Nicolai Stotz ist Marketingberater sowie Werbe- und Hobbyfotograf. Er hat uns schon mit wunderschönen Fotos von den Karseen im Naturpark versorgt und war Jurymitglied bei unserem Fotowettbewerb. Im Sommer hat er sich einen Wunsch erfüllt und hat drei Tage lang Trekking Schwarzwald erprobt. Nun hat er uns seinen ausführlichen und sehr lesenswerten Erlebnisbericht von seiner Trekking-Tour geschickt. Darin findet ihr auch viele wertvolle Tipps für Leute, die noch keine erfahrenen Trekker sind. Nehmt euch Zeit und schmökert! Und wenn ihr Lust bekommt: Ab 15. März könnt ihr wieder Zeltplätze im Wald buchen.
Warum Trekking?
Der Nordschwarzwald und speziell das Gebiet des Nationalparks faszinieren mich schon seit Längerem. Angefangen hat es damit, dass es mich im Winter auf die flutlichtbeleuchteten Pisten entlang der Schwarzwaldhochstraße zog. Es folgten im Sommer ausgedehnte Fahrrad- und Motorradtouren durch die malerischen Täler der Murg, der Schönmünz oder des Lierbachs.
Irgendwann schnürte ich dann zum ersten Mal die Wanderstiefel, um die Landschaft auf Schusters Rappen zu erkunden. Denn ich stellte fest, dass ich zunehmend das Bedürfnis hatte, die Natur um mich herum noch etwas intensiver zu erleben. So begann ich vor gut einem Jahr, sämtliche Karseen des Nordschwarzwalds zu erkunden. Dabei entstand eine besondere Beziehung zwischen mir und dieser wilden Landschaft mit all ihren Facetten, Eindrücken und Geheimnissen. Irgendwann kam der Wunsch in mir auf, abseits von allem Gewohnten und nur mit dem ausgestattet, was man selbst zu tragen vermag, dort einmal unter freiem Himmel einige Tage und Nächte am Stück zu verbringen. Ungefähr zur selben Zeit hörte ich das erste Mal von den neu eingerichteten Trekking-Camps im Gebiet des Nationalparks.
Über das Internet informierte ich mich näher über die einzelnen Camps und was es zu beachten gilt, wenn man dort übernachten möchte. Jedoch war ich mir noch nicht ganz sicher, wie und wann ich ein solches Vorhaben angehen sollte. Hier kam mir wie so oft der Zufall zur Hilfe. Bei einer Wandertour in der Schweiz gemeinsam mit meinem Neffen und seiner Partnerin erfuhr ich, dass die beiden bereits eine Trekking-Tour in der Pfalz hinter sich hatten und über entsprechende Erfahrungen verfügten. Als ich von den neu eingerichteten Camps im Schwarzwald erzählte, waren sie sofort Feuer und Flamme. So beschlossen wir kurzerhand, eine gemeinsame Trekking-Tour durch den Schwarzwald zu machen.
Die Vorbereitung
Nachdem der Entschluss nun gefallen war, ging es an die Vorbereitung. Dabei profitierte ich von der bestehenden Packliste meiner beiden Begleiter. Bei einer Trekking-Tour zählt vor allem eins: Die Gewichtsreduzierung der Ausrüstung. Da man so ziemlich alles, was man benötigt, mit sich herumträgt, lohnt es sich, dabei auch auf Details zu achten. Denn nach einigen Tagen und vielen gelaufenen Kilometern zählt so gut wie jedes Gramm. Dabei gilt es der Trinkwasserversorgung besondere Beachtung zu schenken. In den Höhenlagen des Schwarzwalds sind die Quellen, Bäche und Brunnen nicht so zahlreich wie in den tieferen Lagen. Also sollte man dort, wo es Wasser gibt, einen entsprechenden Vorrat anlegen – sofern man weiß, wo. Da man das Wasser auch noch zum Waschen und Kochen benötigt, kommen dabei gut und gerne sechs Liter pro Person und Tag zusammen, die man den lieben langen Tag mit sich herumträgt.
Oft ist das Wasser aus natürlichen Quellen durch Moore verunreinigt und es bietet sich an, einen Wasserfilter mit sich zu führen. So ein Filter kostet nicht viel und man erspart sich lästige Magen-Darm-Probleme. Ebenfalls praktisch ist ein Schlauchsystem, in dem das Wasser im Rucksack komfortabel befördert werden kann. Wenn man wie wir zu dritt unterwegs ist, hat man den Vorteil, dass sich allgemeine Utensilien wie Kochgeschirr, Kocher oder Zelt auf verschiedene Personen aufteilen lassen. So kamen wir inklusive unserem Trinkwasser auf etwas mehr als fünfzehn Kilo Gepäck pro Person. Nun galt es noch, die Route mit den entsprechenden Camps auszuwählen.
Mir selbst standen drei Tage zur Verfügung, meinen Weggefährten dagegen die doppelte Zeit. Wir beschlossen daher, das Camp Grimbach auszulassen. Somit konnten meine Begleiter alle anderen Camps in der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit in einer Tour verbinden. Es ist natürlich wichtig zu überprüfen, ob in dem Zeitraum, in dem man seine Tour plant, in den Camps auch freie Plätze zur Verfügung stehen. Die Übernachtungen bucht man vorab auf www.naturparkschwarzwald.de.
Denn je Camp gibt es nur drei Zeltstellplätze. Aber auch hierüber bekommt man auf dem Internetportal eine praktische Übersicht. Da die Nutzungsbedingungen jeweils nur eine Übernachtung zulassen, stehen die Chancen relativ gut, dass man einen freien Platz bekommt. Unter der Woche sind die Camps natürlich viel weniger besucht als am Wochenende.
Orientierung gefragt: die letzte Meile im Wald
Das war für uns auch ein Grund, unsere Tour an einem Sonntag zu beginnen. Die jeweiligen Wanderrouten sind hervorragend ausgeschildert, doch ist das letzte Stück zu den Camps nicht immer ganz einfach zu finden. Entweder verfügt man über ein GPS-Gerät oder man besorgt sich einfach eine Karte. Vom Naturpark bekommt man nach der Buchung eine Wegbeschreibung der letzten „Meile“.
In unserem Fall leistete die Nationalpark-Wanderkarte gute Dienste. Auf Karten-Apps fürs Handy wollten wir uns wegen der meist schlechten Netzabdeckung nicht verlassen. Wie sich später herausstellte, eine gute Entscheidung. Zu empfehlen ist es in jedem Fall, die Buchungen für das Camp mit der Beschreibung der „letzten Meile“ und der Codes für die Zahlenschlösser auszudrucken und mit sich zu führen. Sollte man diese Unterlagen nur auf sein Handy laden, besteht immer die Gefahr, dass der Akku leer ist oder man keinen Empfang hat. Und das bisschen Papier ist auf jeden Fall leichter als eine mitgeführte Powerbank fürs Handy.
Was natürlich nicht fehlen darf, ist für das leibliche Wohl zu sorgen. Hier muss man betonen, dass es fast überall auf oder in der Nähe der Trekking-Route hervorragende Wanderhütten mit leckeren kulinarischen Angeboten gibt. Aber wir starteten mit dem Vorsatz, uns möglichst selbst zu versorgen.
Da wir keine Fans von fertigen Instant-Gerichten sind, bereiteten wir diese im Vorfeld einfach selbst aus frischen Zutaten zu und verpackten sie in Tagesportionen. Ich selbst komme morgens ohne meinen Kaffee nicht so richtig in die Gänge, daher packte ich auch noch meine Kaffeemaschine ein. Dieses Zusatzgewicht habe ich aber gerne auf mich genommen. Wir waren also bestens vorbereitet und konnten unsere Tour beginnen.
24. Juni 2018 – Tag 1
Damit der erste Tag nicht ganz so anstrengend wurde und wir uns zudem an das neue Gewicht auf dem Rücken gewöhnen konnten, wählten wir als Start für unsere Tour das Hundseck an der Schwarzwaldhochstraße. Von dort aus sollte uns unsere sehr gemächliche erste Tagestour bis ins Trekking-Camp beim Seibelseckle führen. Was das Wetter betrifft, hätten wir den Zeitpunkt nicht besser wählen können. In den Wochen zuvor war es sehr heiß und es zogen viele Gewitter über die Region. Die aktuelle Wetterlage war dagegen sehr stabil und mit durchschnittlich 22 Grad nicht all zu heiß. Allerdings war es auch sehr trocken. Das bedeutete, dass die Quellen auf unserem Weg nicht sonderlich gut liefen. Wir mussten also unserem Wassermanagement umso größere Bedeutung zukommen lassen.
Es gibt keine feste Route, welche die Trekking-Camps miteinander verbindet. Stattdessen hat man meist mehrere Möglichkeiten, von denen jede ihren eigenen Charme hat. Da ich öfters in dem Gebiet unterwegs bin, entschied ich, bis zur Zuflucht der roten Raute des Westwegs zu folgen. Der Westweg ist ein besonders schöner Fernwanderweg, der von Pforzheim nach Basel führt und der fast durchweg sehr beeindruckend ist. Vom Hundseck starteten wir dann also einen leichten Aufstieg in Richtung Hochkopf. Der Hochkopf ist ein durch Grinden und Moorlandschaften geprägtes Schutzwaldgebiet.
Geheimtipp Hochkopf
Da der Hochkopf im Vergleich zur Hornisgrinde weniger bekannt ist, könnte man ihn als kleinen Geheimtipp für diejenigen nennen, die Ruhe und Einsamkeit suchen. Daher lohnt es sich, dort etwas Zeit einzuplanen, um die beeindruckende Landschaft und die tolle Aussicht hinüber zur Hornisgrinde und hinunter in die Rheinebene auf sich wirken zu lassen. Anschließend führte uns unser Weg hinab nach Unterstmatt. Aus der Stille des Waldes fanden wir uns plötzlich in einem riesigen Trubel wieder. Auf dem Parkplatz fand ein großes Motorradtreffen statt, das zahlreiche Biker mit ihren Maschinen anlockte. Livemusik, röhrende Motoren und Hunderte von Stimmen bildeten einen extremen Kontrast zu der Einsamkeit des Hochkopfs, aus der wir gerade kamen. Gerade deshalb machte es uns aber auch Spaß, über die Veranstaltung zu schlendern, wo uns die Biker mit unseren großen Rucksäcken und unseren Trekking-Outfits interessiert musterten.
Von Unterstmatt führt ein sanfter Anstieg durch einen malerischen Bergwald zum Wanderheim Ochsenstall. Hier legten wir eine erste Rast ein. Eigentlich führten wir ja ausreichend Nahrung mit und hätten uns ohne Einkehr gut versorgen können. Allerdings wurden wir bei dem kulinarischen Angebot entlang unseres Weges doch so manches Mal schwach. Die angebotenen regionalen Leckereien sind einfach zu verführerisch und so gönnten wir uns auch am Ochsenstall zuerst einmal eine deftige Erbsensuppe. So gestärkt war der weitere Weg hinauf auf die Hornisgrinde ein Kinderspiel. Vorbei am riesigen SWR-Sendeturm fanden wir uns bei schönstem Wetter auf dem weitläufigen Gipfelplateau der Hornisgrinde wieder, die sich mit 1.163 Metern über Meereshöhe, „höchster Berg des Nordschwarzwalds“ nennen darf.
Aussichtsreiches Hochplateau
Hier befindet sich auf dem 1871 errichteten Bismarckturm eine kleine Aussichtsplattform, von wo aus man in westlicher Richtung einen herrlichen Blick über die Rheinebene bis hinüber in die Vogesen hat. Auch sonst bildet die Hornisgrinde ein einzigartiges und schützenswertes Biotop. Entlang des Grindenpfads finden sich zahlreiche Lehrtafeln mit vielen Informationen zur speziellen Flora und Fauna der Hornisgrinde. Da uns unser Weg von hier aus hinunter zum Seibelseckle führte, hatten wir zwei nicht minder attraktive Alternativen für unseren Abstieg. Zum einen konnten wir über den Bohlenweg durch das Hochmoor zum Dreifürstenstein gehen, dem mit 1.154 Meter ü.M. höchsten Berg Württembergs. Von dort aus dann steil hinab auf einem steinigen Pfad mit einer herrlichen Aussicht hinunter zum Seibelseckle.
Oder wir konnten über das Gipfelplateau hinüber zum Hornisgrindenturm gehen und von dort hinunter zum Mummelsee, dem wohl bekanntesten Karsee im Nordschwarzwald. Von hier aus führt ein schöner Pfad ebenfalls zum Seibelseckle. Wir entschieden uns für die erste Variante. Am Seibelseckle galt es unsere Trinkwasservorräte wieder aufzufüllen. Direkt hinter der Rasthütte befindet sich ein Brunnen mit frischem klarem Wasser. Vermutlich hätten wir das Wasser sogar so trinken können, wir entschlossen uns aber dennoch, es zu filtern. Bei ungefähr drei Liter Trinkwasser pro Person, kann das schon einmal eine halbe Stunde Zeit beanspruchen.
Dann ging es weiter in unser erstes Camp, das sich etwas unterhalb des Biberkessels befindet. Wir alle waren natürlich sehr gespannt, was uns dort erwartet. Zuerst trafen wir auf eine Schutzhütte mit Feuerstelle, von dort aus ging es dann noch etwas tiefer in den Wald hinein zu den insgesamt drei Zeltplattformen, von denen bei unserer Ankunft nur eine besetzt war. Auf einer freien Plattform errichteten wir unser Zelt und richteten uns etwas häuslich ein. Ich kann nicht sagen, was ich erwartet habe, aber wir befanden uns wirklich mitten im Wald. Zwischen den Plattformen verlaufen nur ganz schmale Trampelpfade, ansonsten ist der Wald so dicht, dass er fast undurchdringlich ist. Auch die Aussicht reicht von der Plattform ungefähr nur einen Meter bis zum nächsten Dickicht. Wer Natur sucht, ist hier also absolut richtig.
Besonders gespannt war ich auf die Kompost-Toilette, die in der Nähe der Plattformen aufgestellt ist. Nun will ich nicht von mir behaupten, ich sei was Toiletten betrifft, außerordentlich penibel. Aber ich muss gestehen, dass mir schon sehr viel an Sauberkeit und Hygiene liegt. Da ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, was ich mir unter dem Begriff „Kompost-Toilette“ vorstellen soll, rechnete ich natürlich mit dem Schlimmsten. Aber ich wurde sehr positiv überrascht. Das Toilettenhäuschen ist nicht nur liebevoll aus Holz erbaut, es ist auch sehr sauber und hygienisch. Ich muss zugeben, ich würde diese Toilette vielen öffentlichen Toiletten jederzeit vorziehen. Sinnvoll ist es jedoch, eigenes Toilettenpapier mitzubringen, da nicht gewährleistet ist, dass welches vor Ort ist. Damit die Toilettenhäuschen der Camps nicht unbefugt benutzt werden, sind sie mit Zahlenschlössern gesichert. Den Code erhält man mit der Buchungsbestätigung – daher ist es auch sinnvoll, diese ausgedruckt mit sich zu führen.
Da es so langsam zu dämmern begann, entschieden wir uns, das Abendessen zuzubereiten. An der Schutzhütte bei der Feuerstelle findet man eine große Kiste, die – ebenfalls mit einem Zahlenschloss gesichert – alle notwendigen Utensilien wie Holz, Streichhölzer oder Feuerschale enthält. Da wir einen Gaskocher mit uns führten, haben wir das Feuer lediglich wegen der Insektenabwehr, der Wärme und der Atmosphäre entzündet.
Schutz gegen zudringliche Insekten ist wichtig
Gerade in den Abendstunden gibt es viele Stechmücken und es empfiehlt sich in jedem Fall, nicht nur entsprechende Abwehrsprays mit extra Zeckenschutz dabei zu haben, sondern auch lange Kleidung zu tragen. Auch was Zecken betrifft, sollte man entsprechend vorbereitet sein. Der Nordschwarzwald ist FSME-Risiko-Gebiet, weshalb sich eine vorherige Impfung auf jeden Fall lohnt. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass eine solche Impfung mindestens ein halbes Jahr vorher und in mehreren Impfgängen erfolgen sollte, damit sie wirksam ist. Auf jeden Fall sollte das mitgeführte Erste-Hilfe-Set eine Zecken-Zange oder -Karte beinhalten und tägliches Absuchen des Körpers sollte zur Routine gehören. Ebenso ist es sinnvoll, nachdem man durch hohes Gras gelaufen ist, seine Beine mit einem Tuch abzuwischen und zu kontrollieren, ob irgendwo eine Zecke sitzt. Das hört sich nun alles sehr dramatisch an. Wenn man diese einfachen Dinge jedoch beachtet, ist man eigentlich schon sehr sicher unterwegs. Ich selbst halte mich meistens an diese Regeln und hatte in meinem ganzen Leben gerade einmal drei Zeckenbisse, die ich alle frühzeitig erkannt habe.
Während unserer Mahlzeit kam auch unser Camp-Mitbewohner von der anderen Plattform zur Feuerstelle. Er war alleine unterwegs und war ein sehr erfahrener Trekking-Wanderer, von dem wir viele wertvolle Tipps bekamen. Nach einem gemeinsamen Abendessen saßen wir noch bis tief in die Nacht vor dem Lagerfeuer und erzählten uns allerlei unterhaltsame Geschichten. Ich hatte den Eindruck, dass sich Menschen, die in solchen Camps übernachten, vermutlich in vielen wesentlichen Dingen des Lebens einig sind und sich daher besonders gut verstehen. Doch je später es wurde, desto kälter wurde es auch und irgendwann war es dann Zeit, in die Schlafsäcke zu schlüpfen. Ein schöner, erster Trekking-Tag ging zu Ende und wir waren sehr gespannt darauf, was uns noch alles erwarten würde.
25. Juni 2018 – Tag 2
So schön der Tag war, so mühsam war die Nacht. Zumindest für mich. Meine beiden Begleiter dagegen schliefen hervorragend. Mein aufblasbares Kopfkissen hatte ein Loch und ich musste es ständig wieder aufblasen um einigermaßen bequem zu liegen. Zudem hätte ich nicht erwartet, dass es nachts im Wald so geräuschvoll zugeht. Als ich dann noch meinte zu hören, dass irgendein größeres Tier an meiner Seite des Zelts herumknabbert, war es ganz aus mit dem Schlaf. Entsprechend gerädert war ich am nächsten Morgen.
Daran änderte ein ausgiebiges Frühstück, trotz meines mitgeführten Gourmet-Kaffees, auch nicht wirklich etwas. Wir bauten unser Zelt ab und verstauten alles in unseren Rucksäcken. Hier macht es sich bezahlt, wenn jeder im Vorfeld seine feste Aufgabe zugewiesen hat und weiß, was er zu tun hat. Unsere heutige Tagesetappe führte uns zum Erdbeerloch, in der Nähe des Klosters Allerheiligen. Da wir dafür ungefähr zwanzig Kilometer vor uns hatten, schauten wir, dass wir uns zügig auf den Weg zu machten.
Zurück am Seibelseckle füllten wir unseren Wasservorrat an dem Brunnen nochmals auf, sodass wir eigentlich bis zum nächsten Camp versorgt sein sollten – so dachten wir zumindest. Vom Seibelseckle führte uns die rote Raute des Westwegs hinauf auf den Schwarzkopf. Hier oben fühlt man sich wirklich wie im Paradies. Nicht nur die Aussicht besticht durch ihre Schönheit, auch der Wald zwischen Schwarzkopf und Altsteigerskopf wirkt wild und ursprünglich. So zogen wir weiter bis zur Darmstädter Hütte, wo wir unsere erste Rast einlegten. Bei meinen Wanderungen durch den Nationalpark zieht es mich immer wieder hierher zu dieser Hütte. Sie ist meiner Meinung nach eine der schönsten Wanderhütten in der Region und die herrliche Sonnenterrasse lädt zum ausgiebigen Faulenzen ein. Auch hier konnten wir nicht widerstehen und stärkten uns ausgiebig mit Linsen, Spätzle und Saitenwürstle.
Während wir unseren Weg fortsetzten, erzählte ich meinen Begleitern vom nahe gelegenen Wilden See, der sich inmitten eines der ältesten Bannwaldgebiete des Schwarzwalds befindet. Von unserem Weg aus führt ein steiler Pfad hinab zu diesem versteckten und wunderschönen Karsee. Da ich selbst in diesem Jahr dort schon mehrfach war, beschloss ich auf einer Holzbank am Eutinggrab mein nächtliches Schlafdefizit nachzuholen, während meine beiden Begleiter einen Abstecher hinunter zum See unternahmen. Kaum war ich eingenickt, war mir, als würde mir der Anfang des 20. Jahrhunderts hier beigesetzte „Ruhesteinvater“ Julius Euting im Traum erscheinen. Wie sich herausstellte, handelte es sich jedoch um eine historische Führung und ich war, als ich erwachte, umringt von interessierten Zuhörern, die der Geschichte des frühen Wanderpioniers aus dem Munde ihrer kompetenten Historikerin lauschten.
Eineinhalb Stunden später, nach einem außergewöhnlich erholsamen Nickerchen ohne weitere „Erscheinungen“, wurde ich von meinen begeisterten Weggefährten geweckt. Sie waren völlig beeindruckt von ihren Erlebnissen am Wilden See und hatten viel zu erzählen. Gemütlich zogen wir weiter über die grünen Bergweiden mit ihren Kuhherden in Richtung Ruhestein. Dort angekommen stellten wir fest, dass wir von unseren Wasservorräten deutlich mehr verbraucht hatten als geplant. Da weit und breit kein Brunnen oder Bach war und wir uns auch nicht sicher waren, wann die nächste Wasserquelle auftaucht, beschlossen wir, im Ruhesteinstüble nach Wasser zu fragen.
Nun war uns durchaus bewusst, dass die hiesigen Gastronomen auf uns Trekking-Touristen nicht unbedingt warten, die sich ausschließlich von ihren mitgebrachten Vorräten ernähren, die kostenlose Landschaft und das gut ausgebaute Wegenetz genießen und dann noch in Restaurants nach Wasser betteln. Daher beschlossen wir, vor dem Fragen noch ein Stück Kuchen zu essen. Schon bei früheren Ausflügen habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Kuchen im Ruhesteinstüble sehr lecker ist, weshalb es uns überhaupt nicht schwer fiel, dieses „Opfer“ zu bringen. Als wir dann nach Wasser fragten, waren die Gastleute überaus hilfsbereit und halfen uns sogar beim Abfüllen in unsere Behälter.
Immer wieder Westweg
Vom Ruhestein ging es vorbei an der Skisprungschanze hinauf zum Vogelskopf, einem meiner Lieblingsskilifte im Winter. Wieder auf dem Höhenzug des Schwarzwaldes angelangt, führt von hier über den Schweinkopf ein wunderschöner Westweg-Abschnitt durch eine sehr authentische Grindenlandschaft hinüber zum Schliffkopf. Hier sind oft auch die großen Schafherden zu sehen, die die Grinden das Jahr über frei halten und somit diese wunderschöne Landschaft erhalten. Am Schliffkopf genossen wir nochmals die herrliche Aussicht, bevor wir hinunter ins Erdbeerloch abstiegen. Dabei hatten wir uns irgendwie mit unserer Karte vertan. Denn wir hatten angenommen, dass sich unser Camp nur wenige Höhenmeter unterhalb des Schliffkopfs befindet, da die Höhenlinien auf unserer Karte nur schlecht gekennzeichnet waren.
Irgendwann hatten wir uns dann so richtig „verfranst“ und wussten gar nicht mehr, wo wir waren. Da wir kein GPS-Gerät dabeihatten, blieb uns nichts anderes übrig, als zum letzten Punkt zurückzukehren, bei dem wir uns noch sicher waren, dass wir richtig sind. Von hier aus zählten wir unsere Schritte, um die Entfernung auf der Karte einschätzen zu können. So fanden wir dann auch zum Camp, das sich viel weiter unterhalb des Schiffkopfs befand als wir dachten. Doch der Ärger über unseren Fehler war schnell verflogen, als wir das Camp sahen. Anstatt Erdbeerloch hätte man es wohl eher „Erdbeerhügel“ nennen sollen, denn es liegt im Bereich des Hirschkopfs auf einer kleinen, bewaldeten Kuppe.
Die Holzplattformen sind hier deutlich größer als im letzten Camp, was wohl daran liegt, dass in der Kernzone des Nationalparks in einem Zelt anstatt drei nur zwei Personen schlafen dürfen. Von den Plattformen hat man eine wunderschöne Aussicht in ein kleines, namenloses Tal hinunter. Die Hütte mit der Feuerstelle und der Toilette befindet sich etwas unterhalb des Hügels an einer Wegkreuzung. Als wir dort waren, befand sich die Schutzhütte gerade im Ausbau und sah danach aus, dass sie sehr modern und großzügig gestaltet wird. Wir waren ganz alleine im Camp und ein anstrengender Tag lag hinter uns. Daher verzogen wir uns bereits kurz nach dem Abendessen in unsere Schlafsäcke.
Da ich mein Kopfkissen zwischenzeitlich geflickt hatte, schlief ich sehr gut. Zumindest, bis mitten in der Nacht ein sehr starker Wind aufkam und mich aus dem Schlafsack zwang, um alles, was nicht niet- und nagelfest war, festzubinden. Da der Wind bis zum nächsten Morgen anhielt, war mein Schlaf auch in dieser Nacht sehr unruhig. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Handhabung der Zeltplattformen eingehen. Im Gegensatz zur üblichen Fixierung eines Zelts erfolgt diese auf der Plattform ausschließlich durch Schnüre.
Keine Spuren hinterlassen
Denn es gilt bei allem, was man während seines Camp-Aufenthaltes tut, die Regel, dass man keine sichtbaren Spuren hinterlässt. Weder durch das Einschlagen von Heringen und Nägeln noch durch das Hinterlassen von Ausrüstung oder sonstigem Abfall. Selbst die Asche, die wir mit unseren Lagerfeuern verursachen, sollten wir in die bereitgestellten Aschebehälter füllen und unseren Camp-Nachfolgern ein ordentliches Equipment hinterlassen. Das gilt natürlich auch für die Toiletten und die tägliche Hygiene. Wir befinden uns in einem Nationalpark, also sollte der Eingriff des Menschen möglichst gering ausfallen. Für uns „Trekker“ bedeutet das, biologisch abbaubare Reinigungs- und Hygieneprodukte zu verwenden, sofern wir sie nicht grundsätzlich vermeiden können. Wenn wir uns schon im Einklang mit der Natur befinden wollen, sollte uns auch die Verantwortung bewusst sein, die wir in diesem Zusammenhang tragen.
26. Juni 2018 – Tag 3
Trotz meines unruhigen Schlafs wachte ich am frühen Morgen überraschend ausgeruht auf. Meine beiden Begleiter schliefen allerdings noch fest, weshalb ich mich an den Rand unserer Plattform setzte und die Farben, Geräusche und Gerüche des Waldes auf mich wirken ließ. Vor Kurzem habe ich gelesen, dass findige Marketingmenschen genau dafür den Begriff „Waldbaden“ entwickelt haben. Es hatte auf jeden Fall eine sehr beruhigende, entspannende und fast schon meditative Wirkung, die mich die Zeit fast gänzlich vergessen ließ. Etwas später, als wir alle zusammen beim Frühstück saßen, machte ich meinen beiden Begleitern den Vorschlag, sich das nahegelegene Kloster Allerheiligen und die berühmten Wasserfälle im Lierbachtal anzusehen. Da ich auch dort bereits des Öfteren war, erklärte ich mich bereit, in dieser Zeit die Ausrüstung abzubauen und einzupacken. Für mich war dieser Tag leider der letzte der Tour, da ich am nächsten Tag wieder zur Arbeit musste. Da wir uns bislang auf dem Westweg sehr wohl gefühlt hatten, überlegten wir, ob wir unseren gestrigen Weg bis zum Schliffkopf zurücklaufen sollten, um von dort aus wieder der roten Raute zu folgen.
Allerdings entdeckten wir auf unserer Karte, dass direkt vom Erdbeerloch ein Wanderweg mit einer gelben Raute hinauf zum Lotharpfad führt.
Da auch ich dieses Gebiet bislang noch nicht kannte, entschlossen wir uns, es mit dieser Route zu versuchen. Bei dem Weg handelte es sich um einen klassischen Waldweg, der zum Wandern erstmal nicht besonders spannend ist. Allerdings ist er landschaftlich sehr schön und bietet immer wieder tolle Ausblicke hinunter ins Lierbachtal. Wer es gerne ruhig mag, wird diesen Weg sehr schätzen, denn es ist uns bis hinauf zum Lotharpfad weit und breit kein Mensch begegnet. Wieder oben auf der Höhe angelangt, mündet der Wanderweg auf Höhe des Lotharpfads wieder in den Westweg, der ab hier einige Kilometer lang eine fantastische Aussicht über den Schwarzwald bietet. Deshalb wird er auf diesem Teilstück auch Panoramaweg genannt. Diese Aussicht fesselte auch uns, weshalb wir hier kurzerhand eine kleine Rast einlegten, um das Panorama zu genießen. Ein letztes Wegstück führte uns um den Sandkopf herum zur Zuflucht. Über lange Jahre war die Zuflucht eine Jugendherberge, bis sie im Jahr 2012 zu einem modernen Hotel umgebaut wurde. Hier endete die Tour für mich. Bei einem gemeinsamen Mittagessen verabschiedete ich mich von meinen beiden Weggefährten, die weiter zum nahe gelegenen Camp Bösellbach gingen. Von dort aus ging die Tour der beiden noch zum Camp Gutellbach sowie zum Camp Kniebis und anschließend hinunter nach Baiersbronn, wo ich sie dann am Ende der Woche abholen würde.
Mein Resümee:
Die Trekking-Tour war für mich eine tolle Erfahrung. Mein Wunsch war es, der Natur ein Stück näher zu kommen, als es unter normalen Umständen möglich ist. Dieser Wunsch wurde mir auf jeden Fall erfüllt. Ich bin zwar schon des Öfteren viel längere Mehrtagestouren gelaufen, aber nie als Selbstversorger. Es ist etwas Anderes, wenn man alle Dinge, die man benötigt, mit sich führen muss. Dabei ist schon die Planung ein kleines Abenteuer, denn man muss auf gewohnten Komfort verzichten, um Platz zu schaffen für die Dinge, die wirklich wichtig sind. Eine wertvolle Erfahrung, die ich aus der Tour mitgenommen habe, ist es, den Wert von einfachem Trinkwasser schätzen zu lernen.
Einige Tage nach der Tour stand bei mir zu Hause noch eine halbe PET-Flasche gefiltertes Wasser herum und ich habe es nicht übers Herz gebracht, es wegzuschütten. Ebenso habe ich die Geräusche und die Gerüche des Waldes verinnerlicht, wie das stetige Summen der Insekten, das Rauschen der Bäume und der Geruch von nassem Moos und totem Holz. Selbst wenn ich heute auf einer Tageswanderung unterwegs bin, nehme ich diese Dinge viel intensiver wahr als früher. Man muss sich jedoch darauf einstellen, sehr einfach zu leben und auf einigen Komfort zu verzichten. Wobei sich hier recht schnell eine Art Routine einstellt. Dabei wird manchem die Erkenntnis kommen, dass man nicht wirklich viele Dinge benötigt, um glücklich zu sein. Auf jeden Fall werde ich mir in diesem Jahr vornehmen, auch in den anderen Camps zu übernachten. Je nach dem, wieviel Zeit mir dazu zur Verfügung steht, entweder alle Camps in einer Tour oder einzelne Camps über den ganzen Sommer verteilt.
Ich fand es auch sehr interessant, wie unser Camp-Nachbar am Seibelseckle die Camps erkundet. Er stellt an einem Samstagmorgen sein Auto irgendwo im Nordschwarzwald ab und läuft von dort in einer Tagestour zum ausgewählten Camp, übernachtet dort und läuft am nächsten Tag auf einem anderen Weg wieder zurück zum Auto. Er meinte, er mache das immer, wenn er ab und zu mal wieder „Wald braucht“. Und das bringt es ganz gut auf den Punkt. Es geht darum, einfach mal weg vom Alltäglichen und in einer ganz anderen Welt zu sein. Die Reduzierung auf das absolut Wesentliche und die Verlangsamung auf eine Geschwindigkeit, die unserem Geist auch Zeit lässt, die Umgebung viel bewusster wahrzunehmen, schafft einen sehr intensiven Ausgleich, von dem man sehr lange zehren kann. Ich selbst werde in Zukunft wohl auch des Öfteren, sagen: „Ich brauche mal wieder Wald“. Vielleicht sehen wir uns dann einmal am Lagerfeuer eines Trekking-Camps im Nordschwarzwald. Ich freue mich darauf!
Nicolai Stotz
(Fotos: Nicolai Stotz)
16.02.2019