Leise rieselt der Schnee: In den Wintermonaten legt sich nicht nur über die Natur ein Schleier der Ruhe. Sondern auch für viele Menschen ist diese Jahreszeit die Zeit der Besinnlichkeit und Stille. Doch sich auf diese stillen Momente einzulassen, fällt vielen von uns immer schwerer. Manche empfinden sie sogar als bedrückend. Dabei kann sie nicht nur gut für die Seele, sondern auch für die Gesundheit sein. Unser Partner, die AOK Baden-Württemberg, erklärt, warum lautlose Momente Balsam für die Seele sein können und lässt dazu auch einen Experten, den Psychotherapeuten Dr. Jan Glasenapp zu Wort kommen.
In diesem Beitrag erfahrt ihr etwas über positive, aber auch negative Effekte der Stille und warum es manchen Menschen schwerfällt, innerlich zur Ruhe zu kommen und mit welchen Methoden ihr euch bewusst ruhige Momente zum Abschalten schaffen könnt.

Der Psychotherapeut Dr. Jan Glasenapp aus Schwäbisch Gmünd definiert Stille so: „Sie ist eine Erfahrung und lässt sich schwer in Worten ausdrücken. Für mich ist es erstmal die Einladung, innezuhalten und die Pausetaste zu drücken. Das kann zum Beispiel bedeuten, einen Moment lang zu zögern, bevor ich etwas sage. Oder ich versuche ruhiger zu werden, um mich ganz auf den Augenblick zu konzentrieren, der jetzt gerade stattfindet.“
Arten der Stille
Wie so vieles im Leben ist Stille eine Medaille mit zwei Seiten. Positiv betrachtet ist sie ein Moment der Ruhe, des Innehaltens sowie ein Unterbrechen des Alltags. Sie kann wie eine Tür sein, um sich nach innen zu wenden und die Ruhe wahrzunehmen. Hierbei können wir eine gewisse Zufriedenheit empfinden. Auf der anderen Seite kann sie allerdings auch negativ behaftet und unangenehm sein.
„Manchmal sprechen wir von Todesstille“, erläutert Glasenapp. „Für manche Menschen bedeutet sie ein unangenehmes Schweigen – ein Nichtaussprechen von Dingen, die wichtig sind. Das kann für betroffene Personen sehr belastend sein. Stille ist daher an sich weder positiv noch negativ. Es hängt stark davon ab, wie Menschen sich auf sie einlassen können.“

Nach Ansicht des Psychotherapeuten müssen wir diese unangenehme Stille auch ernst nehmen. In unserem Gehirn herrscht ständig Aktivität. Diese ist Ausdruck des Lebens. Es ist daher wichtig, Stille nicht als einen Zustand der Leere oder des Nichts wahrzunehmen. Sie bedeutet in erster Linie die Abwesenheit von Lärm, Geräuschen, bestimmten Aktivitäten und Informationen, mit denen wir uns auseinandersetzen, und die gerade in der heutigen Zeit für sehr viel Unruhe sorgen.

Stille zuzulassen fällt vielen Menschen schwer
Wir haben nicht gelernt, mit Stille umzugehen. Stille ist in der Schule leider kein Unterrichtsfach und es ist in unserem Leben oft auch kein Raum dafür vorgesehen. Der Psychotherapeut sieht hier ein Kompetenzdefizit: „Viele Menschen haben nicht gelernt, wie sie in ihrem Alltag Raum für Stille schaffen können. Doch diese Fähigkeit können wir uns antrainieren.“

Wie wirkt sich Lärm generell auf das seelische Wohlbefinden aus?
„Der entscheidende Faktor ist hierbei nicht Lärm an sich“, erklärt der Experte. „Leben bedeutet Lärm und die ständige Auseinandersetzung mit Informationen. Ausschlaggebend für das psychische Wohlbefinden ist vielmehr die Selbstkontrolle. Es ist wichtig, die Menge an Lärm im eigenen Leben regulieren zu können.“

Menschen erleben vor allem dann unangenehmen Stress, wenn sie nicht mehr das Gefühl haben, die Anforderungen des Alltags selbst bestimmen zu können. Auf der einen Seite ist das ein quantitatives Problem, da es in manchen Lebensphasen einfach zu viel ist. Andererseits ist es ein qualitatives Problem, wenn die Art und Weise der Herausforderungen jemanden überfordern. Das kann auf Dauer zu psychischen Belastungen bis hin zu psychischen Störungen führen.
Wie man es schafft, innerlich zur Ruhe zu kommen
„Mein erster Tipp ist, kein Öl ins Feuer zu gießen“ rät Glasenapp. „Es bringt nichts, sich selbst dafür zu verurteilen, dass wir keine Stille in uns finden. Anforderungen und Erwartungen wie ‚Ich muss doch jetzt zur Ruhe kommen‘ sind kontraproduktiv. Vielmehr sollten wir äußere Stille dafür nutzen, um unsere innere Ruhe zu finden. Es kann zum Beispiel sehr hilfreich sein, abends bestimmte Rituale zu befolgen.“
Statt vor dem Fernseher einzuschlafen oder sich mit dem Smartphone zu beschäftigen, sollte man den Abend lieber langsam ausklingen lassen, um zur Ruhe zu kommen. Auch Achtsamkeitsübungen oder Meditation können dabei helfen. Durch solche Rituale und Methoden lässt sich die Einladung zur Stille fördern und das Innehalten lernen.

Weitere Gesundheitstipps von der AOK Baden-Württemberg findet ihr HIER.
(Fotos: ha11ok, Pexels, NoName_13, bessi, Rondell Melling [alle pixabay], Dr. Jan Glasenapp)
27.11.2023