Heute begeben wir uns mit unserer Kräuterfrau und Schwarzwald- Guide Monika Wurft auf Spurensuche: Von der Wilden Möhre bis zur heutigen Gartenmöhre und wie wild es in dieser Familie zugeht! Zurzeit blüht die Wilde Möhre (Daucus carota). Und wie sie blüht! Im wahrsten Sinne des Wortes wie wild. Nicht nur ganze Gärten werden von ihr in Besitz genommen, sondern überall am Wegesrand und auf Wiesen könnt ihr sie entdecken und das bis in den September hinein.
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Es ist eine gute Zeit, die Wilde Möhre näher kennen zu lernen, denn die Familie der Doldenblütler (Apiaceae) macht es uns grundsätzlich nicht leicht! Die Wilde Möhre und ihre zahlreichen wilden Verwandten wie Giersch, Engelwurz, Wiesen-Bärenklau, Bärwurz, plus die zahme Gartenverwandtschaft von Karotte über Kümmel bis Fenchel, Dill, Koriander und Sellerie, sehen sich – zumindest was den Blütenstand anbelangt – auf den ersten Blick sehr ähnlich und machen dem Betrachter die Bestimmung schwer.
Diese Blütenstände, die so genannten Dolden, meist alle in weißer bis gelblicher Farbausführung, mit ihren vielen kleinen Döldchen, sind zunächst perfekte Landebahnen für Insekten. Denen ist es schließlich egal, auf welcher Pflanzen sie landen – Hauptsache Nektar. Doch uns kann es nicht egal sein, gibt es doch auch giftige Verwandte unter den Doldenblütlern wie Wasserfenchel, Schierling oder Hundspetersilie.
Schaut genau hin – Verwechslungsgefahr
Damit will ich euch auf keinen Fall abschrecken, sondern eher bestärken, Doldenblütler, wie in diesem Fall die Wilde Möhre, nach und nach besser kennen zu lernen, das heißt genau hinzuschauen, um sie sicher von ihren anderen Familienmitgliedern unterscheiden zu können. Wenn ihr Doldenblütler grundsätzlich von anderen Pflanzenfamilien unterscheiden wollt, dann ist das nicht so schwierig. Alle Blüten sind gleich aufgebaut. Früher hießen sie Schirmblüten. Und mit dem Bild eines Schirmes vor Augen könnt ihr die Blütenstände gut zuordnen. Jede Dolde hat einen gemeinsamen Ausgangspunkt, wie bei einem Schirm, den man aufspannt. Jede Dolde setzt sich aus zahlreichen Döldchen zusammen, die auch wieder von einem Ausgangspunkt starten. Mit dieser Basis könnt ihr in der Regel schon einen Korbblütler, wie zum Beispiel die Schafgarbe, von einem Doldenblütler unterscheiden.
Daran erkennt ihr die Wilde Möhre
Innerhalb der Doldenblütler allerdings müsst ihr jedoch wie wild auf alles achten, was sich euch als Betrachter bietet, und noch mehr! Bei der Wilden Möhre gibt es viele typische Merkmale, die uns die Bestimmung erleichtert. Unübersehbar und auf ihre Art einzigartig ist, dass jede einzelne ihrer Dolden von filigranen Hüllblättern wie mit einer Tortenspitze eingerahmt wird. Von Hüllchenblättern umrahmt wird auch jede ihrer vielen kleinen Döldchen, aus denen sich die gesamte Blütendolde zusammensetzt.
Ganz besonders augenfällig bei der Wilde Möhre ist, dass in der Mitte ihrer cremeweißen Dolde eine schwarzpurpurne „Möhrenblüte“ sitzt, der vermutlich die Mohrrübe ihren Namen verdankt. Diese Lockblüte gaukelt ein Insekt vor, um bestäubende Insekten, Schwebfliegen und Käfer anzulocken. Auch auf den menschlichen Betrachter wirkt sie und hat schon manchen genarrt, der meinte, eine Fliege oder Spinne sitzt auf der Dolde der Wilden Möhre exakt in der Mitte.
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Perfekte Landebahn für Krabbeltiere – in der Mitte das „Scheininsekt“.
Wie ein Vogelnest
Mit ihrem runden, aufrechten und dazu noch borstig-behaarten 30 bis 90 Zentimeter hohen Stängel habt ihr ein weiteres auffälliges Merkmal, um die Wilde Möhre von anderen Familienmitgliedern zu unterscheiden. Ihre zwei- bis vierfach gefiederten Blätter erinnern zudem an Karottenkraut und duften zerrieben nach Möhren. Als weitere Besonderheit kommt der Fruchtstand hinzu, der sich markant zusammenzieht und wie ein Vogelnest aussieht. Die eiförmigen, rund vier Millimeter langen Samen sind stachelig behaarte Klettfrüchte, die in zwei Teile zerfallen.
Wenn ihr euch trotz all der Merkmale noch nicht sicher seid, ob es sich um die Wilde Möhre handelt, dann greift zur letzten Methode und zieht eine Pflanze mitsamt der Wurzel aus dem Gartenboden. Ihr werdet eine weiße, karottenähnliche Wurzel in der Hand zu halten. Setzt ihr nun den Geruchssinn ein, verbreitet sich, sobald ihr daran reibt, ein süßlich-würziger Duft wie bei einer Gartenmöhre.
Auch eine Wilde Möhre hat’s in sich
Abreiben und Reinbeißen heißt die Devise, denn sie riecht nicht nur gut, sondern schmeckt auch! Für Duft und Geschmack sind die ätherischen Öle verantwortlich. Darüber hinaus hat die Wilde Möhre noch mehr zu bieten. Sie trumpft wie die Gartenmöhre mit Karotin, der Vorstufe des Provitamin A, Vitamin C, B1 und B2 sowie Mineralstoffen, Pektinen und Kohlenhydraten auf. In der Volksheilkunde kommt die Wilde Möhre bei Magenproblemen zum Einsatz, ähnlich der Kulturkarotte. Sie wirkt zudem harntreibend und wird auch als wurmtreibend und hilfreich bei einem Kater beschrieben.
Ihr könnt einen „Wilden Möhren Tee“ ausprobieren aus Wurzel, Kraut oder Früchten, getrocknet genauso wie frisch:
Zirka zwei Teelöffel Droge mit einem Viertelliter kochendem Wasser übergießen und fünf Minuten ziehen lassen. Danach gießt ihr den Sud ab und trinkt über den Tag verteilt zwei bis drei Tassen Tassen.
Historisches über die Wilde Möhre
Die Wilde Möhre als eine der ältesten Kulturpflanzen war schon in der Jungsteinzeit bekannt. Dass die Wurzel eine gewisse Dicke erreichen konnte, hatte man bereits erkannt und sie in der Ernährung eingesetzt. Deshalb gilt die Wilde Möhre auch als eine der Stammeltern der heutigen Kulturmöhren. Diese entstanden durch die Kreuzung der Wilden Möhre, Daucus carota, mit einer südeuropäischen Möhre, Daucus carota maximus. Die Rotfärbung der heutigen Kulturmöhre könnte auf die Einkreuzung der orientalischen Daucus carota subsp. afghanicus zurückgehen. Diese orangerote und fleischige Rübe gab den Ausschlag für den weit verbreiteten Anbau der Gelben Rüben. Durch die Kultivierung entstand aus den Wilden Möhren ein wichtiges und gesundes Gartengemüse. Mit rund sechs Millionen Tonnen Weltjahresproduktion gehört die Kulturmöhre zu den wirtschaftlich bedeutendsten Gemüsen.
Natur- und Gartentipp
Die Wilde Möhre ist eine zweijährige Wildpflanze, die im ersten Jahr nur eine Blattrosette bildet, mit der sie Nährstoffe bildet, um sie in ihrer Wurzel zu speichern. Im zweiten Jahr entwickelt sie ihren markanten Blütenstand mit dem Ziel, sich mit tausendfachen Samen zu vermehren. Sie gedeiht auf fast allen Böden, bevorzugt allerdings leichte Sandböden.
Zur Blütezeit geht es auf den Doldenblüten turbulent zu. Viele Käfer und Fliegen, von der schwarzen Blüte angezogen, tummeln sich auf ihnen und locken Raubinsekten und Vögel an, die sich das Festmahl ihrerseits nicht entgehen lassen.
Laub, Blüten und Fruchtstände sind sehr dekorativ und lassen sich zu Wildblumensträußen und Naturdekorationen verarbeiten. Meistens wandert die Wilde Möhre im eigenen Garten ungefragt ein und erweist sich als wunderschöner und dazu noch schmackhafter Blickfang, der sich zudem selbstständig und munter weiter vermehrt.
Kulinarisch
Wie bei der Gelben Rübe könnt ihr die Wurzeln der Wilden Möhre ernten. Entweder schon im ersten Jahr oder im zweiten Jahr, allerdings vor der Blüte. Dann sind sie süß und bissfest. Mit der Blütenbildung verholzen die Wurzeln zunehmend und werden hart.
Die Wurzeln finden ähnlich der Kulturmöhre ihre Verwendung in Suppen und Eintöpfen. Meiner Erfahrung nach jedoch nur in kleinen Mengen, am besten kombiniert mit anderem Gemüse, da ihr Geschmack sehr intensiv ist.
Blätter und Blüten könnt ihr die ganze Vegetationszeit über verwenden. Sie kommen bei mir mit ihrem Erscheinen als Würze in Suppen, Salaten und Eintöpfen und für Kräutersalze zum Einsatz. Vor allem die Blüten sind als essbare Dekoration eine Augenweide auf Salaten und in Getränken oder können wie Holunderblüten im Backteig ausgebacken werden. Die „Vogelnester“ mit den Früchten werden kurz vor der Vollreife abgeschnitten und frisch oder getrocknet als Gewürz verwendet, indem ihr die stacheligen Früchte abrebelt, mörsert oder in einer Pfeffermühle fein mahlt.
Viel Spaß mit der Wilden Möhre!
WILDPFLANZENQUIZ
Preisfrage: Wie sieht der Fruchtstand der Wilden Möhre aus?
Schickt bis zum 31. August 2021 eine E-Mail mit der Antwort an redaktion@naturparkschwarzwald.blog, schreibt „Wilde Möhre“ in den Betreff und eure Kontaktdaten in den Mailtext, damit wir euch gegebenenfalls den Gewinn zusenden können. Mit der Teilnahme akzeptiert ihr unsere Teilnahmebedingungen.
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(Text und Fotos: Monika Wurft)
10.8.2021