Heute begeben wir uns mit unserer Kräuterfrau und Schwarzwald-Guide Monika Wurft auf Wurzelsuche. Zurzeit zeigt der Beinwell noch seine rauen Blätter, doch wenn es an die Wurzel geht, haben sich seine Blätter zurückgezogen. Wohl dem der rechtzeitig eine Markierung angebracht hat.
Zurzeit könnt ihr den echten Beinwell, Symphytum officinale, noch an seinen Blättern erkennen. Das kann sich schnell ändern, denn die Pflanze zieht sie vor dem Winter komplett ein.
Daran erkennt ihr den Beinwell
Schaut euch deshalb an feuchten Gräben, auf nassen Wiesen oder entlang von Waldwegen um. Die steifhaarige und verzweigte Pflanze kann bis zu einem Meter hoch werden und breitet sich gern flächendeckend aus. Ihre kantigen, aufrecht wachsenden Stängel sind am Rande geflügelt. Die dunkelgrünen, grob nervigen Blätter können bis zu 30 Zentimeter lang werden und sind breit lanzettlich. Die größten Exemplare unter ihnen wirken wie die ausgebreiteten Flügel eines großen Raubvogels. Die Blätter sind so stark behaart, dass ihr damit rascheln könnt, wenn ihr ein Blatt in der Hand haltet. Zur Familie der Raublattgewächse (Boraginaceae) gehörend, machen sie damit ihrem Familiennamen alle Ehre.
Die traubigen Blütenstände sitzen beim Beinwell am Ende des Stängels und in den oberen Blattachseln und sehen wie eingerollte Wickel aus. Diese Wickel werden über den Sommer immer länger, da sie laufend neue Blüten nachschieben. Die einzelnen Beinwellblüten sind Glöckchen, die sich von Mai bis August in lila-violetten bis weißlichen Farbabstufungen präsentieren. Die Samen des Beinwells, die sogenannten Klausen, sind viergeteilt und zur Reifezeit schwarz glänzend. Sie sind mit einem fettreichen Anhängsel ausgestattet, dem sogenannten Elaiosom. Dadurch sind sie für Ameisen besonders schmackhaft. Diese sammeln sie ein, verlieren beim Transport in ihr Nest immer einige und sorgen so, aus Sicht des Beinwells, für die Erschließung neuer Standorte.
Beinwell und seine inneren Werte
Sein Gattungsname Symphytum leitet sich von symphytos im Sinne von zusammenwachsen beziehungsweise heilen ab. Auch sein deutscher Name Beinwell, von Bein für Gebeine, Knochen, und well von wallen, überwallen, zusammenwachsen, bringt zum Ausdruck, dass seine Inhaltsstoffe dazu beitragen, das Zusammenwachsen gebrochenen Knochen zu fördern.
Mit regional variierenden Namen wie Wallwurz, Beinwurz, Schwarzwurz und Schmerzwurz rückt die Wurzel bei der Verwendung des Beinwells in den Fokus. Diese präsentiert sich als dicker, saftig-schleimiger, außen schwarzer und innen weißer Wurzelstock, der über einen Meter tief wurzeln kann.
In der Volksheilkunde wird Beinwellwurzel seit der Antike bei Verletzungen von Muskeln, Sehnen, Gelenken und Knochen verwendet. Durch ihren hohen Gehalt an Allantoin, reichlich Schleimstoffen, Gerbstoffen und Kieselsäure zeigt sie eine abschwellende, entzündungshemmende, schmerzstillende Wirkung.
Beinwell ist bis heute eine wichtige Arzneipflanze, die äußerlich bei Gelenkbeschwerden, Gicht, Knochenbrüchen, Prellungen, Zerrungen, Stauchungen, Blutergüssen, Sehnenscheiden- und Schleimbeutelentzündungen sowie bei verspannten Muskelgruppen verwendet wird. Dabei kommen die Auszüge der Beinwellwurzel in Form von Salben, Umschlägen und Tinkturen auf intakter Haut zum Einsatz.
Aufgepasst
Auf Grund der im Beinwell enthaltenen Pyrrolizidinalkaloide ist seine innerliche Verwendung in den letzten Jahren in die Kritik geraten. Da diese Alkaloide in der Leber verstoffwechselt werden, können größere Mengen leberschädigend wirken. Es gibt deshalb die Empfehlung, Beinwell nicht über einen längeren Zeitraum und in höheren Dosen zu sich zu nehmen. Der gelegentliche Verzehr in kleinen Mengen gilt jedoch als unbedenklich. Eine äußerliche Anwendung sollte ebenfalls auf vier bis fünf Wochen beschränkt werden. Beinwell-Produkte aus Apotheken sind inzwischen frei von Alkaloiden, da es sich dabei um pyrrolizidinfreie Kulturformen handelt, die extra angebaut werden. Um ein Einkreuzen von Wildformen zu vermeiden, werden diese nur über Stecklinge vermehrt.
Wildkräuterküche
Als gelegentliche Delikatesse können die nach Gurke schmeckenden Blätter des Beinwells von April bis August frisch verwendet werden. Bei größeren Blättern empfiehlt es sich, die dicke Mittelrippe flach zu klopfen oder herauszuschneiden. So vorbereitet, können sie zu Blattrouladen, eingelegt mit Käse und in Pfannkuchenteig ausgebacken verwendet werden. Die Blüten setzen als essbare Dekoration zum Beispiel auf einem grünen Salat oder in einer Kräuterbutter schöne Akzente.
Natur- und Gartentipp
Praktisch ist es, Beinwell im eigenen Garten oder in einem großen Blumentopf auf dem Balkon anzusiedeln. Die kräftige Staude benötigt mit der Zeit zwar einiges an Platz, doch bereichert sie die Artenvielfalt ungemein. Beinwellblüten produzieren sehr viel Nektar und sind deshalb eine wichtige Bienen- und Hummelweide. Die Blütenbildung hängt mit der Sonneneinstrahlung am jeweiligen Standort zusammen: Je mehr Sonne, desto mehr Blüten. Beinwell könnt ihr im Sommer kräftig zurückschneiden und die Blätter als Boden schützende Mulchdecke verwenden. Auch Brühen und Jauchen lassen sich aus Beinwellblättern herstellen und für stark zehrende Gartengemüse als Dünger verwenden. Nach dem Rückschnitt im Sommer treibt die Pflanze schnell neu aus und erfreut ein zweites Mal mit Blättern und Blüten bis in den Herbst.
Gut zu wissen
Im Blattstadium können die Blätter des Beinwells mit denen des Roten Fingerhuts (Digitalis purpurea) oder der Königskerze (Verbascum densiflorum) verwechselt werden. Eine sichere Bestimmung ist vor allem mit Blick auf den giftigen Fingerhut Voraussetzung.
Wurzelernte
Im Spätherbst zieht sich Beinwell oberirdisch komplett zurück. Dann beginnt der richtige Erntezeitpunkt für die Wurzel. Damit niemand Wurzeln schlagen muss, um den Beinwell zu finden, markiert ihr die Stelle einfach mit einem Stecken. So könnt ihr auch mitten im Winter, bis ins Frühjahr hinein, auf ihn zurückgreifen. Grabt bei frostfreiem Wetter ein Stück Wurzel aus, befreit sie von Erde, verwendet sie frisch beispielsweise zur Salbenherstellung oder schneidet sie der Länge nach durch und lasst sie trocknen.
Das macht Spaß
Kann man Pflanzen am Geräusch erkennen? Bei Beinwell und seinem Verwandten, dem Borretsch, kann man es tatsächlich. Ist es ganz ruhig, kann man hören, wie es raschelt, wenn mit der Hand über ein Beinwell- oder Borretschblatt gestrichen wird. Derjenige, der das Blatt in der Hand hält, kann das natürlich auch spüren.
Beinwell Blätter lassen sich, wie im Bild, als Schmuck verwenden. Durch ihre starke Behaarung bleiben sie an Stoffen wie ein Klettverschluss regelrecht kleben und lassen sich als Dekoration auf Jacken, Pullis oder T-Shirts verwenden. So hat schon mancher von einem Spaziergang oder einer Kräuterwanderung einen Beinwell-Orden mit nach Hause gebracht.
Beinwellsalbe
Zutaten
- 50 g gewaschene Beinwellwurzel
- 250 g Öl (Olivenöl oder Sonnenblumenöl)
- 25 g Bienenwachs (gibt es im Imkereibedarf zu kaufen)
Zubereitung
In einem Topf die feingeschnittene Wurzel im Öl unter Rühren erwärmen und bei 50 bis 70 Grad zirka 60 Minuten unter gelegentlichem Rühren ausziehen lassen. Danach das Beinwell-Öl durch ein Sieb abfiltern, das Bienenwachs im warmen Auszug unter Rühren schmelzen lassen und das Ganze sofort in kleine Cremetiegel füllen. Die Tiegel offen erkalten lassen, sonst würde sich am Deckel Kondenswasser bilden, was die Haltbarkeit verkürzt. Zuletzt die Tiegel verschließen, beschriften und die Salbe kühl aufbewahren. Da sie keine Konservierungsstoffe enthält, ist sie rund ein Jahr haltbar. Zur nächsten Saison macht ihr neue Beinwellsalbe.
Tipp: Ein Tiegel Beinwellsalbe darf, wegen ihrer zuverlässigen, schnellen und kühlenden Wirkung, in keiner Sporttasche, Reise- oder Hausapotheke fehlen.
Schafskäse im Beinwellpäckchen
Zutaten
Einige große Beinwellblätter, Schafskäse, Gemüse und Kräuter ganz nach Geschmack
Zubereitung
Gegrillter Schafskäse ist eine leckere Alternative zum Fleisch. Wer hier auf Alufolie verzichten will, nimmt einfach einige große Beinwellblätter, legt sie über Kreuz und wickelt den Schafskäse darin ein. Je nach Geschmack könnt ihr den Schafskäse vorher mit Zwiebeln, Knoblauch, Pilzen oder Kräutern belegen. Das Paket mit einem Zahnstocher verschließen und in einer Pfanne oder auf dem Grill garen. Hier schmeckt sogar die Verpackung!
Viel Freude am Beinwell wünscht Euch Monika Wurft!
(Text und Fotos: Monika Wurft)
26.10.2023
Mehr Kräuterwissen gibt’s im Buch von Monika Wurft:
Monika Wurft, Mein Wildkräuterbuch, 2. Auflage März 2020, Ulmer-ISBN: 978-3-8186-1123-1
Noch mehr Kräuterwissen findet ihr HIER auf dem Blog.