Er ist DER Experte für fruchtbaren Boden: der österreichische Wissenschaftler Dr. Gernot Bodner. Wir haben ihn im Rahmen unseres Humusprojekts für ein Praxis-Seminar zu uns in den Naturpark geholt. Auf dem Unteren Berghof in Wildberg stellte er den teilnehmenden Landwirtinnen und Landwirten die neuesten Erkenntnisse zum Humusaufbau vor. Wir haben Dr. Gernot Bodner von der Universität für Bodenforschung in Wien gefragt, was es mit dem Humus auf sich hat.
Herr Bodner, Humus ist gut fürs Klima. Inwiefern?
Dr. Gernot Bodner: Humus ist gespeicherter Kohlenstoff. Pflanzen nehmen diesen als CO₂ bei der Photosynthese aus der Luft auf. Die Pflanzenreste, etwa abgestorbene Blätter und Wurzeln, werden dann im Boden durch Mikroorganismen zu Humus umgebaut. Der Humus kann sehr lange im Boden gespeichert bleiben, etwa durch Bindung an Mineralteilchen oder indem er in Bodenaggregate eingebaut wird. Damit hat ein bewachsener lebendiger Boden auch das Potenzial, durch Humussteigerung CO₂ aus der Atmosphäre stabil zu binden.
Darüber hinaus hilft der Humus, sich an Witterungsextreme anzupassen: Durch bessere Wasserspeicherung in humusreichen Böden wird Trockenheit besser überstanden. Die durch Humus stabilisierten Bodenaggregate halten Starkregen besser stand und reduzieren Erosion. Damit bietet Humusmanagement Möglichkeiten sowohl in der Klimawandel-Anpassung als auch im Klimaschutz.
Woraus genau besteht Humus?
Bodner: Humus ist definiert als tote organische Bodensubstanz. Er besteht aus einer Vielzahl von durch Bodenmikroorganismen ab- und umgebauten pflanzlichen Materialien. Humusbestandteile reichen von noch mit freiem Auge erkennbaren pflanzlichen Reststoffen, sogenannter partikulärer organischer Substanz, bis hin zu sehr kleinen, wasserlöslichen organischen Molekülen, die an den Oberflächen von Mineralteilen wie Ton oder Eisenoxiden gebunden sind. Gemessen wird Humus üblicherweise über den Kohlenstoff. Die Funktionen für einen gesunden Boden hängen aber sehr stark davon ab, wie Bodenlebewesen die Humusteilchen verwerten können. Humus ist also ein Kontinuum von organischen Stoffen, die die wichtigste Nahrung des Ökosystems Boden ausmachen.
Was braucht es, damit Humus entsteht?
Bodner: In erster Linie einen bewachsenen Boden. Humus beginnt mit der pflanzlichen Primärproduktion. Es gibt Humusformen, die dann nur wenig weiterverarbeitet werden, wie etwa Rohhumusauflagen in Nadelwäldern oder auch Moderhumus in Mooren. In diesen Ökosystemen tun sich Mikroorganismen schwer, die organischen Stoffe der Pflanzen zu nutzen. In Nadelwäldern ist das „Futter“ nährstoffarm und schwer zu knacken, in Mooren fehlt der Sauerstoff. Zumeist haben wir es aber in den Böden, die vom Menschen etwa im Ackerbau genutzt werden, mit Mullhumus zu tun. Dafür braucht es für die Entstehung neben den Pflanzenresten ganz entscheidend eine lebendige Bodenbiologie. Denn der Mullhumus ist ein mikrobielles Produkt. Man kann also für viele Böden sagen: ohne Mikrobiologie kein Humus.
Wie kann ich den Humusgehalt in meinem Boden erhöhen?
Bodner: Ganz oben steht das Ziel eines Systems „immergrün“. Bei brachliegendem Boden wird Humus abgebaut, nicht aber nachgeliefert. Zwischenfrüchte, Untersaaten und, wo möglich, mehrjährige Pflanzen sind der Schlüssel zum Humusaufbau. Es ist auch wichtig, den Boden schonend zu behandeln. Zu intensive Bodenbearbeitung kann zu einem verstärkten Humusabbau führen. Vor allem die Bodenbiologie leidet unter einer tief-wendenden Bodenbearbeitung. Und da die Bodenbiologie der Kern des Kohlenstoffkreislaufs im Boden und damit auch der Humusdynamik ist, sollte auf eine möglichst bodenleben-freundliche Bearbeitung geachtet werden.
Wie lange dauert es, damit sich der Humusaufbau für Landwirtinnen und Landwirte auch lohnt?
Bodner: Das hängt sehr stark vom Bodentyp ab. Unsere Untersuchungen zeigten, dass man auch bei leichten Böden sehr rasch Humusaufbau – aber auch -abbau – durch Managementänderung erkennen kann und dementsprechend auch Bodenverbesserung etwa bei der Wasserspeicherung. Auf schweren Böden, die von Natur aus mehr Humus haben und Träger sind, ist der Humusaufbau nur beschränkt möglich. Das heißt aber nicht, dass diese Böden nicht durch ein bodenbelebendes Management in ihrer Struktur verbessert werden können. Steigende Humusgehalte sind nur ein Aspekt. Wichtig für einen fruchtbaren Boden sind Kreisläufe. Gerade auf schweren Böden sind diese oft sehr langsam und können durch die Förderung des Bodenlebens verbessert werden. Was Humuszertifikate als „Lohn“ für Humusaufbau betrifft, so bin ich skeptisch, ob dies der Landwirtschaft, der Umwelt und letztlich der Gesellschaft wirklich Nutzen bringt.
Kann ich auch in meinem Garten oder in den Pflanzenkübeln auf dem Balkon Humus aufbauen?
Bodner: Hier wird oft ohnehin viel mit organischem Dünger, vor allem Kompost, gearbeitet. Damit ist zu erwarten, dass in solchen Systemen die Gehalte an organischer Substanz durch „externe Zufuhr“ erhöht werden. Aber Fruchtwechsel, Bodenbedeckung und schonender Umgang mit der Erde sind auch für den Hausgarten gültige Prinzipien, so wie für den Ackerbau.
(Das Interview führte Gundi Woll/Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord. Fotos: Dr. Gernot Bodner, Sarina Sievert)
21.11.2023