Wie wird aus einem winzigen Kern ein großer Apfelbaum? Oder wie funktioniert ein Ameisenstaat? Das und vieles mehr haben die Kinder im Naturkindergarten Martinsmoos in Neubulach (Landkreis Calw) gelernt. Um das besondere Engagement des Kindergartens im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) wertzuschätzen und für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen, hat der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord den Kindergarten am Mittwoch (13. September) in Neubulach zum Naturpark-Kindergarten ausgezeichnet.

Der Naturkindergarten Martinsmoos ist der erste Naturpark-Kindergarten in Neubulach. Im Landkreis Calw gibt es mit dem Kindergarten „Purzelbaum“ in Enzklösterle (Auszeichnung April 2022) und dem Waldkindergarten „Die Waldwichtel“ in Ebhausen (Auszeichnung September 2022) zwei weitere Naturpark-Kindergärten. In der Naturpark-Kulisse ist der Naturkindergarten Martinsmoos in Neubulach der neunte Naturpark-Kindergarten.


Für die Natur- und Kulturlandschaft in der Region sensibilisieren, und zwar so früh und nachhaltig wie möglich – darum geht es dem Naturpark.
Prägende Eindrücke schaffen Heimatverbundenheit
Auf der Auszeichnungsfeier in Neubulach wendet sich Bürgermeisterin Petra Schupp an die Kinder: „Ich erinnere mich an ein Lied: ‚Wo meine Wiege stand, dort ist mein Heimatland‘. Was wir als Kinder toll finden, ist fest in uns drin und wird zur Heimatverbundenheit. Dem Naturpark ist es ein Anliegen, dass ihr euch dort wohlfühlt, wo ihr lebt. Wenn ihr hier die Natur erlebt, erinnert ihr euch später: Das war schön!“ Florian Kling, stellvertretender Naturpark-Vorsitzender und Oberbürgermeister von Calw, greift das Thema auf: „Kinder lernen in ihren ersten Lebensjahren so viel wie später nie wieder in ihrem Leben. Hier geht es vor allem um Heimat. Wir kümmern uns darum und interessieren uns dafür, wo wir leben. Wir schützen unsere Natur und die Landschaft. Wenn die Kinder groß werden, fragen sie sich: Wo geht es den eigenen Kindern gut? In der Natur, im Schwarzwald!“
In den Naturpark-Kindergärten lernen die Kinder viel über die Zusammenhänge in der Natur – etwa darüber, woher die Lebensmittel kommen und wie sie verarbeitet werden oder über den Alltag auf einem Bauernhof, im Forst oder im Handwerk.
Dr. Peter Schäfer, im Landratsamt Calw Dezernent für Umwelt, Bauen, Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft, macht deutlich: „Man kann nicht früh genug beginnen, sich mit Natur und Landschaft zu beschäftigen. Naturpark-Kindergärten sind die logische Ergänzung zu den Naturpark-Schulen.“


Der frühere Naturpark-Vorsitzende Klaus Mack, heute CDU-Bundestagsabgeordneter, lässt es sich nicht nehmen, zur Auszeichnungsfeier zu kommen. „Ich habe den Naturpark von Anfang an immer gerne begleitet, heute bin ich in der Fraktion für Großschutzgebiete zuständig“ erklärt er. „Unser Anspruch ist es, schon die Kleinsten für die Natur zu begeistern. Ich freue mich, dass die Kinder auch hier in Neubulach mitmachen. Das erfordert viel Arbeit der Erzieherinnen, dafür vielen Dank, das ist nicht selbstverständlich.“
Qualitätsstandards für Naturpark-Kindergärten
In den Naturpark-Kindergärten lernen die Kinder die Natur und die Tiere in ihrer Region kennen. „So bauen sie schon früh eine enge emotionale Bindung zu ihrer Umwelt auf“, sagt Naturpark-Geschäftsführer Karl-Heinz Dunker. „Das ist für einen nachhaltigen Umgang mit der Natur sehr wertvoll.“ Und Projektmanagerin Fränze Stein ergänzt: „Bei den Projekten kommen die Kinder ihrer Heimat mit Herz und Hand nahe. Das sind Eindrücke, die prägen.“
Die Auszeichnung zum Naturpark-Kindergarten kann ein Kindergarten in der Regel nach einem Jahr erwerben. Die Zertifizierung ist fünf Jahre gültig. Mit der Auszeichnung ist der Kindergarten dazu verpflichtet, festgelegte Qualitätsstandards einzuhalten. Dazu zählt etwa, sich aktiv mit Projekten einzubringen und dafür Partner/innen aus der Region zu gewinnen, an Fortbildungen teilzunehmen und eine nachhaltige Entwicklung anzustreben.


Erzieherin Simone Legrat ist Initiatorin und treibende Kraft für das Projekt Naturpark-Kindergarten in Neubulach-Martinsmoos. „Unser Naturkindergarten hat ein Waldstück, wir haben ein Stück Wildblumenwiese und mehrere Hochbeete in unserem Garten. Die Möglichkeit, Natur mit allen Sinnen zu erleben, gab uns den Impuls, Naturpark-Kindergarten zu werden“, erläutert sie.
Die Naturpark-Projekte des Kindergartens
Wie entsteht ein Apfel und welche Insekten sind in der Region heimisch? Um diese Themen drehten sich die Naturpark-Projekte des Naturkindergartens Martinsmoos in Neubulach. „Wir wollen den Kindern durch die Naturpark-Projekte zeigen, wie wertvoll der Erhalt einer Obstwiese für Mensch und Tier ist. Sie dient nicht nur als Nahrungsquelle für beide. Für zahlreiche Tiere ist sie auch Lebensraum“, erklärt die Leiterin des Naturkindergartens Martinsmoos, Karoline Krauß, die Themenauswahl. „Durch das Naturpark-Projekt zum Apfel gehen die Kinder achtsam mit dem Obst um und kicken keine Äpfel mehr auf dem Weg vor sich hin.“ Die Eltern eines Kindes besitzen eine Streuobstwiese in der Nähe des Kindergartens. Dort konnten die Kinder forschen und den Prozess von der Ernte bis zur Verarbeitung miterleben. „Wir haben den Kindern beigebracht, dass auch ältere oder angeschlagene Äpfel noch verwendet werden können, etwa für Apfelmus“, berichtet Krauß. Die gesammelten Äpfel brachten die Kinder zur ortsansässigen Mosterei, die daraus Apfelsaft presste. Eine Apfel-Zimt-Marmelade stellten die Kinder sogar selbst her. Sie haben einen Apfelkuchen gebacken und Apfelchips gemacht.


„Für das Insekten-Projekt haben wir uns entschieden, weil wir auf dem Weg in unser Waldstück häufig Honigbienen und Ameisenhaufen sehen“, berichtet Krauß bei der Auszeichnungsfeier. Während des Projekts nahmen die Kinder Ameisen, Marienkäfer, Bienen und Schmetterlinge genauer unter die Lupe. Sie lernten, warum Insekten für ein funktionierendes Ökosystem wichtig sind. Dabei ging es auch um regionale Erzeugnisse. So erfuhren die Kinder vom ortsansässigen Imker, wie Honig entsteht. Auch die Familien der Kinder haben mitgeholfen. „Die Papas und Opas haben mit den Kindern ein Insektenhaus gebaut und eine Wildblumenwiese angelegt“, erzählt Krauß.



Netzwerk der Naturpark-Kindergärten wächst stetig
Das Projekt der Naturpark-Kindergärten ist 2020 gestartet. Im nördlichen und mittleren Schwarzwald gibt es acht weitere Naturpark-Kindergärten in Enzklösterle und Ebhausen (Landkreis Calw), in Bühlertal (Landkreis Rastatt), in Karlsruhe-Durlach, in Baden-Baden in den Stadtteilen Ebersteinburg und Varnhalt, in Oberwolfach und in Zell am Harmersbach (Ortenaukreis).
Hintergrund: Das Konzept der Naturpark-Kindergärten
Im Naturpark-Kindergarten lernen die Kinder bei vielseitigen Projekten ihre Heimat in der Naturpark-Region besser kennen und bauen so eine natürliche Verbundenheit zu ihr auf. Die Erzieherinnen und Erzieher machen mit den Kindern Ausflüge und besuchen regionale Fachleute aus den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Obst- und Gartenbau, Naturschutz, Kultur und Brauchtumspflege sowie dem lokal ansässigen Handwerk. So lernen die Kinder etwa, woher die Lebensmittel kommen, wie sie sich gesund und regional ernähren können oder wie auf Bauernhöfen, Streuobstwiesen, im Forst oder im Handwerk gearbeitet wird.
(Fotos: Stefan Dangel/Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord)
13.9.2023
