Die Eintagsfliege verdient ihren Namen nicht so recht zu Recht. Erstens lebt sie – als Fluginsekt – zwei bis vier Tage, zweitens lebt das Tier mit Larvenstadium in Wirklichkeit im Schnitt zwei Jahre. Und drittens ist die Art älter als die Dinosaurier, nämlich rund 350 Millionen Jahre. Das „Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut“ in Frankfurt hat sie letzten Oktober zum Insekt des Jahres 2021 gekürt.
Die gute Nachricht: Die Eintagsfliege ist zurzeit nicht gefährdet und in Mitteleuropa weit verbreitet. Doch ihre Larve ist angewiesen auf ökologisch intakte Gewässer, ein guter Sauerstoffgehalt des Wassers ist für die Kiemenatmer wichtig. Unter anderem deshalb lenkt das Senckenberg Institut die Aufmerksamkeit in diesem Jahr auf dieses Insekt. Außerdem möchte das Institut mit der Wahl die Bevölkerung über die bedeutungsvolle, aber oft unterschätzte Tiergruppe der Insekten informieren, damit zu einer breiteren Kenntnis und Akzeptanz beitragen und unbegründete Vorurteile abbauen.
Offiziell heißt das Tier Dänische Eintagsfliege und ist nach dem dänischen Zoologen und Naturforscher Otto Friedrich Müller (1730 bis 1784) benannt. Er bezeichnete sie 1764 als „Ephemera danica“. Rund 140 Arten davon gibt es in Mitteleuropa, was als vergleichsweise artenarm gilt. Erdgeschichtlich reicht das Auftreten der Eintagsfliegen bzw. ihrer Vorfahren bis in das Unterkarbon (vor 333 bis 355 Millionen Jahren) zurück. Seit dem Jura (vor etwa 201 bis 145 Millionen Jahren) nahm der Anteil der Eintagsfliegen an der Gesamtzahl der bekannten Insektenarten stetig ab, so dass diese altertümliche Insektengruppe heute Reliktcharakter besitzt.
Aussehen, Verbreitung und Lebensraum
Die Dänische Eintagsfliege erreicht eine Körperlänge von ca. 1,4 bis 2,2 Zentimeter und gehört mit Flügelspannweiten von bis über 4 cm zu den großen und auffälligen mitteleuropäischen Arten. Ihre Flügel sind transparent und leicht gelblich, mit gut sichtbaren schwarzen Flecken in variierender Anzahl und Größe. Der Kopf zeigt auffallende dunkle Zeichnungen. Auf dem hell cremefarbigen bis gelblichen Hinterleib sind charakteristische schwarze Muster ausgebildet. Das Ende des Hinterleibs trägt drei Schwanzfäden. Die etwas kleineren Männchen weisen stark verlängerte Vorderbeine und Schwanzfäden auf, die zum Umklammern des Weibchens bzw. zum Steuern und Balancieren während des Fluges und bei der Begattung dienen.
Ephemera danica kommt vom Polarkreis in Skandinavien südwärts bis Spanien und Italien sowie östlich bis zum westlichen Kleinasien vor. Die Dänische Eintagsfliege entwickelt sich im Wasser und besiedelt ein breites Gewässerspektrum von der Ebene über das Hügel- bzw. Alpenvorland bis ins Gebirge. So ist sie sowohl in kleinsten Bächen als auch in größeren Flüssen zu finden und wurde auch in der Brandungszone von Seen nachgewiesen.
Der Entwicklungszyklus – ein Leben in zwei Welten
Während der Sommermonate zwischen Mai und September kann man Weibchen der Dänischen Eintagsfliege dabei beobachten, wie sie in einem Zick-Zack-Kurs über Gewässer fliegen und dabei mit der Spitze ihres Hinterleibs immer wieder ins Wasser eintauchen. So legen sie nach der Paarung portionsweise insgesamt mehrere tausend Eier ab. Diese sinken dann auf den Gewässergrund. Die Eier quellen im Wasser auf und bleiben mit ihrer gallertartigen, klebrigen Außenhülle am Gewässergrund hängen. Nach einigen Tagen schlüpft eine zunächst durch die Haut atmende Primärlarve. Die weiteren Larvenstadien besitzen äußerlich sichtbare Kiemen. Während des Wachstums häuten sich die Larven immer wieder, indem sie die zu eng gewordene Chitinhülle abstreifen. Die Gesamtzahl der Häutungen ist uner anderem von der Wassertemperatur abhängig und schwankt zwischen 20 und 30. Im Vergleich zu anderen Insekten ist das rekordverdächtig.
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Larve der Eintagsfliege (Copyright: Ingo/Wikipedia, Creative-Commons-Lizenz)
Die Larve lebt eingegraben im feinkiesigen bis sandig-schlickrigen Grund des Gewässers. Dort legt sie unvollständige bogenförmige Röhren an, in denen sie mit Hilfe von sieben Paaren seitlicher Kiemen rhythmische, synchronisierte Bewegungen ausführt. Aus dem so entstehenden Wasserstrom nimmt sie Sauerstoff zur Atmung auf und filtert aktiv ihre Nahrung heraus, die aus feinem organischem Material besteht.
Die Dänische Eintagsfliege trägt bereits als Larve auf ihrem Hinterleib ähnliche dunkle Zeichnungen wie das fertig ausgebildete Fluginsekt. Die Entwicklung der Larven dauert in Abhängigkeit von verschiedenen Umweltfaktoren wie der geografischen Lage, der Wassertemperatur und dem Nahrungsangebot ein bis drei Jahre, in Mitteleuropa meist zwei Jahre. In Gewässerbereichen mit langfristig optimalen Entwicklungsbedingungen können die Ephemera-Larven hohe Populationsdichten erreichen. Dann ist während einer kurzen Zeit im Jahr ein synchronisierter Massenschlupf hunderter von Tieren zu beobachten.
Die doppelte Verwandlung – einmalig in der Insektenwelt
Kurz vor dem Übergang vom Wasser- zum Landleben bildet sich bei der ausgewachsenen Larve zwischen der alten und der neuen Haut eine Luftschicht. Dadurch kann sie zur Wasseroberfläche aufsteigen. Längs einer vorgebildeten Naht an Kopf und Brust platzt nun die Larvenhaut auf und es schlüpft innerhalb weniger Sekunden eine bereits flugfähige Eintagsfliege heraus, die sich allerdings noch deutlich vom geschlechtsreifen Insekt (der Imago) unterscheidet. Dieses „vorläufige Luftstadium“ wird als Subimago bezeichnet. Die Subimago fliegt sofort zu einem geschützten Ort am Ufer, wo sie zunächst für einige Zeit ruhig sitzen bleibt. Die finale Häutung wird durch zitternde Flügelbewegungen und Schwenken des Hinterleibs eingeleitet. Erst nach diesem zweiten Schlupf ist die Eintagsfliege fertig entwickelt und zur Fortpflanzung bereit.
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Wenn es zu einem Massenschlupf kommt und Myriaden von Eintagsfliegen unterwegs sind, warten schon ihre Jäger, wie hier die Buntspechte.
Sowohl die Subimago als auch die Imago haben verkümmerte Mundwerkzeuge und nehmen keine Nahrung mehr auf. Auch der Darm ändert seine Funktion und kann durch das Insekt unterschiedlich stark mit Luft befüllt werden. Dadurch können Eintagsfliegen während des Fluges ihre Körperstellung regulieren und die Weibchen vermutlich das Auspressen der Eier bei der Ablage unterstützen. Unter anderem, weil sie nichts mehr fressen (können), ist das baldige Ende vorprogrammiert.
Die Paarung vergeht im Flug…
Die Imagines der Dänischen Eintagsfliege leben zwei bis vier Tage. In dieser Zeit erfolgen Paarung und Eiablage. Die Männchen schwärmen in Gruppen bevorzugt nachmittags bis abends im Uferbereich. Kommt ein Weibchen hinzu, wird es sofort von den Männchen unterflogen. Hat ein Männchen das Weibchen erfolgreich mit den stark verlängerten Vorderbeinen an den Flügelwurzeln umklammert, umgreift es dieses mit den Kopulationszangen am Hinterleib. Während der im Flug erfolgenden Paarung driften die Tiere mit gespreizten Schwanzfäden und schlagenden Flügeln abwärts und trennen sich meist erst unmittelbar vor Erreichen des Bodens oder der Wasseroberfläche wieder. Bereits kurz danach legt das Weibchen seine Eier ab, und ein neuer Entwicklungszyklus kann beginnen.
(Fotos: pixabay)
6.9.2021