Wie der Naturpark interaktiv die Geschichte der Gesteinswelt im Schwarzwald erzählt – unterwegs in Straubenhardt auf einer der Naturpark Geo-Touren!
Ein Jaspis-Schmuckstein bei Marxzell oder grüne Steine einer wahrscheinlich jahrhundertealten Waldglasbläserei in der Nähe von Straubenhardt: Sie sind Zeugen einer längst vergangenen Zeit und Schätze, die noch heute Wandernde auf den GeoTouren des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord selbst erforschen können. „Aus der ganzen Welt kommen Menschen zu uns in den Naturpark, um die Vielfalt an Gesteinen zu entdecken“, berichtet Dr. Andreas Megerle aus Waldbronn. Er ist promovierter Geograf und Landschaftsexperte. Megerle hat die GeoTouren für den Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord konzipiert. Sie wurden mit Unterstützung der Tourismusgemeinschaft Albtal Plus umgesetzt.
Aus Wüste, Meer und Vulkan wurde der Schwarzwald
„Wüste, Meer und Vulkan – all das war der Schwarzwald einmal. Die Steine im Naturpark sind Resultate dieser Zeit. Noch heute erzählen sie uns ihre Geschichte“, sagt Megerle. Und was nur wenige wissen, berichtet der Geograf: „Die Biodiversität hängt auch von der Geodiversität ab.“ Letztere bezeichnet Vorgänge und Zustände, an denen keine Lebewesen beteiligt sind. Genau dieses Zusammenspiel von Gesteinen, Pflanzen, Tieren und dem Menschen ist Thema der GeoTouren. So sind Gesteine etwa Lebensraum für Moose und Flechten oder Eidechsen. Und der Mensch hat Gesteine zumeist als Rohstoff zum Bauen verwendet.
Mit den aktuell 24 GeoTouren im nördlichen und mittleren Schwarzwald weist der Naturpark auf Phänomene am Wegesrand hin, die ansonsten leicht übersehen würden. „Auf den GeoTouren erleben Wandernde die Entstehungsgeschichte und Gesteinswelt des Schwarzwalds auf eine besondere Weise“, berichtet die Projektmanagerin des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord, Lilli Wahli. „Uns war es wichtig, die Touren interaktiv zu gestalten und dadurch die Gesteinswelt für jeden erlebbar zu machen.“
Die Touren führen über ausgewiesene Wander- und Waldwege. Immer wieder gibt es Abstecher in den Wald. Diese sind mit der Forstverwaltung abgestimmt. Nahezu alle GeoTouren sind gut mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen.
Tourenführung mit kostenlosen Broschüren
Die Touren werden anhand von kostenlosen Begleitbroschüren erwandert. Diese enthalten Informationen zur Anfahrt und Ausrüstung, eine Tourenkarte und die Aufgaben zu den einzelnen Mitmach-Stationen auf der Strecke. Sie sind kostenlos erhältlich im Info-Shop des Naturparks in Bühlertal sowie in den jeweiligen Tourist-Infos. Auf der Naturpark-Internetseite stehen die Broschüren zum kostenlosen Download bereit.
Geologisches Basiswissen vermitteln zudem die beiden Begleitbüchlein „GeoKompakt“, die die beiden GeoBoxen zum nördlichen und mittleren Schwarzwald ergänzen. Die GeoBoxen enthalten die neun wichtigsten Gesteinsarten, die jeweils für den nördlichen und mittleren Schwarzwald typisch sind. Die Steine für die Naturpark-GeoBoxen sammelt Megerle selbst auf seinen Touren durch den Schwarzwald. Auch die GeoBoxen sind in den örtlichen Tourist-Infos sowie im Info-Shop und im Online-Shop des Naturparks erhältlich.
Wer die GeoTour lieber mit einem ausgebildeten Natur- und Landschaftsführer erleben will, kann sich im Landkreis Calw an die Schwarzwald-Guides Nicolai Stotz und Kurt Pfrommer, im Albtal direkt an den GeoTouren-Entwickler Andreas Megerle und im Kinzigtal an Schwarzwald-Guide Wilfried Enderle wenden. Ihre Kontaktdaten können über diverse Online-Portale abgerufen werden.
Einblick in eine Naturpark Geo-Tour: Selbst Schmucksteine am Wegesrand entdecken
Ein Blick hinter die Kulissen: Dr. Andreas Megerle führt am Donnerstag (11. April) eine Gruppe durch die GeoTour in Straubenhardt (Landkreis Calw) im Holzbachtal. Er steht am Start der GeoTour auf einem Waldweg und hält ein kleines selbstgebasteltes Steinmännchen in die Höhe. „Das ist Holzi aus dem Holzbachtal“, erklärt Megerle der Gruppe. Holzi setzt sich aus den im Holzbachtal vorkommenden Gesteinen zusammen: Sein Körper und die Nase sind aus rötlichem Kugelsandstein geformt, die Augen aus weißem Schwerspat und die Haare aus schwarzem Eisenerz. Holzi ist die sinnbildlich versteinerte Leidenschaft des Geografen: Gäste wie Menschen aus der Region für die vielseitige Gesteinswelt des Schwarzwalds begeistern und ihnen auf diese Weise die Entstehungsgeschichte des Mittelgebirges näherbringen – spielerisch und eingerahmt von Anekdoten.
In den kostenlosen Begleitbroschüren zu den 24 GeoTouren im Naturpark hat er genau das vereint. Los geht’s mit Station 1. Ein Bild in der Broschüre zeigt einen Steinblock am Rand eines Waldwegs. Wer entdeckt ihn? Um welche Gesteinsart handelt es sich? Und wie kommt der Steinblock überhaupt dorthin? Anhand von Fotos und Grafiken sowie kurzweiligen Informationstexten gibt Megerle in den GeoTour-Broschüren sein Wissen weiter.
Steine erwachen zum Leben
Auf seinen geführten Naturpark Geo-Touren erweckt Megerle die Steine regelrecht zum Leben. Angekommen bei Station 1 greift Megerle an seinen Gürtel und zieht den dort befestigten Geo-Hammer heraus. Mit einem gezielten Schlag zerteilt er einen Stein vor sich auf dem Waldweg und erklärt: „Durch die Verwitterung und das Wasser ist der Stein verändert. Deshalb müssen wir immer ins Innere eines Steins sehen.“ Er reibt die beiden gespaltenen Gesteinshälften aneinander. „Das ist 40 Millionen Jahre alter Sand, den Sie da jetzt in die Hände bekommen“, erläutert Megerle. Nicht umsonst trägt die GeoTour in Straubenhardt den Titel „Wandernde Blöcke und Wüstensteine“.
Den wandernden Blöcken kommt die Gruppe dann bei Station 2 auf die Spur. Ein Abstecher in den Wald und schon befinden sich die Teilnehmer mitten in einem Gesteins-Blockmeer zwischen den Bäumen. Es ist ein Beispiel für Biodiversität durch Geodiversität. Denn Blockmeere bieten unter anderem Lebensraum für Moose, Eidechsen und Blindschleichen. „Für viele sind Steine einfach nur alt, kalt und tot“, sagt Megerle. Für ihn sind sie lebendige Geschichte mit pulsierenden Herzen. Die GeoTouren des Naturparks verwandeln die versteinerte Geschichte des Schwarzwalds in Leidenschaft, die ansteckt.
Text: Gundi Woll/ Fotos: Johannes Nickel
17.04.2024