Hier findet ihr regelmäßig einen Beitrag über den Jahresrhythmus des Charaktervogels unserer Region. Heute geht es um die Ernährung der seltenen Waldvögel und ihren Speiseplan im Jahresverlauf.
In einer früheren
Folge haben wir bereits die Auerhuhnküken auf ihren ersten Schritten durchs
Leben begleitet und gelernt, dass sie für ihr rasantes Wachstum in den ersten
Wochen fast ausschließlich auf tierisches Eiweiß in Form von Insekten und deren
Larven angewiesen sind. Bei ausgewachsenen Auerhühnern hingegen spielt diese
Nahrungsquelle eine eher untergeordnete Rolle und ihr Speisezettel unterscheidet
sich im Jahresverlauf beträchtlich.
Wie minimalistisch sich die winterlichen Überlebenskünstler in
der kalten Jahreszeit ernähren müssen und welche besonderen Anpassungen das mit
sich bringt, konntet Ihr bereits in der letzten
Folge lesen. Heute wollen wir die Ernährungsgewohnheiten der restlichen
Jahreszeiten beleuchten und gedanklich dem Jahresverlauf vorgreifen.
Eiweiß und Fett aus bestimmten Pflanzen
Im Frühjahr werden die Tage wieder länger und die Natur erwacht aus dem Winterschlaf. Austreibende Knospen und junge Blätter enthalten viel Zucker. Blüten liefern Eiweiß, das gerade für die Hennen zur Eiproduktion wichtig ist. Die gelben Pollen der Hainsimse beispielsweise können mancherorts die Hinterlassenschaften des Auerhuhns (man nennt diese übrigens Losung) kräftig gelb färben. Erste Samen von Gräsern und Seggen enthalten viel Fett. Bald blüht auch die Heidelbeere und im Mai sind fast alle Bäume und Sträucher belaubt und bieten Nahrung. Krautige Pflanzen, Heidelbeertriebe, Blätter und Sporenkapseln von Farnen und Moosen und erste Walderdbeeren erweitern den Speiseplan.
Hauptnahrung Heidelbeere
Im Sommer dominiert bei uns im Schwarzwald die Heidelbeere das Nahrungsspektrum des Auerhuhns, sowohl die reifen Beeren als auch Triebe und Blätter. Neben anderen Beeren wie Preisel-, Brom- und Himbeere werden weiterhin Kräuter, Gräser, Blüten, Blätter und Triebe gefressen. Nun kommen auch vermehrt Samen hinzu. Im Spätsommer ist zudem vielerorts die Leibspeise des Auerhuhns – die Heidelbeere – verfügbar. Sie spielt im Schwarzwald vom Küken bis zum alten Platzhahn eine entscheidende Rolle bei der Ernährung. Bis zu zwei Kilogramm schafft ein ausgewachsener Hahn pro Tag. Dabei werden nicht nur die Beeren und Blüten verwertet, sondern jeder Teil der Pflanze kann genutzt werden. Selbst im unbelaubten Zustand liefern die Stängel und Knospen noch Nahrung. Außerdem locken die Heidekrautgewächse viele Insekten und deren Larven an, auf die die Küken angewiesen sind.
Herbstliche und winterliche Ernährung
Im Herbst nimmt der Anteil an blühenden Pflanzen und Beeren ab und steigt der Anteil an Nadeln, Blättern und Stängeln in der Nahrung wieder an. Vielerorts sind noch Brom- und Vogelbeeren vorhanden. Auch Hagebutten, Bucheckern und getrocknete Beeren nimmt das Auerhuhn an. Diese enthalten noch viel Energie – lasst also beim Heidelbeersammeln ein paar übrig!
Im Winter und vor
allem bei geschlossener Schneedecke verlagert sich das Leben der Auerhühner zunehmend
vom Boden auf den Baum, wo sie sich hauptsächlich von Nadeln, Knospen und
Trieben ernähren. Hier bevorzugen sie die Kiefer, aber auch Tanne, Fichte und
sonstige Nadelbäume liefern Futter. Selbst Zweige und Rindenstückchen können
die Minimalisten dank ihrer Magensteinchen zerreiben und mit Hilfe der langen
Blinddärme verwerten, aber das wisst Ihr ja schon aus der letzten
Folge.
Überlebenswichtig: das richtige Habitat
Von der Verschiebung der mitteleuropäischen Baumartenanteile hin zu mehr Nadelbäumen durch die Forstwirtschaft kann das Auerhuhn vielerorts dennoch nicht profitieren. Die Umtriebszeiten sind in der Regel zu gering, die Bestände zu jung und einschichtig. Die vom Auerhuhn ganzjährig benötigten vielfältigen Strukturen fehlen in den vielfach monotonen Pflanzungen, die zudem oftmals so dicht stehen, dass kaum ausreichend Licht für die Heidelbeere und andere Bodenvegetation durchkommt. Selbst auf dem Boden ist für den großen Vogel hier kein Durchkommen mehr, vom Fliegen ganz zu schweigen.
Das Auerhuhn braucht lichte, störungsarme, arten- und strukturreiche Nadel- und Mischwälder. Schneisen und Lücken im Kronendach des Waldes helfen dem Auerhuhn nicht nur beim Starten und Landen. Viel wichtiger ist, dass durch sie Licht auf den Waldboden gelangt. Das hilft vor allem den Küken, sich bei feuchtkalter Witterung zu wärmen und schafft eine reichhaltige Bodenvegetation und vielfältige Strukturen. Diese bieten nicht nur Nahrung, sondern auch Schutz und Deckung vor Fressfeinden.
Was fürs Auerhuhn gut ist, nützt auch anderen
Ein knorriger, hoher Schlafplatz mit guter Übersicht und wenigen Störungen, vor allem in der kalten Jahreszeit, runden die Lebensraumansprüche des größten Hühnervogels Europas ab und zeigen, wie viele Nischen der Wald des Auerhuhns besitzt. Solch eine Waldausstattung dient dabei auch anderen geschützten Arten wie dem Dreizehenspecht, der Waldschnepfe und dem Sperlingskauz, weshalb diese Arten ebenfalls von den Maßnahmen für Auerhühner profitieren. Insbesondere Waldränder, Schneisen und Lichtungen kommen nicht nur dem Auerhuhn zugute, sondern sind auch für viele Spinnen und Insekten und hier insbesondere Käfer- und Falterarten ein guter Lebensraum.
Lücken für Küken
Bei der Schaffung dieser wertvollen Lebensräume im Kommunal- und Privatwald unterstützt Sie der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord sowohl beratend als auch finanziell im Rahmen des Projekts „Lücken für Küken“. Die Anlage von Lücken im Wald ist dabei nur eine von vielen Möglichkeiten, dem Auerhuhn mittels Habitatgestaltung zu helfen. Auch reguläre forstliche Eingriffe können, mit Blick auf die Bedürfnisse des Auerhuhns durchgeführt, eine große Wirkung erzielen und finanziell unterstützt werden! Sprecht uns unverbindlich an, falls ihr Waldbesitzer seid und Mut zur Lücke in eurem Wald habt! Die Mittel des gemeinsamen Kooperationsprojektes der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) und der beiden Schwarzwald-Naturparke stammen aus dem Sonderprogramm des Landes Baden-Württemberg zur Förderung der biologischen Vielfalt.
BITTE NICHT STÖREN
Wie Ihr seht, halten intakte Auerhuhnhabitate ein jahreszeitlich wechselndes Angebot bereit. Leider sind diese selten geworden. Zudem vertragen Auerhühner Störungen nur schlecht und gewöhnen sich nur in einem gewissen Umfang entlang von Straßen und Wegen daran. Helft daher bitte alle mit, Störungen für die letzten Exemplare in unserem Schwarzwald zu vermeiden und bleibt vor allem in den Hochlagen auf den ausgewiesenen Wegen und Loipen. Auch freilaufende Hunde sind ein großes Problem – nicht nur für das Auerhuhn. Vielen Dank!
(Fotos: Mikelane45/iStock.com, pixabay, Matthias Mohaupt/Naturpark. Foto Wald-Hainsimse: Tigerente/Wikipedia, Link zur Lizenz https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.de)
27.2.2020