Auf der herbstlichen Rundwanderung vom Besucherzentrum Kaltenbronn zum Wildsee und zurück entdecken wir allerhand: Einen verwunschenen Trollpfad für die Kleinen, malerische Moorseen, einen urigen Bohlenweg, knorrige Baumgestalten, eine großartige Einkehrmöglichkeit und vor allem: viel Ruhe und Natur. Kommt mit auf drei Stunden Schwarzwald vom Feinsten!
Ohne Jagd kein Kaltenbronn
Schon Kaltenbronn selbst, unseren Startpunkt, küren wir zum ersten Highlight unserer Tour. Aus nur vier Häusern besteht das zu Gernsbach zählende Örtchen zwischen Murg- und Enztal. Darunter das ehemalige Jagdschloss, ein Hotel und ein Forsthaus. Schon die Markgrafen von Baden jagten außerordentlich gerne hier. Ohne die Jagd, verrät man uns im Infozentrum, wäre hier in Kaltenbronn wohl niemals ein Gebäude errichtet worden. Die alten, hölzernen Häuser strahlen heute bei bestem Wetter in der Sonne um die Wette. Etwas weiter hinten äst Rotwild im Gehege. Einfach schön!
Infos, so viel das Herz begehrt
Im Infozentrum war früher das „Fußvolk“ der adligen Jagdgesellschaften untergebracht. Ehe wir auf Tour gehen versorgen wir uns mit allem Wissenswerten rund um das Ausflugs- und Naturschutzgebiet am Kaltenbronn. Während an diesem herbstlichen Werktag kaum etwas los ist, wuselt es an den Wochenenden mitunter vor Besuchern. Bei einem Blick auf die unzähligen Prospekte hinter der Theke wird auch klar, warum: Kaltenbronn bietet ein großes Spektrum an Aktivitäten. Wanderwege, Ausflugsziele, Langlaufloipen, Skiabfahrten, Rodelpisten und mehr. Im Zentrum selbst gibt es eine Ausstellung mit sechs unterschiedlichen Themenräumen zur Natur und Geschichte des Gebiets an der württembergisch-badischen Grenze. Alles ist kreativ und liebevoll aufbereitet. Im Raum zum Hochmoor zum Beispiel gibt es ein Labor, in dem die Wasseraufnahmefähigkeit von Torfmoos getestet werden kann. Und Bildschirme, auf denen erklärt wird, wie sich die Torfschichten über die Zeit entwickelt haben. Wir finden, die drei Euro Eintritt lohnen sich.
Wer befreit die gefangenen Trolle?
Jetzt aber los: Hinter dem Infozentrum geht es zunächst am Rotwildgehege vorbei und dann in den Wald hinein. Schon nach kurzer Strecke knallt uns ein Warnschild mit einem Troll entgegen. Der unübersehbare Start des „Trollpfads“. Dahinter verbirgt sich ein etwa 800 Meter langer Single Trail für Kinder, der parallel zum Hauptweg verläuft. Mangels Kinder in unserer Wandergruppe probieren wir den Weg einfach selbst aus – das Benutzen ist Erwachsenen ja nicht eindeutig verboten. Eine Steintafel zu Beginn erzählt eine Geschichte von gefangenen Buchentrollen, die es zu befreien gilt. Fünf Aufgaben warten am Rand des Pfades, bei jeder einzelnen erhalten wir ein Lösungswort. Alle Lösungswörter zusammen ergeben den magischen Lösungssatz, mit dem die armen Trolle am Schluss des Weges befreit werden können.
Also nichts wie rein ins Abenteuer!
Schon bei der ersten Aufgabe staunen wir nicht schlecht. Das erste Wort hängt gut 15 Meter über uns in einer riesigen Kiefer! Und auch die anderen Aufgaben sprühen vor Fantasie und sind toll umgesetzt – mehr wird nicht verraten! Aber auch der Weg an sich ist schon sehenswert. Der Pfad läuft über Stock und Stein durch eine recht offene Waldlandschaft, mit Heidelbeersträuchern an den Rändern. Das Schöne für Eltern: Die allermeiste Zeit sind die Trollpfad-Gänger vom Hauptweg aus zu sehen. Der Nachwuchs bleibt somit immer im Blick.
Verständigung per Flagge
Kurz danach passieren wir die Überreste einer alten „Redoute“, einer Schanzenanlage, die früher als Beobachtungsposten gedient hat. Von hier aus wurden Feindesbewegungen beobachtet und per Flagge an weitere, umliegende Beobachtungspunkte übermittelt – ein historisches Warn- und Fernmeldesystem.
Auf ins Moor – eine ökologische Schatzkiste
Ein großer, beschrifteter Baumstamm zeigt kurz darauf den Beginn des Hochmoors Wildsee an. Anhand eines aufragenden Baumpfahls wird die Mächtigkeit der Torfschicht eindrucksvoll illustriert. Bis zu zehn Meter ist sie hier dick. Für einen Meter braucht sie etwa tausend Jahre. Der erste Torf lagerte sich hier also schon nach der letzten Eiszeit vor rund 10.000 Jahren ab! Die mächtige Torfschicht macht das Hochmoor am Kaltenbronn übrigens zum größten Torflager des Schwarzwalds. Beeindruckend!
Über schwingenden Boden
Ab hier geht es – zunächst kerzengerade – auf einem Brettersteg über den schwingenden Moorboden. Im Gegensatz zu anderen Mooren, zum Beispiel auf der Hornisgrinde, dominieren hier Bäume – vornehmlich Fichten und Latschenkiefern. Weil früher im Zuge der Flößerei Kanäle angelegt und der Wildsee aufgestaut wurden, sank der Wasserspiegel im Hochmoor ab und es konnten wieder Bäume wachsen. Doch die alten Kanäle werden im Laufe der Zeit zufallen. Damit der Wasserspiegel wieder ansteigt und die Bäume zunehmend der anspruchsloseren, ursprünglichen Fauna aus Torfmoosen, Gräsern und Binsen weichen.
Raus aus der Zivilisation – Erlebnis der Stille
Schon einen guten Kilometer weiter geht der Brettersteg in einen Bohlenweg aus alten Eisenbahnschwellen über. Wir stehen unvermittelt am Wildsee, der still und glatt am Wegrand auftaucht. Traumhaft ruhig scheint die Herbstsonne vom strahlend blauen Himmel. Es ist mucksmäuschenstill. Kein Motorenlärm oder andere, sonst so vertrauten Geräuschesind zu hören. Ein solcher Moment völliger Stille ist sicherlich auch Glück, zeigt aber, dass wir hier tatsächlich „weit draußen“ in der Natur sind. Mitten im größten zusammenhängenden Waldgebiet Baden-Württembergs.
Ein einmaliger Naturraum
Der Wildsee gilt als größter Hochmoorkolk Europas. Ein Kolk ist eine wassergefüllte Vertiefung im Moorboden, also ein Tümpel oder See. Der Wildsee entstand durch Spannungen in der Oberfläche des Torfes. Diese riss schließlich, und die dadurch entstandene Vertiefung füllte sich dank hoher Niederschläge mit Wasser. Wie im gesamten Moor gibt es auch im Wildsee kaum Nährstoffe. Und deshalb auch keine Fische, Frösche, Lurche oder sonstige Lebewesen. Die extreme Nährstoffarmut und der saure Boden des Hochmoores sind ökologisch andererseits sehr bedeutsam für das Überleben einiger teils sehr seltener Arten. Beispielsweise Sonnentau und Moormoosbeere. Diese können in anderen Lebensräumen kaum Fuß fassen, da sie von anderen, sich schneller ausbreitenden Arten verdrängt werden. Nur hier, in der Nährstoffarmut des Moores, haben anspruchslose Arten die Nase vorn – denn alle anderen finden hier nicht genug zum Wachsen und Gedeihen.
Der Bannwald – Artenreichtum und Baumgestalten
Nach einer ausgedehnten Rast auf den Bänkchen am Wildsee geht es weiter, wir lassen den Kolk hinter uns. Der Bohlenweg weicht wieder einem neueren Brettersteg, der uns nach 800 Metern zum anderen Ende des Moors geleitet. Ein Schild weist darauf hin, dass wir uns in einem Bannwald bewegen. Seit den Dreißigerjahren greift der Mensch hier nicht mehr in den Wald und in die Natur ein. Tatsächlich werden sofort die Unterschiede zum üblichen Wirtschaftswald erkennbar: Tote Bäume liegen quer im Wald und fallen den natürlichen Zersetzungsprozessen anheim. Weiße Baumskelette ragen glänzend zwischen jungen Fichten auf und bieten Lebensräume für Specht, Sperlingskauz und unzählige Insekten. Knorrige Baumgestalten winden sich am Wegrand, und vereinzelte Baumriesen beeindrucken uns mit ihren mächtigen Stämmen. Der Wald ist recht offen, immer wieder dringt viel Licht auf den Boden und lässt Heidelbeeren und andere Sträucher gedeihen – was wiederum lebensnotwendig für das Auerwild ist.
Tolle Einkehrmöglichkeit – nur für uns heute nicht
Von hier aus wären es noch 1.500 Meter zur „Grünhütte“, einer traditionsreichen und grandios hübschen Einkehrmöglichkeit mitten im Wald. Leider haben die Wirte aber gerade Betriebsferien und wir müssen dieses Mal auf den kulinarischen Part verzichten. Wer die Wanderung verlängern möchte, kann von hier aus auch über den Sommerberg weiter gehen bis zum Baumwipfelpfad in Bad Wildbad. Zurück kann man dann ganz bequemmit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Kaltenbronn fahren.
Kleine Schmankerl am Wegesrand
Wir jedoch schlagen den Rückweg ein. Auf Wirtschaftswegen geht es die vier Kilometer nach Kaltenbronn zurück. Der malerische Bannwald macht die Strecke sehr kurzweilig und spannend. Es gibt viel zu sehen und zu entdecken. Zum Beispiel die „Jägerschaukel“, die unvermittelt auftaucht und zu einem Päuschen einlädt – samt schönem Fernblick über die Schwarzwaldhügel.
Noch Energie? Dann auf zum Hohlohturm
Zurück im Weiler Kaltenbronn können die Hungrigen im Hotel Sarbacher einkehren, dem ehemaligen Jagdhaus und Kurhotel. Für die Sportlichen gäbe es noch eine Variante hoch zum Hohlohturm, der auf gut 1.000 Metern liegt und bei günstiger Witterung phänomenale Fernblicke in die Vogesen, den Pfälzerwald, den Odenwald und die schwäbische Alb zulässt.
Unser Fazit: absolut empfehlenswert!
Den Rundweg Wildsee bewerten wir als wunderschönes Erlebnis inmitten der Natur. Er ist leicht zu gehen und damit für alle Altersgruppen interessant. Im Laufe des nächsten Jahres soll er zudem komplett barrierefrei ausgebaut werden. Mit Hochmoor und Bannwald führt er durch gleich zwei außergewöhnliche Landschaftsformen. Naturschutz hat hier eine lange Tradition, beim Ausflug wird viel Wissenswertes zur Ökologie, Tieren und Pflanzen vermittelt. Mit dem Trollpfad hält die Route auch für Kinder ein außergewöhnlich liebevoll und spannend umgesetztes Abenteuer bereit. Mit der Grünhütte und dem Hotel Sarbacher fallen die Einkehrmöglichkeiten sehr üppig aus. Und viele weitere Ausflugsziele in unmittelbarer Nähe sowie das multimedial eingerichtete Kaltenbronner Infozentrum bieten einen großen Fundus an weiteren Aktivitäten. Es lohnt sich ganz bestimmt, auch mehrere Tage hier zu verbringen.