Er trägt eine Maske, fast wie der legendäre Mantel- und Degen-Held Zorro. Der Gartenschläfer ist ein zwar gerne, aber sehr selten gesehener Gast in unseren Gärten und Parks. Selten sehen wir ihn, weil er nachtaktiv ist und ein halbes Jahr lang Winterschlaf hält. Doch vor allem ist er selten geworden, weil sein Lebensraum um die Hälfte geschrumpft ist und weiter zurückgeht. Deshalb hat ihn die Deutsche Wildtier Stiftung zum Tier des Jahres 2023 ernannt.
Bekannter sind seine Verwandten, der Siebenschläfer und die Haselmaus. Der Gartenschläfer (Eliomys quercinus) ist ein Kleinsäuger aus der Familie der Bilche. Zu dieser Familie gehört auch der sehr seltene Baumschläfer. Der Rumpf des Gartenschläfers wird zehn bis 17 Zentimeter lang, sein Schwanz noch einmal acht bis 15 Zentimeter. Ein großes, ausgewachsenes Exemplar kann also von der Nasen- bis zur Schwanzspitze über 30 Zentimeter lang werden. Das Fell des Gartenschläfers ist an der Oberseite rotbraun bis grau, die Flanken und die Unterseite sind weiß. Markant sind die schwarzen Streifen von der Nase über die Augen bis hinter die Ohren, die an eine »Zorro-Maske« erinnern. Damit ist er gut vom Siebenschläfer zu unterscheiden.
Garten oder Wald?
Er heißt zwar Gartenschläfer, doch am wohlsten fühlt er sich in strukturreichen, felsigen Nadel- und Mischwäldern in Bergregionen. In Deutschland ist sein Hauptverbreitungsgebiet der Südwesten. Im Schwarzwald findet er noch gute Lebensbedingungen. Gleichzeitig ist er aber Kulturfolger, siedelt in Gärten und Parks und sogar in der Stadt. Während ihm in Naturlandschaften Füchse, Eulen oder Marder auflauern, drohen ihm in Siedlungen ganz andere Gefahren: Katzen, Rattengift oder nicht abgedeckte Regentonnen, in denen er ertrinken kann.
(Foto: Kerstin Hinze)
Zorro ist zwar ein sehr geschickter Kletterer und kann sogar an Hausfassaden hinauf, trotzdem hält er sich meist am Boden auf. Den Tag verbringt er schlafend in kugelförmigen Nestern, die er in Baumhöhlen, Felsspalten oder in Nistkästen und Mauerschlitzen, aber auch frei im Gebüsch baut. Er legt mehrere Nester an, die er bei Gefahr schnell wechselt.
Eiskalter Winterschläfer
Der possierliche Bilch ist weitgehend ein Allesfresser. Er ernährt sich von Insekten, Tausendfüßlern, Spinnen und Schnecken, von Wildfrüchten, Samen und Kernen, sogar kleine Wirbeltiere wie junge Mäuse und Kleinvögel sowie Vogeleier stehen auf seinem Speiseplan. Er bevorzugt tierische Nahrung, weil er mangels Blinddarm im Unterschied zu anderen Nagetieren keine Pflanzenfasern verdauen kann. In der kalten Jahreszeit fehlen diese Nahrungsgrundlagen, deshalb schläft er rund sechs Monate lang. Im Winterschlaf reduziert sich sein Herzschlag auf zwei Schläge pro Minute. Seine Körpertemperatur kann sogar auf minus ein Grad sinken!
(Foto: Kerstin Hinze)
Geschwätziger Gartenschläfer
Gartenschläfer beherrschen ein großes Repertoire an Geräuschen von Zwitschern, Pfeifen, Murmeln über Knarren und Keckern bis zu Grunzen. Besonders in der Paarungszeit pfeifen die Weibchen laut, um Männchen anzulocken. Diese suchen sich ab April eine Partnerin. Nach rund drei Wochen kommen die Jungen zur Welt. Das Weibchen kann ein bis neun Junge gebären, meist sind es vier bis sechs. Wenn sie 18 Tage alt sind, öffnen sich die Augen, nach etwa 40 Tagen sind sie selbstständig. Ein Jahr später werden sie geschlechtsreif.
Von Südportugal bis an den Ural
Der Gartenschläfer kommt nur in Europa vor, im Osten in zahlreichen voneinander geografisch isolierten Gebieten. Von West nach Ost reicht das Verbreitungsgebiet von Südportugal und der Bretagne bis in den südlichen Ural, von Nord nach Süd von Finnland bis nach Südspanien und Sizilien. In Deutschland ist sein Bestand lückenhaft. Er besiedelt einzelne Gebiete im Südwesten sowie in der Mitte und im Südosten. Während er im Südosten die Hochlagen von Harz, Fichtelgebirge und Bayerischem Wald bewohnt, lebt er hier im Südwesten auch in Gärten im Siedlungsbereich, in Weinbergen und auf Obstwiesen. Dort findet er Schutz in dichten, Beeren tragenden Hecken, begrünten Fassaden und alten Gebäuden mit Spalten und Nischen.
Rückgang um rund 50 Prozent
In den vergangenen Jahrzehnten waren für die Gartenschläfer in Zentral-, Süd- und Osteuropa starke Bestandsrückgänge zu verzeichnen. In einigen Regionen gelten sie als ausgestorben, etwa in Kroatien, Rumänien und in der Slowakei. Da die Population in Westeuropa noch einigermaßen stabil ist, steht der Gartenschläfer europaweit »nur« auf der Vorwarnliste. In der Roten Liste in Deutschland ist die Art aber als stark gefährdet eingestuft. Warum es so weit gekommen ist, weiß man nicht so genau. Sicher spielen die üblichen Faktoren, die auch anderen Lebewesen zusetzen, eine Rolle: Verlust natürlicher Streuobstwiesen, intensive Forst- und Landwirtschaft, Monokulturen, Zersiedelung. Daher möchte die Deutsche Wildtier Stiftung in diesem Jahr auf den Bilch aufmerksam machen und so zu ihrem Schutz beitragen. In Deutschland ist der Gartenschläfer als eine nationale Verantwortungsart innerhalb der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt der Bundesregierung eingestuft. Der Bestandsrückgang wird im Rahmen eines Projekts von 2018 bis 2024 vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Forschern der Universität Gießen sowie von der Senckenberggesellschaft untersucht.
(Fotos: Kerstin Hinze, Hans/Pixabay)
10.1.2023