorf, Stefan Dangel)
2.11.2023