Der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord hat heute die Grundschule in Nagold-Vollmaringen zur 23. Naturpark-Schule in seinem Gebiet ausgezeichnet. Die Kinder lernen draußen vor den Toren der Schule ihre Heimat und das „echte Leben“ kennen. Sie besuchen Bauernhöfe, den Wald, Streuobstwiesen, Imkereien und vieles mehr, um in „moderner Heimatkunde“ Natur und Kultur in der Praxis zu erfahren.
Was braucht eine Pflanze zum Wachsen? Wie wird aus einem Apfel Saft oder aus Getreide Mehl? Und wie lebten die Menschen im Schwarzwald früher? Diesen Fragen und noch vielen mehr sind die Kinder der Grundschule Vollmaringen in Nagold (Landkreis Calw) bei ihren Naturpark-Projekten nachgegangen. Damit hat die Schule die Voraussetzungen erfüllt, um die Auszeichnung „Naturpark-Schule“ zu erhalten.

Am Donnerstag (16. November) überreichte der Geschäftsführer des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord, Karl-Heinz Dunker, die offizielle Urkunde und eine Plakette mit dem Schriftzug „Naturpark-Schule“ an die Schulleiterin der Grundschule Vollmaringen, Irene Breitling. „Wir möchten, dass die Kinder die Natur begreifen. Deshalb gehen wir mit ihnen raus und besuchen Partner aus der Region, wie zum Beispiel einen Bauernhof. So werden die Kinder zu Naturpark-Entdeckern“, berichtet Breitling. Von diesem praktischen Lernansatz ist auch Birgit Maier von der Stadt Nagold überzeugt. Die Leiterin des Amts für Bildung und Betreuung sagt: „Die Erde ist unser Supermarkt. In der Naturpark-Schule lernen die Kinder, wie alles zusammenhängt.“
Nachdem die Kinder ihre Naturpark-Projekte vorgestellt haben, nimmt Schüler Mattis seinen Vater an die Hand und führt ihn zum Getränkestand. „Ich habe beim Apfel-Projekt mitgemacht. Den Apfelsaft hier habe ich selbst gepresst und davor die Äpfel auf unseren Streuobstwiesen gesammelt“, berichtet er stolz. Mattis Vater Benedikt Lehre sagt: „Ich finde es schön, dass die Lehrer schauen, wie sich die Themen im Lehrplan als Naturpark-Projekte umsetzen lassen. Kinderaugen entdecken die Natur auf eine ganz andere Weise als Erwachsene. Durch die Naturpark-Projekte begeistern sie sich für die Themen.“
Und Schulrat Andreas Renner vom Staatlichen Schulamt Pforzheim erläutert, inwiefern die Naturpark-Schulen zur Heimatverbundenheit beitragen: „Die Natur und Kultur der Region, in der man aufwächst, sind die Eckpfeiler unserer Identität. Sie prägen unser Denken und Handeln nachhaltig. Die Schulen sind deshalb das Herzstück unserer Gemeinschaft.“

Netzwerk der Naturpark-Schulen wächst stetig
Mit der Grundschule Vollmaringen gibt es jetzt 23 Naturpark-Schulen im nördlichen und mittleren Schwarzwald. „Die Naturpark-Schulen sind ein Erfolgsmodell“, berichtet der Naturpark-Geschäftsführer Karl-Heinz Dunker. „Die Nachfrage unserer Mitgliedskommunen ist groß. Das zeigt, dass wir mit unserem Konzept den Nerv der Zeit treffen.“ Und Naturpark-Umweltpädagogin Manuela Riedling, zuständig für die Naturpark-Schulen, ergänzt: „Der Unterricht zur heimischen Natur und Kultur ist praxisnah und wird mit Partnern aus der Region gestaltet. Das begeistert die Kinder.“

In Nagold ist es die erste Naturpark-Schule. Im Landkreis Calw gibt es mit der Grundschule Dobel, der Wilhelmschule in Bad Wildbad, der Krokusschule in Zavelstein und der Seeäckerschule in Calw vier weitere Naturpark-Schulen. Noch im November wird auch die Falkensteinschule in Bad Herrenalb als Naturpark-Schule ausgezeichnet.
Die Naturpark-Projekte der Grundschule Vollmaringen
Es ist Herbst – klar, dass sich die Kinder der Grundschule Vollmaringen auf Apfel-Suche gemacht haben. „Die Kinder haben die Äpfel auf unseren Streuobstwiesen im Jahresverlauf beobachtet und im Herbst geerntet“, berichtet Lehrer Ralf Mairinger-Immisch. Anschließend zerkleinerten sie die gesammelten Äpfel und pressten sie mit dem Naturschutzbund (NABU) Vollmaringen zu Apfelsaft.
Das Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof in Gutach besuchten ebenfalls alle Grundschul-Klassen. Dabei erfuhren sie, wie früher Menschen und Tiere unter einem Dach gewohnt haben. Sie stellten Seifen mit Kräutern und Schlüsselanhänger aus Filz her. Auf einer Erkundungstour gingen sie der Frage nach, wo die Menschen früher das Material für ihre Arbeit hernahmen. Dabei entdeckten sie, dass alles zum Leben Notwendige aus der Natur stammte, wie zum Beispiel die Wolle von Schafen oder Hanfpflanzen für Seile.

Was eine Pflanze zum Wachsen braucht, lernten die Kinder bei einem Experiment. Dabei richteten sie sechs Versuchsgläser mit unterschiedlichen Zusammensetzungen an: Erde, Samen, Wasser, Licht und Luft. Nach zwei Wochen Beobachtung stellten sie fest: Die Pflanze, die alle aufgeführten Komponenten hatte, wuchs mit Abstand am besten.
Wie der Alltag auf einem Bauernhof aussieht, erfuhren die Kinder der zweiten Klasse auf dem Bauernhof Hirschfeld in Pfalzgrafenweiler. Dort packen sie auch gleich selbst mit an: Die Kinder fütterten die Kühe mit frischem Heu und übten an einem Melk-Simulator. Die Schweine erhielten eine Bürstenmassage. Mit den Schafen gingen die Kinder auf den Feldern spazieren. Auch Butter stellten sie selbst her. Auf dem Hof von Familie Spohn in Vollmaringen lernten die Schüler/innen so einiges über Pferde, Hühner, Schafwolle und das Verhalten von Schafherden. Auf dem Hof von Familie Raible in Vollmaringen stand das Rind im Mittelpunkt. Dabei ging es vor allem um artgerechte Haltung und Ernährung.


Wie wird aus Getreidekörnern Mehl? Dieser Frage gingen die Drittklässlerinnen und Drittklässler in der Gültsteiner Mühle bei Herrenberg auf den Grund. Die Kinder staunten nicht schlecht darüber, dass die Körner dort über vier Stockwerke hinweg gemahlen und gesiebt werden. Natürlich buken sie mit dem Mehl auch selbst Brot.
Woher kommt eigentlich das Wasser aus dem Wasserhahn? Das erfuhren die Kinder der vierten Klasse im Wasserwerk Gündringen. Dabei ging es um den Weg von der Quelle über die Aufbereitung zum Reinwasserbehälter bis in die Pumpen nach Vollmaringen. Wer lebt im Bach? Das erforschten die Schulkinder auf dem Bacherlebnispfad Iselshausen mit Wolfgang Herrling vom NABU Vollmaringen.
Hintergrund: Das Konzept der Naturpark-Schulen
Kennzeichnend für eine Naturpark-Schule ist eine dauerhafte und intensive Zusammenarbeit zwischen dem Naturpark und den Schulen. Das Konzept ist als Schul-Entwicklungsprogramm angelegt und trägt zur Profilschärfung der Schule bei. In Form moderner Heimatkunde werden die Schüler/innen für die Besonderheiten ihrer lokalen und regionalen Umgebung sensibilisiert. Die Themen Natur und Kultur werden in der Schule nachhaltig verankert.
Gemäß dem Leitbild einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) werden den Kindern dabei Gestaltungskompetenzen vermittelt. So können sie ihre Zukunft im Naturpark aktiv und eigenverantwortlich mitgestalten. Zentrales Anliegen ist es, den Schüler/innen unterschiedliche Perspektiven auf lokale Themen wie Landschaft, Land- und Forstwirtschaft, Kultur sowie Brauchtum und Handwerk zu geben. Fachleute aus der Region etwa aus den Bereichen Forst, Landwirtschaft, Imkerei, Kräuterpädagogik, Vereine oder Privatpersonen bringen ihre Erfahrungen und ihr Wissen in den Unterricht ein und arbeiten eng mit den Lehrkräften zusammen.
(Text und Fotos: Gundi Woll/Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord)
16.11.2023
