Die Weinlese im Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord war Ende Oktober abgeschlossen. Bernhard Moser, Vorstandsvorsitzender der Winzergenossenschaft Baden-Baden, zieht ein zufriedenes Fazit für den Jahrgang 2016. Obwohl es anfänglich gar nicht gut aussah. Wir haben Bernhard Moser einen Tag bei der Weinlese begleitet.
Start: nass und trüb
Vielleicht hatten einige den Jahrgang 2016 schon abgeschrieben. Das gesamte Frühjahr über gab es nichts als Regen. Die Feuchtigkeit lässt schädliche Pilze prächtig gedeihen. Sie setzen den Weinstöcken und den Trauben zu. „Vor allem in Lagen, die morgens im Schatten liegen und nicht abtrocknen, kann es mit dem Befall ganz schnell gehen“, erklärt Bernhard Moser. Glücklicherweise hat sich der Sommer ab Mitte Juli dann doch noch eindrucksvoll durchgesetzt. Mit viel Sonne und nur gelegentlichen Niederschlägen. „Deshalb hat es noch für einen ‘normalen‘ Jahrgang gereicht“, sagt der Vorstand. „Beim Weißwein ernten wir jetzt die übliche Menge, beim Roten ist es etwas weniger, weil die Stöcke in der Blüte ziemlich gelitten haben.“ Und wenn die kaputt gehen, sagt Moser, könne man nichts mehr tun.
Runter in den dunklen Keller und ins Weinarchiv
Bernhard Moser nimmt uns mit in den Genossenschaftskeller. Kurz nach der Treppe stehen die klassischen Holzfässer. 4.500 bis 5.500 Liter passen dort rein. Rechterhand lagern in zwei Nebengängen die ganz alten Tropfen: Das Weinarchiv der Genossenschaft. „Hier werden alle Weine seit dem ersten Jahrgang 1926 aufbewahrt“, erklärt Moser. Mit Ausnahme der Kriegsjahrgänge, die vollständig von der Siegermacht Frankreich beschlagnahmt wurden. Ob man die alten Weine auch trinken kann? „Selbstverständlich“, sagt Moser. „Und sie schmecken auch noch hervorragend.“
Weinbau in Baden-Baden: 1000 Jahre Tradition
Die Weinbautradition reicht natürlich noch viel weiter zurück. Seit über 1000 Jahren werden in der Badener Region Rebstöcke angebaut. Hier ist es im Jahresmittel wärmer als in den Nachbarregionen, die Sonne scheint häufiger. Die Niederschläge verteilen sich gleichmäßig übers Jahr, und oft ist gerade der Herbst recht freundlich. Das bekommt vor allem dem Weißwein sehr gut. Der macht rund 72 Prozent der Gesamtproduktion aus.
Modernisierungen, immer wieder
Heute lagert der weitaus größte Anteil des reifenden Weins nicht in den schmucken Holzfässern, sondern in Edelstahltanks mit 20.000 bis 40.000 Litern Volumen. Der Gang durch den Keller kommt dabei einer technischen Zeitreise gleich. Während kurz nach Gründung der Winzergenossenschaft 1922 die Lagerung noch in Privatkellern erfolgte, wurde der Wein erstmals zentral in riesigen, gemauerten Becken gelagert. Als sich technische Schwierigkeiten ergaben, sattelten die Weinbauern in der 50ern auf Metalltanks um, die etwas wie überdimensionierte Taucherglocken anmuten. Später kamen dann die glänzenden Edelstahlkolosse, von denen mehrere Generationen im Neuweierer Gewölbe stehen.
Vollautomatisierte Verarbeitung nach der Weinlese
Nach unserer Führung durch den Weinkeller zeigt uns Bernhard Moser die Produktion. Heute ist Lesetag. Die Sonne scheint und es geht ein ordentlicher Wind, der die Trauben trocknet. Ideale Bedingungen also. Auf der Einfahrt zur Halle stauen sich die Fahrzeuge. Die Anhänger randvoll mit frisch geernteten Trauben. In der Halle werden die Behälter in einen überdimensionierten Trichter gekippt und von einer Schnecke hinab gefördert. Maschinell erfolgt die Trennung von Fremdkörpern. Darauf werden die Trauben wieder hoch transportiert und den hydraulischen Pressen zugeführt. Druck von über 100 Tonnen presst auch das kleinste Bisschen Saft aus den Beeren. Der wird anschließend über ein Leitungssystem in die Tanks der Keller gepumpt. Weil die Anlieferung der Trauben sortenrein erfolgen muss, entscheidet eine „Herbstkommission“ der Winzergenossenschaft, an welchem Tag welche Sorte geerntet wird. Diese Vorgabe gilt verbindlich.
Winzer: Tradition und Nachwuchsprobleme
Bernhard Mosers Familie hat die Geschichte der Genossenschaft von Anfang an begleitet. Er führt den Betrieb in der vierten Generation und ist einer von nur drei Vollerwerbswinzern in der Winzergenossenschaft. Insgesamt sind in ihr fast 300 aktive Weinbauern organisiert. Fünf Hektar Rebfläche und drei Hektar für den Obstbau bewirtschaftet er. Mittlereile, sagt Moser, sei der Weinbau aber zu einem Geschäft für Idealisten geworden. Das Lohnniveau der Industriebetriebe im Umland liegt deutlich höher. Viele Kinder der Genossenschaftswinzer kehren dem Beruf deshalb den Rücken.
Durch den Einsatz technischer Hilfen wie dem Vollernter wird versucht, dem Personalproblem Herr zu werden und die Produktion wirtschaftlicher zu gestalten. Zudem fusionierte man mit anderen Winzergenossenschaften: 1970 mit Bühlertal, 2007 mit dem Weinkeller Hans Stich den Buben und 2012 mit der Winzergenossenschaft Varnhalt. Mit den Zusammenschlüssen ergaben sich neue Möglichkeiten. Die Anbaufläche stieg auf 400 Hektar. Eine neue, zwei Millionen Euro schwere Kühlanlage konnte angeschafft werden. Der Fahrzeugpark wird seitdem gemeinsam genutzt und der Vertrieb gemeinschaftlich organisiert.
Klimawandel spielt eine Rolle
Dass sich das Klima ändert, merkt man in der Wintergenossenschaft durchaus. Anders als der Laie zunächst vermuten mag, wirkt sich ein generell wärmeres Klima im Weinbau nicht nur positiv aus. Dem Weißwein zum Beispiel schadet es eher. Er wird früher reif und verliert in der Folge viel seiner Säure. Die müsste dann hinterher künstlich zugesetzt werden, was die Qualität beeinflusst. „Wenn man bedenkt, dass im Riesling 37 natürliche Säurearten enthalten sind, kann man sich vorstellen, dass der Originalgeschmack künstlich nicht herzustellen ist“, erklärt Bernhard Moser. Eine Prognose, wie sich der Weinbau wegen des Wandels entwickelt, wagt er nicht. „Keiner kann genau sagen, was passieren wird. Deswegen kann ich das gegenwärtig nicht einschätzen“.
Herrlicher Arbeitsplatz unter Schwarzwald und Burg
Als letzte Station unseres Weinausflugs besuchen wir endlich die Weinberge von Neuweier, auf denen die Weinlese in vollem Gange ist. Wir stehen inmitten einer traumhaften Landschaft. Nach Osten hin erstrecken sich weit die Rebstöcke, bis zu den Hangausläufern des Hochschwarzwaldes. Hier übernimmt nahtlos die typische Nadelwaldflora. Nordöstlich thront die Yburg. Bernhard Moser schneidet die Reben zusammen mit seiner Frau, einigen Freunden und einem rumänischen Erntehelfer, der die Familie seit Jahren unterstützt. Am Rebstock zeigt Moser, wie heute essigfaule und ähnlich beschädigte Trauben herausgeschnitten werden. Sie würden die Erntequalität negativ beeinflussen, ließe man sie hängen. Die Haupternte soll noch ein bis zwei Wochen am Stock weiter reifen.
Eska: hartnäckiger Pilz
Zwischen den gesunden Weinreben gibt es immer wieder Stöcke, die weniger Blätter und Früchte tragen. „Das ist „Eska“, erklärt Bernhard Moser. Bei einem bereits abgesägten Rebstock sieht man eine helle Verfärbung im Stamminneren. Der Pilz arbeitet sich dort nach unten zur Wurzel durch. Die Pflanze stirbt. Eska tritt bereits seit Mitte der 50er auf. Dennoch konnte bislang kein Gegenmittel gefunden werden, trotz weltweiter Forschungsinitiativen. Nicht einmal die Art der Ansteckung ist zweifelsfrei belegt. Es wird angenommen, dass die Pflanzen beim Schnitt über die Rebschere infiziert werden.
Altes Handwerk, modernste Technik
Im Hang gegenüber sieht man als kleinen roten Punkt einen Vollernter bei der Arbeit. Wie der wohl funktioniert? Wir verabschieden uns im Weinberg von Bernhard Moser und schauen uns das technische Wunderfahrzeug aus der Nähe an. Sascha Pfaff, Besitzer und Fahrer, kommt auf Bestellung zu den einzelnen Weinbergen und erntet die Reben ab. Dazu fährt das hohe Fahrzeug jeweils über eine Rebzeile hinweg. Von vorne sieht das ein wenig so aus, als stünde der Vollernter auf Stelzen. Die Rebstöcke werden nun kräftig durchgerüttelt, sodass die Trauben abfallen. Sie landen im Fahrzeug auf einer so genannten „Schuppenbahn“, einer Art Förderband, das sie ins Innere abtransportiert. Hier werden Blätter und Zweige aussortiert und die Trauben ins Fahrzeugobere geführt, wo die fertige Ernte lagert. Der Vollernter kann erst ab einem ausreichenden Abstand zwischen den Rebzeilen eingesetzt werden. Dafür lassen sich alle vier Räder unabhängig voneinander hydraulisch verstellen, um sich dem jeweiligen Geländeniveau anzupassen.
Zum Schluss: Überblick und Fazit
Um dem fantastischen Ausflug die Krone aufzusetzen, fahren wir hoch zur trutzigen Yburg. Im Burghof werden wir von zahlreichen Schnitzkunstwerken überrascht. Hauptsächlich Fabelwesen, die sich winden und verstecken. Oben auf dem Bergfried bläst ein mächtiger Wind. Der Ausblick: atemberaubend! Zu sehen sind die Hornisgrinde (der höchste Berg im Nordschwarzwald) und die steil ins Rheintal abfallenden Waldhänge, die kurz vor Neuweier in die Weinberge übergehen. Südwestlich können wir sogar das Straßburger Münster erahnen. Wirklich einzigartig: Ein rauer, bergiger Nationalpark in direkter Nachbarschaft einer Kulturlandschaft mit 1000-jähriger Weinbau-Tradition, wo gibt es das sonst? Von hier oben wünschen wir Bernhard Moser und der Winzergenossenschaft eine erfolgreiche Hand bei der Bewältigung der Herausforderungen, die der Weinbau in Zukunft zu meistern hat. Auf dass die edlen Tropfen auch weiterhin sprudeln!
Fernblick von der Yburg aufs Weinanbaugebiet und den Schwarzwald. Genießt die Aussicht!
(Fotos und Video: Stefan Dangel)